Das Gegenstück

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Rose's Sicht

Ich hielt den Zauberstab vor mich.
"Ich habe gesagt, tritt beiseite!", wiederholte ich.
In mir glühte die Wut heißer als der Antimaterienkiesel. Überall in mir loderten Flammen der Entschlossenheit. Ich dachte gar nicht daran, klein beizugeben. Ich hatte mich lange genug im Hintergrund gehalten. Jetzt schlug ich zu. Ich ließ weder Unsicherheit, noch Angst an mich ran.
Ich starrte wütend auf die schwebende Gestalt vor mir. Bellatrix Lestrange. Das hatte ich nicht erwartet. Aber im Grunde war dies nichts weiter als eine Information, die man verarbeiten musste. Ich ließ mich nicht einschüchtern. Dafür war ich zu wütend.
Ich sah zu Scorpius. Er sah lächerlich dumm aus, so ganz ohne eine Ahnung von irgendwas.
An der anderen Wand lag ein kümmerliches Häufchen bewusstloser Albus.
Es blieb mir gar keine Zeit, um darüber nachzudenken, was geschehen war. Denn der Kampf trug sich hier aus!

Bellatrix Lestrange lachte. Das würde ihr noch vergehen.
Sie sah mich an und flog einige Schritte auf mich zu. Scorpius hatte wenigstens noch etwas Verstand und nutzte die Gelegenheit, um wegzurennen. Aus den Augenwinkel entdeckte ich ihn neben Albus knien. Aber ich hatte jetzt keine Zeit dafür.
"Das ist eure Rettung?", lachte Lestrange, "Ich dachte, Hogwarts hätte mehr zu bieten, als ein paar Kinder!"
"Unterschätz mich nicht, sonst wirst du es noch bereuen!", rief ich.
Wieder lachte sie und ich konnte es langsam nicht mehr hören. Für wen hielt sie sich? Sie war ein Geist, mehr nicht. Da steckte sogar mehr Leben in James' Sportsocken als in ihr.
Zu spät bemerkte ich erst, dass sie tatsächlich nicht so machtos war, wie ich dachte.
"Achtung, Rose!", schrie Scorpius mir zu, "Sie hat einen-!"
Doch den Rest des Satzes brauchte er gar nicht erst zu sagen. Da hatte Lestrange ihren Zauberstab hinter dem Rücken hervorgeholt. Sie brauchte nicht mal die Lippen zu bewegen, um den Zauber abzufeuern.
"Protego!", schrie ich in meiner Verzweiflung. Ich hatte keine Ahnung, welchen Fluch sie benutzte, aber Protego funktionierte.
Ich hechtete durch die Kammer des Schreckens. Meine Schuhe waren durchweicht, der Boden nass und rutschig. Ich konnte nicht schnell genug rennen, Lestrange konnte fliegen.
Alles, was ich tat, war ihre Flüche abzublocken. Ich versuchte Scorpius und Albus genügend Zeit zu verschaffen. Denn wenn sie auch nur einen Moment nachdenken würden, kämen sie auf die Idee, Lestrange's Abgelenktheit zu nutzen, um zu fliegen und Hilfe zu holen.
Ich warf ihnen einen Blick zu - und stolperte.
Ich rutschte aus und fiel hin. Meine Hände wurden aufgeschürft, der Stoff an meinen Knien ries. Ich schrie, als mein Zauberstab wegrollte. Ich versuchte mich aufzurichten, doch Lestrange fuhr durch mich hindurch. Als würde man mir Eiswasser über den Kopf schütten zuckte ich zurück und fiel in die Wasserlache.
Lestrange beugte sich über mich. Sie war ein Geist. Sie konnte meinen Zauberstab nicht berühren, aber seltsamerweise hatte sie ihren eigenen noch. Ich überlegte. Es gab einen Fluch, der den Zauberstab an seinen Besitzer band, selbt nach dem Tod. Doch der Zauber musste noch zu Lebzeiten ausgeführt werden. Hatte sie so vorausschauend denken können? Oder war das alles nur ein glücklicher Zufall für sie?
Ich rutschte ein Stück rückwärts. Mir war kalt auf dem steinernen Boden voller Wasser.
Aber etwas kleines, leuchtendes spendete mir Wärme. Ich griff nach dem Antimaterienkiesel. Neue Kraft durchströmte mich. Der kleine, graue Stein begann gleißend hell zu leuchten. Er wurde so heiß, dass es mir fast die Hände verbrannte. Aber ich hielt ihn fest. Das war meine Rettung. Ich konnte es beenden. Ich.
Endlich hatte ich die Chance, zu beweisen, was in mir steckte. Ich konnte das alles beenden. Ich konnte es schaffen, Lestrange aufzuhalten.
Ich hatte keine Ahnung, wie der Antimaterienkiesel funktionierte.
Ich stellte mir vor, dass er Lestrange aufsaugen würde. Ihr das letzte bisschen Materie raubte.
Und dann sei ihre Seele frei. Es gäbe nichts, was sie an die sterbliche Welt band. Und ihre Seele würde ins Jenseits wandern. Weg von hier. Weg aus unserer Welt. Für immer.

Lestrange schien zu erkennen, was ich in der Hand hielt. Denn ihre Augen weiteten sich vor Schrecken. Die schwarzen Locken fielen ihr ins Gesicht und sie pustete sie weg. Und das sollte ihre letzte Bewegung sein.
Ich nahm noch mal all meine Kraft zusammen, dann fuhr ich mit einem Ruck nach vorne. Die Hand mit dem Antimaterienkiesel berührte sie am Schlüsselbein.
Lestrange begann zu schreien. Ich drückte fester zu. Der Raum wurde von Licht geflutet. Ich musste die Augen zusammenkneifen. Aber ich sah nicht weg. Ich wollte sehen, wie ich sie bezwang. Meine Finger schmerzten schon, meine gante Hand brannte. Von den gleißenden Licht trieb es mir die Tränen in die Augen.
Und Bellatrix Lestrange schrie. Sie schrie ihren letzten, verrückten Schrei. Ich spürte den stolz in mir aufkeimen. Ich hatte es fast geschafft.
Das Leuchten erfüllte die gesamte Kammer des Schreckens. Es wurde so heiß, dass das Wasser auf dem Boden zu verdampfen begann. Aber ich hielt stand. Ich sah die staunenden Blicke von Scorpius und dem nun wieder wachen Albus.
Und ich hörte Lestrange's markerschütternde Schreie. Sie schrie, als würde sie gefoltert werden.
Die wahnsinnigen Schreie erfüllten den ganzen Raum.
Von jeder Wand, von jeder Statue hallten sie wieder und mussten im ganzen Schloss zu hören sein!

Doch was dann geschah, war unverzeihlich. Die Schreie veränderten sich. Erst war ich mir nicht sicher, aber dann hörte man es ganz deutlich. Das waren keine Schreie mehr. Das war ein Lachen. Ein furchtbares, irres Lachen. Ich versuchte die Hand zurückzuziehen. Aber es ging nicht. Und mir wurde bewusst, was ich tat. Ich konnte es erst gar nicht fassen. Meine Augen weiteten sich, mein Verstand versagte bei dem Versuch, das Ausmaß dieses Zaubers zu fassen.
Ich sah, wie der Geist vor mir wieder an Farbe gewann. All das bleiche Weiß verschwand.
Die Haare wurden dunkler, bis die gesamte Mähne wieder schwarz war, mit einigen grauen Strähnen. Die Haut wurde dunkler, bis sie der eines Geistes nicht mehr ähnelte. Nein, das war Haut eines lebendigen Menschens.
Das schwarze Gewandt war schwärzer als je zuvor und die Augen. Ja, die Augen blickten mich lebendig an. Das Licht blitzte in ihnen, genau wie der Wahnsinn.
Sie grinste breit mit einer Mischung aus Euphorie und Unglauben.
Aber schließlich stand sie dort. Bellatrix Lestrange. In Fleisch und Blut, lebendig wie eh und je.

Und während mich die Kraft verließ und ich zurück auf den Boden sank, fiel mir ein Satz ein, den Luna mir zu dem Antimaterienkiesel gesagt hatte:
Und solltest du jemals das Gegenstück finden, pass auf, dass du sie nicht verwechselst. Sie sehen sich sehr ähnlich und manchmal weiß selbst ich nicht, welcher Stein nun welcher ist.
Ich stöhnte. Das hier war das Gegenstück. Luna hatte mir den Materienkiesel gegeben. Das Gegenstück des Antimaterienkiesels.
Und während der Antimaterienkiesel einen Geist hätte verschwinden lassen, so hatte der hier das komplrtze Gegenteil bewirkt und den Geist zurück in einen lebenden Menschen verwandelt.
Ich sank in mich zusammen. Der Materienkiesel hatte mir all die Kraft geraubt. Und bevor alles schwarz vor meinen Augen wurde, dachte ich nur: 'Du hast Bellatrix Lestrange zurück ins Leben gebracht, Rose. Jetzt ist es entgültig aus!'

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