Alpträume

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Scorpius' Sicht

Es war komisch. Seit jener Nacht, in der mein bester Freund ins Quidditch-Team aufgenommen wurde, suchten mich seltsame Träume heim. Es ging schon seit Wochen so und immer schien es sich um ein und den selben Traum zu handeln:

Ich stand vor einer verschlossenen Tür. Ich konnte alles nur verschwommen sehen, wie wenn man durch Wasser blickt.
Die Tür war rund und ,soweit ich es erkennen konnte, aus massivem Stein.
Auf ihr waren irgendwelche geschwungenen Reliefs, aber ich konnte sie nicht identifizieren.
Noch dazu war das Licht ganz schummerig. Es schien von weit oben herzukommen, aber doch konnte ich keinen Himmel erkennen. Meine Schuhe fühlten sich nass an und wenn ich ein paar Schritte ging, matschte es unter meinen Füßen.
Jeden Nacht beobachtete ich die runde Tür, aber immer, wenn ich die Hand nach ihr ausstreckte, wachte ich auf.
Dann klang noch eine Stimme in meinem Kopf nach. Eine leise, bedrohliche Stimme in welcher der Wahnsinn mitklang. Sie flüsterte mur Dinge zu, doch ich konnte sie nicht verstehen, obwohl ich mir sicher war, dass sie meine Sprache sprach.

Ich hatte versucht, mich daran zu erinnern, wessen Stimme es sein könnte, doch mir fiel niemand ein. Aber es musste jemand sein, dessen Stimme ich schon mal gehört hatte.
Sonst käme sie mir doch nicht so bekannt vor?
Ich versuchte mir jedes Mal zu merken, was sie gesagt hatte. Aber meistens verblassten die Erinnerungen so schnell, wie sie gekommen waren.
Ich hatte neben meinem Bett eine Feder und ein Pergament liegen, damit ich alles so schnell wie möglich aufschreiben könnte. Vielleicht waren es Anagramme und ich musste die Buchstaben nur richtig umsetzten, um die richtigen Wörter zu bekommen. Oder alles rückwärts lesen. Ich hatte tausende Theorien. Aber ich konnte mit keinem darüber reden. Sie würden mich für verrückt halten.
Deswegen versuchte ich selbst etwas rauszufinden.

Ich ging, unbemerkt von Albus, in die Bibliothek. Vielleicht fand ich ja dort etwas Nützliches. Ich kramte zwischen vielen, alten Büchern mit goldener Schrift. Doch immer und immer wieder huschte mein Blick zu der verbotenen Abteilung. Nur zu gern hätte ich dort nachgeschaut. Meistens sind doch die wirklich spannenden Dinge verborgen und versteckt und nicht für jeden zugänglich.
"Na, wer schielt denn da zur verbotenen Abteilung?", fragte plötzlich eine mir nur allzu gut bekannte Stimme und ich zuckte zusammen.
Rose Weasley stand an das eine Bücherregal gelehnt und beäugte mich mit kritischem Blick von oben bis unten. Am liebsten hätte ich der miesen, kleinen Kröte einen Fluch auf den Hals gejagt.
"Fühlt sich da etwa jemand ertappt?", fragte sie unverschämt. Sie schien sich ziemlich schnell davon erholt zu haben, dass ihr Cousin nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.
"Lass mich einfach in Ruhe und mach deinen eigenen Streber-Kram, Weasley", zischte ich und tat so, als würde ich ein Buch besonders genau anschauen.
"Ach, und was tust du hier?", fragte sie. "Sieht ja ganz danach aus, als wolle sich da jemand bei den Lehrern einschleimen", fügte Rose dann mit einem Blick auf den Titel des Buches hinzu. Zusätzliche Infos zum Stoff der ersten Klasse. Einen Moment lang haderte ich mit mir, ob ich das Buch weglegen und Rose das Gegenteil beweisen sollte. Aber sie hatte recht. Das Buch schien doch recht interessant zu sein.
Ich nahm es aus den Regal und drehte mich zu der Rothaarigen um.
"Nenn du es ruhig 'einschleimen', ich nenne es 'sich auf den Unterricht vorbereiten'. Aber das scheint für dich ja ein Fremdwort zu sein.", meinte ich seelenruhig.
"Willst du damit etwa sagen, ich sei faul und dumm?", japste Rose hysterisch auf.
"Das hast du jetzt aber gesagt", meinte ich grinsend.
"Du bist eine miese Ratte, Malfoy", zischte sie.
"Und du bist kindisch. Mal ganz ehrlich, Rose. Selbst wenn du auf mich zulaufen würdest, du könntest mich trotzdem nicht erreichen!"
Sie sah mich finster an.
Ich sah sie selbstgefällig grinsend an. Immer wieder eine Freude, so eine kleine Machtdemonstrarion.
Rose strich sich die wirren Haare aus dem Gesicht, dann antwortete sie:  "Im Gegensatz zu dir habe ich nicht nur dumme Sprüche, sondern echtes Wissen auf Lager! Oder hast du schon etwa alle Schulbücher durchgelesen?"
Ich zuckte mit den Schultern.
"Nein."
Rose grinste nun. Aber das würde ihr noch vergehen. Ich beugte mich zu ihr und dann flüsterte ich: "Du hast zwar alle Bücher gelesen, aber was hat dir das gebracht? Freunde auf jeden Fall nicht, wie man unschwer erkennen kann..."
Und obwohl ich alles nur ganz leise geflüstert hatte, wusste ich, dass meine Worte wie eine Bombe eingeschlagen hatten. Ein verletzter Ausdruck trat in Rose's Gesicht. Getroffen!

Rose's Sicht

Die kühlen, grauen Augen von Scorpius Hyperion Malfoy funkelten mich hybrid an. Ja, vielleicht hatte er recht. Ich hatte wirklich kaum Freunde, eigentlich nur Lina Bradley.
Aber das musste er ja nicht wissen.
"Du bist ein prätentiöser Idiot, Malfoy!", rief ich. Aber er grinste mich nur weiter von oben herab an. Oh, wie ich ihm dieses Grinsen aus dem Gesicht radieren wollte!
Aber es wäre besser gewesen, wenn ich nicht geschrien hätte.
Denn jetzt kam Madame Pince (ziemlich alt) angeschlurft und bellte mich an.
"Nicht mit solchen Ausdrücken hier, junge Dame! Sofort raus!", rief sie.
"Ja, Madam, tut mir leid", sagte ich mit gesenktem Kopf und schlich dann aus der Bibliothek. Als ich mich noch mal umdrehte, grinste Malfoy mich immer noch an.

Zurück in Gemeinschaftsraum wartete Lina auf mich.
"Was ist los, Rosie? Deine Augen sind ja ganz getötet, hast du geweint?", fragte sie.
Ich zog Lina in eine Ecke, dann legte ich den Kopf auf ihre Schulter.
"Ach, Lina. Ich hasse, hasse, hasse Slytherins!", meinte ich erschöpft.
"Was hat dein unterbelichteter Cousin denn jetzt schon wieder gemacht?", verdrehte sie die Augen.
"Nicht der. Sein dummer, bester Freund Malfoy. Stell dir Potter vor, nur tausend mal frecher und gemeiner, dann weißt du, wie der ist!"
Lina klopfte mit beruhigend auf die Schulter.
"Ich wette", sagte sie, "dass er gar nicht sooo schlimm sein kann. Tausend mal schlimmer als Potter - das ist doch gar nicht möglich, das wäre ein neues Naturwunder!"
Ich lächelte traurig. Ja, Lina konnte mich immer ein bisschen aufmuntern.
"Was sagst du, wenn wir einfach mal etwas rausgehen, irgendwas machen, was dich auf andere Gedanken bringt?", fragte Lina.
Ich nickte.
"Nagut", stimmte ich zu.
Schlimmer konnte es ja eigentlich gar nicht werden...

_____________Anmerkung____________

Hybrid = überheblich, arrogant

Prätentiös = eingebildet, selbstgefällig

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