Silber (Part 2)

Kapitel 42

Chiara

"Es wird schon alles gut sein, bei den anderen." bemerkte ich leise und strich Lena über den Arm.

"Bei deinem Kerl vermutlich schon. Der ist bestimmt dabei, irgendjemanden zu köpfen oder so."

"Mal nicht gleich den Teufel an die Wand!"

"Du hast auch kein Kind, das draußen im Wald raumläuft!"

"Aaron würde das Kind vermutlich erst mit 20 nach draußen lassen." bemerkte Luke.

"Würde er nicht!" sagte ich beleidigt. Lena schnaubte. Die Tür zum Badezimmer öffnete sich und zwei kleine Mädchen stürzten heraus und umklammerten Lukes Beine.

"Würde er wohl. Die sind ja süß." sagte Lena und kniete sich neben Lukes Beine. Jennica kam auch aus dem Bad.

"Die Brünette heißt Raven. Die Blonde Shireen." erklärte sie leise. Die beiden Mädchen sahen zu uns hoch.

"Daddy, du beschützt uns doch jetzt vor Colin, oder? Der ist ganz, ganz doll böse." fragte die Blonde, Shireen.

"Colin kommt nicht hierher." sagte Jennica.

"Er hat Raven immer Leonie genannt." sagte Shireen mit großen, silbernen Augen.

"Und Mami hat er Judith genannt." fügte Raven hinzu.

"Judith und Leonie?" fragte Lena.

"Colins Frau und Tochter...sie sind tot..."

"Aber sie heißt nicht Judith. Und du nicht Leonie." sagte Luke und hob Raven hoch.

"Nee. Ich heiße Raven. Ra-Ven." erklärte Raven. Jennica schob sich an Luke und Raven vorbei und zog leicht und spielerisch an Ravens Haar. Raven stieß ein freudiges Quietschen aus und lachte.

"Es ist ziemlich ungewohnt, dich mit 'nem Kind auf dem Arm zu sehen, Bruderherz." bemerkte Lena leise.
Luke streckte ihr bloß die Zunge raus.
Jennica schnaubte. Dann trottete sie wieder in die Küche. Die kleine Blonde, Shireen, rannte hinter ihr her. Luke folgte beiden.

"Klingel mal deinen Macker an. Wo sie bleiben." maulte Lena.

"Warum bist du so schlecht gelaunt, Leni, hm?" fragte ich.

"Ersten, ich hab meine Tage, zweitens, mein Macker ist mit meiner Tochter irgendwo in einem Land, in dem wir uns nicht auskennen. Drittens, mein Bruder war krank, weil sein Soulmate entführt wurde, viertens hatten die Silberblicke mich in eine Bärenfalle gelockt. Fünftens hab ich Elijah wiedergesehen. Oh, und sechstens hat Christoph Jennicas Audi zu schrott gefahren." zählte sie auf.

"Wie das denn?" fragte ich erstaunt.

"Das weiß ich selbst nicht so genau. Er wollte Luke ins Krankenhaus fahren und dann steckte der Audi irgendwie im McDonalds und nicht auf der Ausfahrt." erklärte Lena und zuckte mit den Schultern.

"Weiß Luke das?"

"Jetzt ja." brüllte Luke.

"Oh. Und?" fragte ich zaghaft. Ich wusste, wie sehr Luke seine Autos liebte. Er hatte sich damals nur schweren Herzens von seinem Mitsubishi l200 und seinem Nissan Qashqai getrennt. Bis Annina und Mark ihm zum Geburtstag seinen schwarzen Audi A3 geschenkt hatten. Dann waren die Autos vergessen.

"Du kannst Christoph sagen, das er hr gleich 'ne neue Karre besorgen kann." rief Luke.

"Damit du das Auto wieder vollkrümeln kannst?" fragte Lena erbost.

"Unter anderem."

"Das werde ich ihm garantiert nicht sagen, du...."

"Lena, ich glaub, in der Küche ist irgendwo Schokolade." lenkte ich hastig ein.

Lena schnaubte. "Als ob du dich hier schon auskennst." Sie verschwand ebenfalls in die Küche.

Ich blieb ratlos zurück. Gerade wollte ich gehen, als ich spürte, das jemand gegen meinen Nacken atmete. Ich versteifte mich.

"Chiara. Moon. Du hast die Haustür offen stehen lassen. Ich hatte Angst um dich." wisperte Aaron mit tiefer, dunkler Stimme. Ich entspannte mich und drehte mich zu ihm um.

"Du bist es. Ist Christoph auch da?"

"Bei seinem Daddy." hauchte Aaron an meinem Hals.

"Ich dachte, sein Vater lebt in Denver."

"Annina, also deine ganze Familie ist eben gelandet und Mr. und Mrs. Montgomery, Christophs Eltern, waren auch mit an Board. Und eine...Lucile und ein Devyn."

"Mom und Dad sind da?" fragte ich begeistert.

"Und deine ganzen, restlichen, fünfhundert Geschwister."

"Es sind keine fünfhundert Geschwister, Aaron!"

Er hob nur belustigt die Brauen. "Kommt mir aber so vor. Und sie alle...mögen mich nicht besonders."

"Wo ist Chrissie geblieben? Und seine Schleiereule? Wissen Mom und Dad schon von ihr?" fragte ich.
Aaron schüttelte den Kopf und grinste.