Kapitel 19

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"Ich glaub das einfach nicht!", fluchte ich. "Er muss doch irgendwo sein!"

Kayla warf mir einen mitleidigen Blick zu und sah sich weiter in der Cafeteria um. Wir hatten schon längst fertig gegessen - als eine der ersten waren wir in der Schlange gestanden und jetzt leerten sich die Tische langsam wieder bis auf vereinzelte zerknüllte Servietten.

"Vielleicht ist er ja heute gar nicht da", meinte Kayla vorsichtig.

"Aber ich habe doch sein Auto gesehen", warf ich ein. Er musste einfach hier sein! Doch begegnet war ich ihm heute noch nicht. Ging er mir absichtlich aus dem Weg? Irgendwie erschien mir das immer wahrscheinlicher. Calabasas High war zwar nicht klein, aber wenn man jemanden finden wollte, fand man ihn auch - normalerweise. McTrayers allerdings war ziemlich gut im Verstecken.

"Jo", sagte Kayla sanft. "Ich glaube, wir sollten gehen. Er wird nicht mehr kommen."

Ich seufzte - und nickte. Mir war schon seit mehreren Minuten klar, dass er heute nicht in der Cafeteria essen würde. Doch es blieb immer noch dieser winzig kleine Funke an Hoffnung in mir. Vor allem aber wusste ich einfach nicht, wo ich ihn sonst suchen sollte.

War es vielleicht doch möglich, dass er sich in der Bibliothek versteckte? Ich konnte mir diesen breitschultrigen, jungen Mann so gar nicht zwischen den hohen Bücherregalen vorstellen, aber wer weiß? Manchmal konnte das Aussehen ja sehr trügen.

Also stimmte ich Kayla zu und begleitete sie zu ihrem Spind. Mit einem kurzen Blick auf mein Handy, stellte ich fest, dass in fünf Minuten der Nachmittagsunterricht beginnen würde. Fünf Minuten, um nachzusehen, ob er wirklich nicht in der Bibliothek war.

"Ich geh schon mal", murmelte ich Kayla zu, während ich mich bereits halb umgedreht hatte. Jetzt konnte ich es gar nicht mehr erwarten, in die Bibliothek zu kommen.

Ich eilte den Schulgang entlang und achtete kaum auf die Schüler, an denen ich vorbei kam. Doch ich war mir sicher, dass ich ihn garantiert bemerkt hätte, wenn er unter ihnen gewesen wäre.

Ich stürmte in die Bibliothek, die Tür krachte gegen die Wand und sofort richteten sich alle Blicke auf mich. Die meisten von ihnen waren eher amüsiert, doch es war eine Person dabei, die so gar keinen Spaß zu verstehen schien.

Sofort kam es so vor, als würde ich immer kleiner werden, während die Bibliothekarin wachsen zu schien. Wer diesen Blicken trotzen konnte, musste erst noch geboren werden!

"Tut mir leid, Miss Cameron", flüsterte ich. Mein Gesicht war bestimmt rot wie eine Tomate und irgendwie wollte ich jetzt plötzlich gar nicht mehr, dass McTrayers in der Bibliothek war. So einen peinlichen Auftritt wollte ich mir lieber ersparen.

Und ich hatte Glück - zumindest dieses eine Mal. Er saß an keinem der Tische, an denen man seine Arbeiten erledigen konnte und ich entdeckte ihn auch nirgendwo zwischen den Bücherregalen.

Auch wenn McTrayers wirklich nett war (oder zumindest so wirkte), war er doch einer der Sportelite unserer Highschool. Und der natürliche Lebensraum eines Jordan Blakely, sowie eines Kingsley McTrayers waren wohl eher die Sporthalle und das Footballfeld.

Diese besondere Spezies, tauften wir sie mal auf den Namen "homo acceptus", was Latein ist und soviel bedeutet, wie "die Beliebten" - denn beliebt waren sie - hielt sich nunmal in anderen Gebieten auf.

Ich hingegen, die eher zu der Spezies des "homo callidus" gehörte, den Nerds, um es auf englisch auszudrücken, fühlte mich in einer Bibliothek eigentlich ganz wohl.

Zumindest normalerweise, wenn ich nicht von Argusaugen überwacht wurde, wie im Moment. Ich warf den unheimlichen Augen von Miss Cameron einen letzten Blick zu, bevor ich die Bibliothek wieder verließ und zu meiner nächsten Stunde eilte.

Es war irgendwie klar gewesen, dass ich McTrayers nicht in der Bibliothek finden würde, denn es lag ja auf der Hand: wir waren einfach zu verschieden - ich sollte lernen, das zu akzeptieren.

Für einen Moment hatte es gewirkt, als würde sich vielleicht doch irgendetwas zwischen uns aufbauen können. Doch es gab Millionen Dinge, die eine größere Wahrscheinlichkeit hatten, als das. Vom Blitz getroffen zu werden war ein Beispiel dafür.

Wie auch immer, entschuldigen sollte ich mich trotzdem. Ganz egal, ob aus McTrayers und mir mehr werden sollte, als einfache Schulkameraden - es gehörte sich einfach. Schließlich war ich gut erzogen worden, und damit meinte ich nicht meine herrische Stiefmutter,  sondern meinen Vater, meinen richtigen.

Ich seufzte, als ich an ihn dachte. Ich war schon lange nicht mehr bei ihm gewesen - irgendwie hatte ich einfach keine Zeit dazu gefunden. Rebeccas gewöhnlicher Berg an Aufgaben und Arabellas Krankheit hatten mich in den letzten Tagen mehr beschäftigt, als ich bemerkt hatte. Hinzu kam noch die Schule - was auch nicht gerade stressfrei lief.

Die Hausaufgaben wurden immer mehr, ebenso die Klausuren. Kein Wunder, schließlich war in wenigen Wochen das Herbstsemester zu Ende und die Abschlussprüfungen rückten immer näher.

Abgesehen davon kam auch ein anderes Ereignis auf die Schülerinnen und Schüler der Calabasas High School zu - der Homecoming Ball.
Ein Event das für den Großteil der Mädchen das absolute Highlight des Semesters war - für mich eher das Gegenteil. Ich könnte liebend gern darauf verzichten und habe bisher auch jedes Mal versucht, mich davor zu drücken. Doch irgendwie war ich immer relativ erfolglos.

Einerseits wollte Kayla immer gerne hingehen - schließlich hatte sie jedes Mal ein umwerfendes Kleid und meistens auch eine einigermaßen passable Begleitung. Alleine gehen wollte sie allerdings nie, also musste ich wohl oder übel als beste Freundin mitkommen.

Außerdem war ich das Kindermädchen meiner Stiefschwester. Ich war allein dafür verantwortlich, dass für sie alles perfekt lief. Es fing schon mit den Vorbereitungen an, da ich meist für Bellas Begleitung die Krawatte kaufen musste, damit sie auch ja zu der Farbe ihres Kleides passte. Dann wurde von mir verlangt, dass ich ihr genau sagen konnte, welche Zutaten in den Häppchen vom Buffet steckten. Schließlich musste sie auf ihre Linie achten und war außerdem gegen diverse Lebensmittel allergisch. Letztendlich war das allerdings ein einfacher Job, denn Arabella aß jedes Mal (wenn sie überhaupt etwas aß) nur Salat.

Ich musste ebenso die Limousine bestellen und stets auf Abruf sein, falls meine Stiefschwester unerwartet früher nach Hause gehen wollte.

Den Jungs war das eigentlich immer ganz Recht - keinen Stress mit den Vorbereitungen, was Krawatte oder Autos anging und sie hatten eines der beliebtesten Mädels der Schule an ihrer Seite.

Es war wohl klar, wer sie dieses Jahr begleiten würde - Jordan. McTrayers wurde sicherlich von Estelle beschlagnahmt und Jasmine würde sich wieder mit den anderen Barbiepuppen um die übrigen Jungs streiten.

Kayla würde wohl auch wieder eine Begleitung haben (vermutlich Tobias, einer der Vollyeballer, mit dem sie sich schon seit einigen Wochen einen Kleinkrieg auf Pokémon Go leistete) und ich blickte voraus auf einen langweiligen und unglaublich nervigen Abend, an dem seltsamerweise die Zeit viel langsamer laufen zu schien, als üblich.

Wie sehr ich mich doch täuschte.

//Heyy Leute :)
Jaa, ich lebe noch :D Tut mir wirklich leid, dass ich erst so spät update, aber irgendwie hatte ich einfach keine Zeit...

Ich wollte mich noch bedanken für die über 1000 reads!! Das ist unglaublich!! :D

Ich hoffe ihr seid alle gut im neuen Jahr angekommen und ich habe sogar einen "Neujahrs-Vorsatz" nämlich: ich möchte "When I lost my Book" dieses Jahr beenden :)
Aber keine Sorge, ich habe durchaus vor, noch weitere Geschichten hochzuladen...

Und wie immer: Danke fürs Lesen!

When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt