Meine Stiefschwester wartete am Auto auf uns beide. Zum Glück hatte Jordan seinen Arm mittlerweile von meinen Schultern genommen, aber er hatte darauf bestanden zumindest eine Tasche tragen zu dürfen. Ein wenig widerwillig hatte ich ihm also Bellas Designerhandtasche in die Hand gedrückt, welche er nun auf den Rücksitz seines Cabriolets fallen ließ.
Dann öffnete er die Beifahrertür und sah mich abwartend an. Moment mal - spielte er gerade Gentleman und hielt mir die Tür auf? Wenn er es bei Bella gemacht hätte, wäre es kein Wunder, doch die saß bereits neben ihrer Tasche auf der Rückbank.
"Wird das heute noch was?", fragte Jordan mit einem amüsierten Gesichtsausdruck, als ich mich immer noch nicht bewegt hatte. Ich blinzelte kurz und setzte mich dann mit hochrotem Kopf auf den Beifahrersitz. Jordan lachte leise auf, ging um das Auto herum und ließ sich neben mich fallen.
Er startete den Motor und fuhr vom Parkplatz der High School, ohne etwas zu sagen. Auch Bella war ungewöhnlich ruhig und ich begann mich zu fragen, ob sie vielleicht wirklich krank war.
"Keine Lust mehr auf Schule?", fragte Jordan, als wir die Schule hinter uns gelassen hatten. "Oder warum wollt ihr unbedingt nach Hause?"
Ich wartete darauf, dass Bella etwas sagte, aber sie hatte ihre Augen geschlossen und reagierte nicht auf Jordans Frage. Dann mussste wohl ich antworten.
"Bella geht es nicht so gut", erklärte ich.
"Und was hat das mit dir zu tun?", fragte Jordan, sichtlich verwirrt. Zu Recht, meiner Meinung nach, denn außer meiner Stiefmutter schien niemand wirklich den Sinn dahinter zu verstehen.
Deshalb zuckte ich nur mit den Schultern und richtete meinen Blick dann wieder aus dem Fenster. Jordan schien auch nicht recht zu wissen, was er sagen sollte, also erwiderte er nichts, sondern drehte stattdessen das Radio ein wenig lauter.
So baby, pull me closer
In the back seat of your Rover
That I know you can't afford
Bite that tattoo on your shoulderAutomatisch begann ich, den neuen Song von den Chainsmokers mitzusumen. Aus irgendeinem Grund mochte ich dieses Lied wirklich gerne - obwohl er so gar nichts mit der Musik zu tun hatte, die ich sonst so hörte. Wahrscheinlich lag es daran, dass es Kaylas neues Lieblingslied war und es bei ihr somit in Dauerschleife lief.
"We ain't never getting older", murmelte ich leise den Text mit. Doch anscheinend war ich laut genug, dass Jordan mich hörte. Denn er drehte den Kopf zu mir und grinste mich breit an.
"Du kennst den Song?", fragte er und klang ein wenig überrascht. "Ich meine, du bist doch eher eine von den Strebern, oder nicht?"
"Ich lebe doch nicht hinter dem Mond", gab ich zurück. "Außerdem sitze ich nicht den ganzen Tag daheim und lerne, falls du das denkst. Ich hab auch ein Leben."
Jordans Blick wurde ein wenig nachdenklich und er biss sich leicht auf die Unterlippe. Er sah gar nicht so schlecht aus - also, rein objektiv gesehen.
"Weißt du was?", fing er an, wartete die Antwort jedoch nicht ab, sondern redete weiter. "Ich hab das Gefühl, ich kenne dich gar nicht. Wir haben wahrscheinlich alle ein vollkommen falsches Bild von dir, weil sich niemand die Mühe gemacht hat, dich näher kennen zu lernen. Aber ich glaube, du bist eigentlich echt cool."
Jordan warf mir einen Seitenblick zu, während ich seine Ansprache erst einmal verdauen musste. Das kam jetzt wirklich unerwartet. Ja, es stimmte. Keiner der Footballer oder Cheerleader hatte versucht, mit mir näher in Kontakt zu kommen. Doch ich hatte immer gedacht, dass es an Bella lag. Ich war überzeugt, dass sie dafür gesorgt hatte, dass niemand mit mir befreundet sein wollte. Da war es schon etwas überraschend, wenn einer der beliebtesten Jungs der High School plötzlich sagte, dass ich 'eigentlich echt cool' war.
"Ähm ... danke?", sagte ich etwas unsicher. So ganz wollte ich ihm irgendwie nicht glauben. Ich meine, wir waren jetzt schon drei Jahre lang zusammen auf der High School und davor waren wir auf die gleiche Middle School gegangen. Warum sollte sich seine Einstellung mir gegenüber von einem auf den anderen Tag ändern? Irgendetwas musste dahinter stecken - und Kayla würde mir sicher dabei helfen, herauszufinden, was es war.
Bella redete die gesamte Autofahrt über kein Wort, Jordan hingegen umso mehr. Die Atmosphäre zwischen uns beiden war wirklich angenehm. Wir lachten viel und vor allem warf er das Bild, welches ich mir in den letzten Jahren von ihm gemacht hatte, vollkommen über den Haufen.
Jordan war nicht arrogant und auch nicht blöd. Eigentlich war er total charmant und wirklich witzig. Vielleicht würden wir uns ja in Zukunft nicht nur ignorieren - ich hätte nichts dagegen.
Als wir vor der großen weißen Haustür parkten, stieg Bella sofort aus, bedankte sich kurz bei Jordan, warf ihm eine Kusshand zu und verschwand dann im Haus.
Ich sah meiner Stiefschwester regungslos nach, bis mich das Zufallen der Haustür aus meiner Starre riss.
"Danke fürs Heimfahren", murmelte ich Jordan zu, bevor ich mich ebenfalls aus dem Autositz schälte und in Richtung des großen Hauses stapfte.
"Kommst du morgen wieder in die Schule?", rief mir Jordan hinterher.
"Ich denke schon", erwiderte ich über meine Schulter. Mittlerweile war ich an der Tür angelangt und steckte den Schlüssel in das Schloss.
"Vielleicht willst du dich ja in der Mittagspause mal zu uns setzen", schlug Jordan vor.
Um von allen angestarrt zu werden, weil sich jeder einzelne fragen würde, was ich dort zu suchen hatte? Nein, danke! Allein bei dem Gedanken lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich blieb lieber an einem der Tische im Eck bei Kayla und den anderen 'Unsichtbaren'. Da fühlte ich mich um einiges sicherer.
Doch das wollte ich Jordan nicht sagen. Also antwortete ich mit einem leisen "Vielleicht", bevor ich das Haus betrat und die Tür hinter mir zu fallen ließ.
Was war denn auf einmal los? Ich hatte langsam wirklich das Gefühl, dass jemand die Erde in die Hand genommen hätte und wie eine Schneekugel geschüttelt. Was dabei herumgewirbelt worden ist, war allerdings kein Schnee und Gitzerstaub, sondern die Art und Weise, wie andere Leute mich behandelten.
Nachdenklich zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und aktivierte das WLan. Wenige Sekunden später vibrierte es ein paar Mal und der WhatsApp Messenger blinkte auf.
Ich hatte 23 neue Nachrichten - alle von Kayla.Ooops!
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When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella Story
Teen Fiction*Auf der Longlist der Wattys 2018!!* Joanne Rickman hat es nicht leicht. Sie wächst bei ihrer unliebsamen Stiefmutter und ihrer verzogenen Stiefschwester auf, hat wenige Freunde und träumt von ihrem eigenen Leben. Doch dann trifft sie auf Kingsley M...