Kapitel 38

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Zum bestimmt hundertsten Mal an diesem Tag verfluchte ich Kingsley McTrayers. Seit er mich am Montag mit dem Journey-Song verabschiedet hatte, bekam ich diese Melodie nicht mehr aus dem Kopf. Ständig erwischte ich mich dabei, wie ich den Song vor mich hinsummte, den Rhythmus auf den Tisch klopfte oder mir einige Liedzeilen über die Lippen huschten. Am Montagabend hatte ich dabei noch jedes Mal Herzklopfen bekommen - schließlich kam der Song von McTrayers. Doch mittlerweile lief dieses Lied seit 53 Stunden in meinem Kopf auf Dauerschleife und so langsam hatte ich wirklich genug!

Eine plötzliche Stille riss mich aus dem Ohrwurm. Verwirrt schüttelte ich den Staubsaugerrüssel, aber es tat sich nichts. Warum war das Ding einfach ausgegangen? Es würde mir unendlich viel Zeit und vor allem Nerven kosten, wenn der jetzt kaputt wäre.

Stöhnend sah ich auf - und erkannte die Ursache des Problems. Lediglich der Stecker war aus der Wand gezogen worden, von niemand anderem als meiner Stiefschwester.

"Kannst du das mal lassen?", fragte sie genervt, während sie über das Haushaltsgerät kletterte.

"Was? Das Saugen? Ich bin sowieso gleich fertig."

"Nein - dein komisches Gesinge. Das nervt wirklich! Was ist das überhaupt für ein Song?"

"Du kennst nicht Journey?" Mein Mund klappte vor Überraschung auf und meine Augen starrten meine Stiefschwester verwundert an. Journey war eine der erfolgreichsten Bands der Achtziger! Die musste man einfach kennen!

"Klar doch! Da hab ich mir erst letztens super süße Schuhe für den Prom gekauft!"

Moment - Schuhe?! Wie konnte man eine Rockband mit einem neuen paar High Heels in Verbindung bringen?

"Du meinst doch den Journeys in der Los Angeles Mall oder? Da solltest du unbedingt auch mal wieder hin!"

"Ähm...", stotterte ich, vollkommen aus dem Konzept gebracht. Arabella redete wirklich über einen Schuhladen.

"Eigentlich meinte ich Journey", erklärte ich. "Eine Rockband aus den Achtzigern."

Jetzt schien es endlich auch bei Bella 'Klick' zu machen. Lachend schüttelte sie den Kopf und brachte ihre blonden Haare zum Tanzen.

"Wie heißt dein Song denn? Ich will mal wissen, ob du nur so schräg singst oder ob das Original auch so scheußlich ist", sagte sie mit einem Zwinkern. Ganz so schlimm konnte meine Stimme also gar nicht sein.

Kurzerhand nahm ich meiner Stiefschwester das iphone aus der Hand und gab Songtitel und Band in die Suchleiste von Spotify ein. Keine Sekunde später erschien der Song bereits auf dem Display und ich tippte einmal drauf.

Sofort erfüllten die harmonischen Klavierakkorde den Raum und ich konnte das breite Grinsen, welches sich auf meine Lippen legte, nicht verhindern. Dieser Song war einfach genial – und er war der Grund dafür, dass sich mein Herzschlag beschleunigte, während ein grinsender McTrayers vor meinem inneren Auge auf und ab hüpfte.

Als wir bei dem Refrain angekommen waren, rutschte Bella plötzlich aufgeregt auf ihrem Sitz herum.

"Den Song kenne ich!", rief so, so stolz, als wüsste sie die Antwort auf die 1-Million-Dollar Frage bei "Who wants to be a millionaire?". Aber trotzdem freute mich dieser Kommentar. Immerhin hatte sie ein klein wenig musikalische Bildung. Auch wenn sie zuerst an den Schuhladen gedacht hatte.

"Das wird aber eher nicht laufen am Freitagabend", meinte Bella lächelnd. "Auch wenn ich es gerne sehen würde, wie du mit deiner Luftgittarre mitten auf der Tanzfläche beginnst zu headbangen."

Ich lachte, doch es klang eher wie eine heisere Ziege, als ein normales Lachen. Das erste Mal seit drei Jahren wollte ich wirklich zum Prom. Diesmal wäre ich vielleicht nicht nur dumm in der Ecke gestanden und hätte gebetet, dass die Sekunden schneller vergehen würden. Diesmal hätte ich richtig Spaß haben können – doch dieses eine Mal durfte ich nicht mit.

"Selbst wenn dieser Song laufen würde, könntest du mich nicht sehen", widersprach ich Bella.

"Ach, mit ein bisschen Alkohol im Blut könnte ich dich bestimmt dazu überreden." Ich würde definitiv keinen Alkohol trinken – aber ich hätte ohnehin keine Gelegenheit. Wusste Bella das denn nicht? Ich dachte, sie hätte bereits eine kleine Freudenparty veranstaltet, da ich ihr den Abend nun keinesfalls versauen konnte.

"Darum geht's nicht", meinte ich. "Rebecca lässt mich nicht auf den Ball gehen."

Arabellas geschocktes Gesicht sprach Bände. Sie hatte tatsächlich keine Ahnung gehabt und sie war auch nicht begeistert von dieser Nachricht. Noch vor einer Woche wäre diese Reaktion undenkbar gewesen.

"Was soll das heißen, Rebecca lässt dich nicht gehen?", fragte sie vollkommen perplex. "Das ist der Prom! Da muss man einfach hin! Mum würde uns diesen wichtigen Abend doch niemals verpassen lassen!"

"Dich vielleicht nicht", murmelte ich, so leise, dass Bella mich nicht hören konnte.

Meine Stiefschwester war wirklich unglaublich naiv. Sah sie denn nicht, wie minderwertig ihre Mum mich behandelte? Zugegeben - Rebecca stellte unsere schlechte Beziehung nicht ins Rampenlicht. All ihre kleinen (oder auch größeren) Demütigungen liefen versteckt, in der hintersten Ecke, ohne Zuschauer ab.

Außerdem wollte Arabella vermutlich gar nichts genaues mitbekommen - und so konnte man die Detail schnell übersehen. Ihr war sicherlich klar, dass Rebecca und ich nicht miteinander auskamen, wie eine liebevolle Mutter und ihre Prinzessin - eher wie eine habsüchtige Königin und ihre Kammerzofe. Doch in Bellas rosaroter Welt war wahrscheinlich auch das irgendwie niedlich.

"Mach dein Zeug weiter", ordnete Bella mich plötzlich so energisch an, wie es sonst nur ihre Mum zu tun pflegte. "Ich muss das mit Mum klären. Das kann sie nicht tun!"

Wow! Arabella setzte sich wirklich für mich ein? Ohne einen eigenen Vorteil aus der Sache zu ziehen? Denn was hätte Bella schon davon, ob ich nun mitkam oder nicht. Sie würde ohnehin den ganzen Abend mit ihren Barbie-Freundinnen über die Kleider der anderen Mädels lästern und mit ihrer Ballbegleitung tanzen, bevor sie irgendwann verschwanden, um ruhige Zweisamkeit zu genießen.

Doch Bella stand auf, klopfte ihre weiße Hose ab, obwohl sie noch immer leuchtete, wie frisch aus der Waschmaschine und stolzierte aus dem Wohnzimmer.

Ich war noch immer ein wenig überrascht, als ich schließlich das Kabel wieder in die Steckdose steckte und das Wohnzimmer fertig saugte.

Das laute Dröhnen des Staubsaugers machte es unmöglich, die Worte zu verstehen, die in Rebeccas Arbeitszimmer gebrüllt wurden. Doch an dem wütenden Gebrüll meiner Steifschwester und den kalten, scharfen Widerworten ihrer Mutter konnte ich mir vorstellen, wie es da drin gerade zu ging. Diesmal schien Rebecca sich nicht einmal von ihrer kleinen Prinzessin überzeugen lassen. Das war's dann wohl mit dem letzten Fünkchen Hoffnung, das gerade eben noch aufgeflammt war. Wenn selbst Bella mir nicht mehr helfen konnte, war alles verloren.

Und ich hatte kurz gedacht, meine Geschichte bekäme vielleicht doch ein Happy End.


//Es tut mir wirklich leid, dass ihr so lange auf dieses Kapitel warten musstet und dass es nicht so besonders lang ist... bei mir ist nur leider im echten Leben gerade ziemlich viel los, wodurch ich nur noch sehr wenig zum Schreiben komme.
Mein Ziel ist es, dieses Buch innerhalb dieses oder des nächsten Monats fertig zu bekommen - drückt mir die Daumen, dass ich es schaffe :P
Außerdem habe ich es zu den Watty-Awards 2017 angemeldet... ich erwarte nicht viel, aber es schadet ja nichts... :)
Vielen Dank auf jeden Fall, dass ihr so geduldig mit mir seid! Hoffentlich schaffe ich das nächste Kapitel etwas schneller... ^^

Und natürlich, wie immer, danke fürs Lesen ♡

When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt