Kapitel 23

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Wütend rammte ich den kleinen Löffel in die vereiste Schokomasse. Meine Gefühle befanden sich gerade auf einer Achterbahnfahrt und ich wechselte im Minutentakt zwischen traurig, enttäuscht, wütend, hoffnungslos und gleichgültig.

Das Ben&Jerry's auf meinem Schoß half mir nur bedingt, meine Emotionen in den Griff zu bekommen, doch es war zumindest eine kleine Ablenkung.

"Wieso müssen Jungs nur so kompliziert sein?", nuschelte ich mit einer Portion Chocolate Fudge im Mund. Man könnte meinen, ich hätte bereits genügend Probleme. Aber nein, es musste ja immer noch eines dazu kommen. Zu allem Überfluss war es dieses Mal auch nicht so einfach zu lösen.

Seit McTrayers vor sechs Tagen den Chemiesaal betreten hatte, hatte er mein Leben durcheinander gebracht. Zuerst zwang er mich dazu, mit einem der Mädchen zusammen zu arbeiten, die von der kompletten Schülerschaft in Calabasas High ausgerechnet mich am wenigsten leiden konnten. Dann begleitete er seinen Vater zu einem Abendessen, wo ich seine Bedienung spielen musste, während er mich mit seinen funkelnden Augen und diesem umwerfenden Lächeln vollkommen aus der Bahn warf. Zwei Tage später tauchte er im Pixel Paradise auf, dem einzigen Ort, an dem ich mich bisher immer sicher vor High School Problemen gefühlt hatte, und stellte meine Gefühlswelt durch sein seltsames Verhalten völlig auf den Kopf. Dass er mich in der nächsten Chemiestunde gebeten hatte, Zeit mit ihm zu verbringen, konnte mich gar nicht mehr so sehr durcheinander bringen. Ich hatte mich gefreut - ja, und ich hatte mich auch kurz gefragt, wie er denn zu einer solch absurden Idee kam. Doch mein Glück währte ohnehin nicht lange, da ich ihn dank meiner Stiefschwester und Calabasas' Footballstar Jordan versetzen musste. Und genau das war der Grund, weshalb er jetzt sauer auf mich war und ich einfach nicht wusste, wie ich das ganze Schlamassel aufklären sollte.

Ich fühlte mich wie eine Schneekugel, die man zu heftig geschüttelte hatte, als ich mir die Ereignisse der letzten Tage noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Es war noch nicht einmal eine Woche her, dass ich McTrayers zum ersten Mal gesehen hatte - und trotzdem konnte ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen, ihn nicht zu kennen.

Ruckartig setzte ich mich auf. Anscheinend hatte ich das realisieren müssen, denn plötzlich war ich komplett ruhig und meine Gefühlswelt glich nicht mehr einem wütenden Tornado, sondern einem spiegelglatten See bei Windstille. Mir war vollkommen klar, was ich jetzt tun musste und ich fragte mich, warum ich so lange gebraucht hatte, um dahinter zu kommen.

"Ist dein Eis schon leer oder warum schaust du so geschockt?", hörte ich die Stimme meiner besten Freundin.

Ich antwortete nur mit einem leichten Kopfschütteln. Gerade fühlte ich mich nicht dazu in der Lage, zu sprechen. Meine Gedanken waren viel zu sehr auf den Plan fokussiert, der sich langsam in meinem Oberstübchen bildete. Morgen war Donnerstag, also hatte ich Chemie. Ich würde einfach zu Beginn der Stunde einen weiteren Versuch starten, mich bei McTrayers zu entschuldigen und diesmal würde es auch funktionieren.

Ich hatte keine Ahnung, woher plötzlich dieses Gefühl der Sicherheit kam, doch ich stützte mich darauf und ließ nicht zu, dass es wieder verschwand. Ich musste Vertrauen in mich haben, sonst klappte das niemals.

Hektisch durchwühlte ich meine Tasche nach dem Kugelschreiber und dem kleinen Notizbüchlein, welches ich immer bei mir trug.

Durch das viele Lesen hatte ich mir genügend Begriffe und Redewendungen angeeignet und ich hatte meinen eigenen Wortschatz um einiges aufgebessert. Dank den tausenden Schriftstücken von bedeutsamen Autoren, die meine Augen schon durchfressen hatten, fühlte ich mich in der Lage, einigermaßen sinnvolle Texte zu verfassen.

Da McTrayers mir ohnehin nicht zuhören würde, wenn ich versuchte, es ihm erneut ins Gesicht zu sagen, schrieb ich es einfach auf.

"Dann kann er den Brief während der Chemiestunde lesen, ich kann seine Reaktion beobachten und er kann mir sofort die Antwort zurück geben", erläuterte ich Kalya meinen Masterplan.

Sie sah mich leicht skeptisch an, während meine grünen Augen voller Enthusiasmus blitzten. Ich war begeistert von meiner Idee - und es war auch irgendwie die letzte Chance, die ich hatte.

"Was, wenn er deine Nachricht gar nicht liest?", fragte sie vorsichtig. Kurz kam mein Herzschlag ins Stocken. Für eine Millisekunde war mir dieser Gedanke auch gekommen, doch ich hatte versucht, ihn zu ignorieren und ihn ganz weit aus meinem Sichtfeld geschoben. Doch jetzt war er wieder da und drohte, mich langsam zu überfallen.

"Das wird er", sagte ich - zuversichtlicher, als ich mich fühlte. "Weil Estelle ihm den Zettel geben wird."

"Bitte was?"

Jetzt war meine beste Freundin vollkommen verwirrt, während sich in meinem Gesicht ein Grinsen ausbreitete.

"Ich muss die Notiz für Jordan sowieso noch schreiben, weil der Idiot doch eh vergisst, meine Stiefschwester auf den Homecoming Ball einzuladen", begann ich meine Erklärung.

"Wie jedes Jahr wird mich Rebecca dazu zwingen, Bella einen unvergesslichen Abend zu gestalten, zu dem auch die Einladung des Traumprinzen nicht fehlen darf. Dieses Jahr ist Jordan der Glückliche und er hat bestimmt noch keinen einzigen Gedanken an den Ball verschwendet. Bella ist aber schon ziemlich unruhig und geht dieses Wochenende sogar mit Lou in die Mall zum Kleider shoppen."

"Und was hat das jetzt mit Estelle zu tun?", fragte Kayla sichtlich verwirrt.

"Wenn ich Estelle erzähle, dass ich für ihr Date ebenfalls eine Einladung geschrieben habe, würde sie diese sofort McTrayers geben. Und alles, was von der Queen persönlich kommt wird beachtet - ob man will oder nicht. McTrayers hat gar keine Chance, den Zettel nicht zu lesen. Und Estelle wird niemals wissen, was in Wirklichkeit auf dem Stück Papier steht."

Ich fand meinen Plan wirklich gut. Warum war ich da eigentlich nicht früher drauf gekommen?

"Und was, wenn Estelle die Einladung vorher liest? Sie ist manchmal nämlich leider nicht ganz so blöd, wie sie aussieht", gab Kayla zu Bedenken. Doch auch daran hatte ich gedacht.

"McTrayers mag 80er Jahre Rockmusik", erklärte ich, als wäre es das Einfachste der Welt. "Zumindest hat er Meat Loaf als Klingelton, einen Rolling Stones Aufkleber auf seinem Laptop und irgendwann hatte er mal ein ACDC T-Shirt an."

Um ehrlich zu sein wusste ich sogar noch ganz genau, wann das war. Nämlich an dem Tag, an dem wir McTrayers und Estelle vor dem Schließfächern gesehen hatte. Da mir diese Szene bis jetzt noch leiche Übelkeit verursachte, hatte ich versucht, jegliche Erinnerungen daran aus meinem Gedächtnis zu löschen - mit wenig Erfolg. Doch immerhin konnte ich mich somit an das Shirt erinnern.

"Du scheinst ihn ja wirklich zu mögen, hm?", meinte Kalya nachsichtig.

Ich zuckte nur mit den Schultern und tat so, als wäre mir dieser Kommentar egal - doch meine beste Freundin hatte, wie immer, direkt ins Schwarze getroffen.

"Ich muss also nur die 'Es-tut-mir-wirklich-leid-gibst-du-mir-noch-eine-Chance'-Nachricht irgendwie so in den Songlyrics verstecken, dass McTrayers es versteht, aber Estelle denkt, es wäre nichts weiter, als eine schnöde Einladung", murmelte ich.

Und genau das war das Problem.



When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt