Kapitel 35

2.2K 94 13
                                    

Den Test hatte ich sowas von verhauen.

In meiner gesamten elfjährigen Schulkarriere war es mir noch nie so furchtbar gegangen. Ich hatte bisher jedes einzelne Mal bestanden und meistens gar nicht mal so schlecht.

Doch in dieser Arbeit war es einfach nicht gelaufen. Eigentlich kein Wunder, dass ich mich nicht erinnern konnte, welcher Präsident welchen Krieg begonnen hatte - schließlich kreisten meine Gedanken unablässig um ein ganz anderes Thema: um Kingsley McTrayers.

Ich schaffte es nicht, mich nur eine Minute auf die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts und den Beginn des zweiten Weltkrieges zu konzentrieren. Ständig wurde ich von meinen eigenen Gedanken abgelenkt.

Hasste er mich jetzt? Ganz sicher wollte er nichts mehr mit mir zu tun haben? Oder doch?

Würde er mir eine zweite Chance geben? Eigentlich eher eine dritte - denn ich hatte ja bereits die zweite Chance versaut versaut. So sehr ich es auch hoffte, war mir doch klar, dass es unwahrscheinlicher war, als Freddie Mercury zu treffen (der wohlgemerkt seit sechzehn Jahren tot war).

Selbst wenn McTrayers mich noch immer nicht aufgegeben haben sollte (was ich stark bezweifelte), stand mir wohl meine Stiefmutter im Weg. Ich könnte einem erneuten Date unmöglich zustimmen. In dieser Woche war ich in den vier Wänden unserer Villa eingesperrt und ab nächster Woche würde Rebecca ihre Argusaugen nicht eine Sekunde von mir lassen. Ich konnte mir jetzt schon sicher sein, dass sie jeden einzelnen meiner Schritte verfolgen würde - und ein Date passte da ganz und gar nicht in ihre Vorstellungen davon, was zu meinen Aufgaben gehörte.

Seufzend schloss ich die Tür meines Spindes und stapfte mit hängenden Schultern aus der Schule. Kayla hatte heute schon früher ausgehabt und war in die Stadt gefahren, um sich ein Kleid für den Ball zu kaufen. Eigentlich hätte ich mitfahren sollen aber mit dem Hausarrest konnte ich das jetzt vergessen.

Auf Arabella musste ich auch nicht warten, denn sie war ausnahmsweise von ihrer Mum abgeholt worden. Die beiden wollten sich schließlich perfekt auf den Ball vorbereiten und gönnten sich somit heute einen Nachmittag bei der Kosmetikerin. Eine Sache, bei der ich wirklich froh war, dass ich meine Stiefschwester nicht begleiten musste. Ich widmete mich viel lieber den Hecken und Sträuchern unseres Gartens, als mir mit Wachs die Beine enthaaren zu lassen und stundenlang mit glibschigen Gesichtsmasken und Gurken auf den Augen herumzuliegen.

Ich brauchte einen kurzen Moment, bis mir die Bedeutung dieser Tatsache erst richtig aufging. Bella und das Stiefmonster würden sicher erst Abends nach Hause kommen - also konnte niemand überprüfen, wann genau ich aus der Schule gekommen war.

Ein leichtes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, während sich meine Schritte beschleunigten. Das Footballteam hatte doch jeden Montagnachmittag Training, oder nicht? Und Kingsley McTrayers war der neue Quarterback der Calabasas Cougars und sollte sich deshalb im Moment mit den anderen Möchtegern Footballstars um den Ball streiten, richtig? Es gab also nur einen Ort an dem er sich gerade aufhalten konnte.

Mit klopfendem Herzen, wobei ich mir nicht sicher war, ob das von meinem kurzen Geh-Sprint-Mix kam oder eine andere Ursache hatte, erreichte ich schließlich das Footballfeld. Tatsächlich tummelten sich eine Horde Jungs in gepolsterten Anzügen auf dem Feld. Durch die Helme fiel es mir schwer, die breiten Schultern einem Namen zuzuordnen, doch nach und nach konnte ich die Jungs erkennen, die sich unter den stählernen Mützen verbargen.

Roy und einige andere Footballer hatten sich im Kreis versammelt und waren offensichtlich in einer Besprechung vertieft. Coach Tremond machte die wenigen übrigen zur Schnecke, die sich auf dem erdigen Boden niedergelassen hatten und versuchten, wieder zu Atem zu kommen. Doch McTrayers konnte ich nirgendwo entdecken.

When I Lost My Book - Kind Of A Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt