Kapitel 29

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Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich die zwei kleinen Löffel abspülte und abgetrocknet wieder in die Schublade legte.

Bella war womöglich gar nicht so hochnäsig, wie sie sich bisher gezeigt hatte. Unter ihrer künstlichen Schale schien ein Mädchen zu stecken, dass genauso viele Probleme hatte, wie jeder andere Teenager auch.

Irgendwo konnte sie einem auch leid tun. Sie war schon seit ich sie kannte von den beliebtesten, schönsten und reichesten Menschen Amerikas umgeben. Sie selbst entsprach ebenso diesem Muster, wie all ihre sogenannten Freunde, aber genau das war das Problem. Sie konnte es noch so sehr versuchen, wie sie wollte - sie würde sich von dieser elitären Masse niemals abheben. Es gab immer jemanden, der hübscher, reicher oder beliebter war, als sie. Und schon eine geraume Zeit lang war eben jene Person Bellas angeblich beste Freundin - Estelle.

Estelle Colette hatte alles, was man sich nur wünschen konnte. Sie war unbeschreiblich hübsch, besaß eine Menge Geld und hatte einen Haufen Freunde. Manchmal fragte ich mich, ob es überhaupt irgendjemanden gab, der Estelle nicht schon einmal die Schuhe poliert hatte (natürlich nur im übertragenen Sinn).

Da fand ich es nur verständlich, wenn einem bei all dem Ruhm und Reichtum, der einem ständig auf die Pelle rückte, irgendwann einmal der Kragen platzte. Irgendetwas hatte das Fass zum Überlaufen gebracht und - so klischeehaft das auch sein möge - war es bei Arabella die Liebe.

Oder viel mehr: die Eifersucht.

Bella hatte mir von ihrem Streit mit Estelle nur knapp berichtet. Um ehrlich zu sein war es mir auch ziemlich egal, welche Barbiepuppe wen auf facebook zuerst blockiert hat und wessen instagram-Account nun weniger Follower hatte.

Viel mehr interessierte mich hingegen, wie sich die Prinzessinnen der Calabasas High heute gegenüber stehen würden. Ich bezweifelte, dass sie lachen und lästern würden, als wäre nichts passiert. Allerdings traute ich es ihnen ebenso wenig zu, eine große Szene zu verursachen. Immerhin waren alle noch auf ihren guten Ruf bedacht – auch nach den Zickereien.

Rebecca hatte mir mitten in der Nacht noch eine SMS geschickt, dass sie erst heute Abend wieder kommen würde, also stellte ich lediglich die Obstschale für Arabella und meine Cornflakes zusammen mit zwei Gläsern frisch gepresstem Orangensaft auf ein Tablett. Ein Frühstück im Bett war genau das, was Bella liebte, aber Rebecca niemals erlauben würde. So etwas gehörte sich schließlich nicht für eine Frau ihrer Klasse. Wozu hatte man denn die teuren Esszimmermöbel, wenn man sie nicht benutzte?

Bella war bereits wach und rutschte sofort, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, auf die linke Seite ihres Bettes, sobald ich zur Tür herein kam.

Diese simple Geste zeigte mir, wie viel unser Gespräch letzte Nacht bewirkt hatte. Noch vor ein paar Tagen hätte Bella mich niemals zu ihr ans Bett gelassen – es sei denn, ich wollte es mit frischen Laken beziehen.

Doch nun grinste sie mich fröhlich an und plapperte unbeschwert vor sich hin, während sie sich ihre Schüssel vom Tablett nahm und einen Löffel voll Erdbeerstückchen in ihren Mund schob.

Es kam mir beinahe so vor, als wären wir richtige Schwestern.

"Sag mal", begann Bella schmatzend, woraufhin ich meinen Blick auf meine Stiefschwester lenkte. "Was läuft jetzt eigentlich zwischen dir und Kingsley?"

Allein bei der Erwähnung seines Namens begann mein Herz unkontrolliert auf und ab zu hüpfen, meine Handflächen zitterten leicht und ich hatte fast das Gefühl, meine Augen hätten sich in zwei große Comic-Herzchen verwandelt.

"Nichts?" Meine Antwort, die eher wie eine Frage klang, kam schnell und leise zwischen zwei Löffeln voll Cornflakes. Bella reichte das offensichtlich nicht.

„Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren. Erstens bin ich deine Schwester", erklärte sie mit einem Zwinkern, „und zweitens hab ich euch geholfen, zusammen zu kommen."

Stimmt. Sie hatte ja ungefragt die Brieftaube gespielt. Ich war noch immer nicht ganz sicher, ob ich das nun positiv oder negativ beurteilte. Und von 'zusammen kommen' konnte wohl kaum die Rede sein.

"Was hast du ihm denn zurück geschrieben?", fragte Bella neugierig. Doch noch bevor ich antworten konnte, machte sie ein schockiertes Gesicht. "Du hast ihm doch geantwortet oder?"

Mein zaghaftes Nicken schien ihr einen Stein vom Herzen zu nehmen. Sofort wurde sie wieder zappelig und löcherte mich so lange, bis ich mit ihrer Meinung nach einigermaßen zufriedenstellenden Antworten heraus rückte.

"Ich habe mit Kayla an einer Antwort gebastelt und irgendwie fand er die Nachricht wohl auch okay, weil er sofort zurück geschrieben hat." Im Schnelldurchlauf erzählte ich Bella von meinem Chatverlauf mit McTrayers. Leider hatte ich ihn seit der Chemiestunde nicht mehr gesehen, da während der Mittagspause eine Teambesprechung aller neuen und alten Footballspieler angesetzt war. Nach der Schule hatte er ganz gentleman-like angeboten, mich nach Hause zu fahren, doch ich wurde ja leider zum Nachsitzen verdonnert. Und zu meiner Schicht im Pixel Paradise war er leider auch nicht aufgetaucht, da er offenbar mit seinem Dad verabredet war. Das hatte er mir zumindest versucht, weiß zu machen. Ganz glauben wollte ich es ihm allerdings nicht, denn als Rebeccas neuer Lover konnte Mr McTrayers senior wohl kaum ein besonders liebenswerter Gentleman sein - im völligen Gegensatz zu seinem Sohn.

Bellas Augen fingen an zu leuchten und sie hing gebannt an meinen Lippen. Ich kam mir vor, wie ihr Fernseher während einer Folge von "Keeping up with the Kardashians", so aufgeregt, wie sie war.

"Und hat er emojis benutzt?", fragte sie quietschend. "Herzchen? Smileys? Küsschen?"

Dieser Enthusiasmus so früh am Morgen brachte mich leicht aus dem Konzept, weshalb sich meine Antwort etwas verzögerte. Smileys ja, Herzchen nein. Und warum sollte ich ihm Küsschen schicken? Da konnte ich mir auch gleich "Ich liebe dich, Kingsley McTrayers! Lass uns heiraten!" auf die Stirn tätowieren.

Bella schien nur halbwegs zufrieden gestellt, doch wenigstens ließ sie mich gehen, um das Frühstücksgeschirr abzuspülen.

Ein Weltwunder hatte die gestrige Nacht leider nicht bewirkt, denn Bella ließ sich mal wieder furchtbar viel Zeit im Bad, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, sich das breite Keramik-Waschbecken mit mir zu teilen.

Es versetzte meiner guten Laune einen kleinen Dämpfer, als ich ungewaschen und mit klebrigen Zähnen im Schulbus saß und meine Stiefschwester von der letzten Reihe über irgendwelche Promi-Fettnäpfchen lästern hörte.

Es konnte sich eben nicht alles ändern - und vielleicht war das auch ganz gut so.

When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt