Silber (Part 2)

Kapitel 90

Jennica

Ich war angespannt. Egal wie sehr KayJo, Anika und Lena versuchten, mich abzulenken.

"Du kennst doch Luke. Der hat seinen Dickkopf. Dem ist nichts..." begann Lena. Vor der Haustür bellte ein Wolf. Nicolai riss die Tür auf.

"Luke?" fragte ich und eilte zu Nicolai.

"Du hattest recht." sagte er. Christoph und Erik hatten Luke irgendwie hergeschleift.

"Luke!" Ich ließ mich neben ihn fallen. "Luke!"

"Luckey!" murmelte Lena und strich über Lukes Fell. "Er atmet noch."

Sie sah mich an.

"Was?" fragte ich verunsichert.

"Ihr Alpha ist außer Gefecht gesetzt. Du bist die Alpha-Gefährtin." sagte Nicolai geduldig.

"Aber ich..."

"Du kannst. Du hast es schon einmal getan. Erinnerst du dich? Als Zachary Celeste angegeriffen hat, im Krankenhaus. Oder als Alaric und Luke sich geprügelt haben. Du kannst." schrie Lena mich schon fast an.

"Aber ich weiß nicht..."

"Bringt ihn erstmal in sein Zimmer. Dann gucken wir, wie schwer er verletzt ist und sehen weiter." sagte Nicolai.

Lena packte meine Hand. "Warum bist du aufgewacht?"

"Ich...hatte...das Gefühl, als wenn ich Fallen würde..."

"Weißt du, wo du runtergefallen bist?"

"Nein."

"Könnte es ein Baum gewesen sein?"

"Warum?"

"Weil es möglich ist, das Luke irgendwo runtergefallen ist, du das mitbekommen hast und deswegen wach wurdest." sagte Lena.

"Ich...hab keine Ahnung. Ich hab nur geschlafen...nicht mal geträumt." Ich sah Erik, Nicolai und Christoph hinterher, die Luke nach oben brachten.

"Was, wenn....wenn er....stirbt?"

"Da darfst du nicht mal eine Millisekunde dran denken!" schnautzte Lena mich an. "Das ist Luke! Verdammt noch mal! Er hat dich auch nicht aufgegeben! Nie! Und dir ist so viel Mist passiert..."

"Okay?"

"Komm." Lena zog mich hoch und schleifte mich unerbittlich die Treppen hoch ins Schlafzimmer.
Luke lag wie ein unförmiges Fellknäuel im Bett.
Ich stürzte auf ihn zu.

"Luke? Luke?"

Lena

Ein paar Stunden später lag Luke im Krankenhaus. Und Jennica hatte sein Zimmer noch kein einziges Mal verlassen.

"Willst du auch Kaffee?" fragte Christoph, während er ein paar Münzen in den Kaffee-Automaten steckte.

"Ich hasse Kaffee." kommentierte ich.

"Wie gehts ihm und ihr?" fragte er.

"Er ist immer noch weg. Sie...ich habe sie seit seiner OP nicht mehr gesehen. Ist immer noch bei ihm im Zimmer. Wo habt ihr ihn gefunden?"

"Hinten am Steinbruch. Der in Nicolais Gebiet übergeht, weißt du?"

"Der Grusel-Steinbruch?" fragte ich.

"Genau." Christoph senkte die Stimme. "Und bei Luke lag Zachary."

"Was?!" fragte ich erstaunt.

"Zachary sah sehr....lediert aus. Voller Kratzspuren und Bisse. Zachary ist tot."

Ich starrte Christoph sprachlos an.

"Erik und ich haben gedacht, das wir Jennica erstmal nichts sagen, damit sie sich nicht aufregt. Wo ist Cathy?"

"Celeste ist mit ihr und den Zwillingen und Erik im Wartezimmer. Die haben da ein paar Spielsachen für Kinder." erklärte ich beiläufig und sah den Flur hinab.

"Willst du was trinken?" fragte Christoph.

"Guck mal, ob es da auch heiße Schokolade gibt. Für Jennica."

"Kaffeeautomaten haben meistens heiße Schokolade." sagte er und warf wieder ein paar Münzen in den Automaten.
Ich nagte nervös an meiner Unterlippe und sah mich um.

"Hier, Süße." Christoph gab mir einen Pappbecher mit heißer Schokolade. Ich seufzte, dann machte ich mich auf den Weg zu Lukes Zimmer.

In Lukes Zimmer war es dunkel. Ich konnte Jennica leise schniefen hören.

"Jennica? Hier ist heiße Schokolade für dich."

"Ich will nichts." nuschelte sie. Sie saß neben Lukes Bett und klammerte sich an seine Hand, als wäre sie ein Rettungsring.
Ihre Haare waren zerzaust und ungekämmt, sie war blass und trug noch ihr Schlafanzug-Oberteil. Ein blaues T-Shirt von Luke, was ihr zu groß war, und wo vorne ausgeblichen der Schriftzug Pokémon über einem ausgeblichenen Pikachu prankte.
Dazu trug sie schwarze Leggins und schwarze Stiefel. Wieder willen musste ich über das Shirt grinsen.

"Trink einen Schluck. Bitte." sagte ich. Sie sah auf. Ihre Augen waren golden.