Scorpius' Sicht
Ich öffnete die Tür. Da standen zwei Menschen mit bekannten Gesichtern. Aber sie kamen mir trotzdem fremd vor.
"Hallo", sagte ich abweisend.
Peinliches Schweigen.
"Scorpius, komm", war alles, was Dad sagte.
Der Abschied ging schnell. Ein höfliches "Dankeschön", eine Entschuldigung für die ganzen Umstände und ein feuchter Händedruck.
Ich konnte Albus nur schnell auf Wiedersehen sagen, bevor Dad mich an der Hand packte und wir apparierten."So", sagte er, als wir wieder in Malfoy Manor ankamen. Er versuchte den gewöhnlichen Tagesablauf so schnell wie möglich wiederherzustellen.
Es gab keine Erklärungen, keine Entschuldigungen. Und ich zweifelte an dem Satz, den Ginny gesagt hatte.
Vielleicht liebten nicht alle Eltern ihre Kinder. Vielleicht brauchten manche nur einen Nachfolger, damit ihre alte, reinblütige Familie nicht ausstarb.Mum war müde und kraftlos. Sie legte sich sofort in ihr Zimmer. Dad ging in die Küche und wärmte etwas Lasagne in der Mikrowelle auf.
Ich saß ihm gegenüber. Ich stocherte lustlos in meiner Portion. Toll, Fertiglasagne, hatte ich mir ja so gewünscht.
Den Tagespropheten mit der erschreckenden Nachricht (es waren in letzter Zeit nicht viele schöne Dinge passiert) legte ich mit der Rückseite nach oben auf den Tisch. Dad sah ihn an, sagte aber nur: "Iss."
Ich nahm unwillig einen Happen und verbrannte mir die Zunge. Ich schnappte nach Luft, was nicht sehr schön aussah.
"Mach den Mund zu, Scorpius", befahl er. Ich schluckte den heißen Bissen herunter, dass es mir fast den Hals verbrannte. Wenn Dad schlecht gelaunt war, war seinen Befehlen Folge zu leisten. Er konnte ziemlich streng sein. Und ich bemühte mich, das Kind zu sein, was meine Eltern sich wünschten. Aber das war bei ihren hohen Ansprüchen nicht leicht. Ich musste gute Noten nach Hause bringen, gut angezogen sein und gute Manieren haben. Nichts da mit Jogginghose auf der Couch rumgammeln. Ich war ein Malfoy, einer der ältesten reinblütigen Zaubererfamilien. Dem musste ich gerecht werden.
Dad musterte mich von oben bis unten. Ich wusste, dass ich nicht besonders gut angezogen war. Und die Haare hatte ich auch nicht wirklich gekämmt. Ich hatte einfach die Zeit genossen, als ich in einem lauten Haus voller Leute und nicht ganz so strengen Regeln leben durfte. Aber mir war klar, dass damit Schluss war. Jetzt erst recht.
Ich starrte wütend zurück. Dad hatte immer noch kein Wort gesprochen.
"Ich warte", sagte ich.
"Auf was?", fragte Dad und ich hasste es, wenn seine Stimme so herablassend klang wie jetzt.
"Eine Entschuldigung", antwortete ich mit fester Stimme.
"Dass ich nicht lache!"
Mein Blick verdunkelte sich. Ich schob den Tagespropheten zu ihm.
Dad sah ihn eine Weile an, überlegte, ob es heißen würde, ich hätte gewonnen, wenn er ihn jetzt las. Aber schließlich überwog seine Neugier.
Er nahm die Zeitung. Und starrte auf die Titelseite. Für einen Moment stand ihm das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Er starrte nur ungläubig auf das bedruckte Papier. Man könnte fast Mitleid haben. Doch dann bildete sich eine Zornesfalte auf seiner Stirn. Er sprang auf und zerknüllte den Tagespropheten. Dann knallte er ihn auf den Tisch.
"In dein Zimmer, sofort!", schrie er mich an. Aber ich dachte nicht mal im Traum daran. Die Wut nährte mich nun und gab mir genug Mut, ihm zu widersprechen.
"Nein", sagte ich.
Dad wurde noch zorniger. Ich glaube das Gefährlichste an seinem Zorn ist, dass er nicht laut rumschreit. Er ist still und seine Worte sind leise, aber so scharf wie Messer.
"Du gehst jetzt in dein Zimmer", wiederholte er.
"Du kannst mir gar nichts befehlen!",rief ich.
"Doch, das kann ich. Weil ich dein Vater bin!"
"Mum würde es nicht erlauben, dass du so mit mir sprichst!", sagte ich.
"Lass deine Mutter aus dem Spiel. Sie hat nichts damit zu tun."
"Doch!", entgegnete ich, "Ihr seid verheiratet. Und ihr habt ein Kind. Ein Kind, dass ihr gemeinsam belügt!"
Ich spürte, wie seine Geduld langsam riss. Aber ich war nun so wütend, dass es mir egal war.
"Weißt du, all die Dinge, die du mir beibringst, an die hältst du dich nicht mal selber", sagte ich, "Du lügst alle an. Du lügst mich an. Ohne mit der Wimper zu zucken!"
Dad packte mich am Arm.
"Scorpius Hyperion Malfoy! Du hörst mir nun mal zu!", rief er mit solch einer Wucht, die ich bei ihm noch nie erlebt hatte. Es machte mir Angst. Und normalerweise sprach er nie meinen vollen Namen aus.
"Du wirst jetzt sofort in dein Zimmer gehen und den Mund halten. Ich befehle dir, niemandem von etwas zu erzählen, was hier passiert-"
"-weil niemand wissen soll, wie wir hier leben, oder was? Damit niemand weiß, wie ich hier behandelt werde!", rief ich dazwischen. Und das war etwas sehr Mutiges von mir. Entweder das oder die dümmste Sache seit langem. Der Griff meines Vaters verstärkte sich. Er hielt mich mich mit dem linken Arm fest. Auf diesem Arm war das dunkle Mal.
Zwischen zusammengepressten Zähnen zischte er: "Du bist verdammt noch mal viel zu verzogen! Du solltest dankbar sein, denn andere Kinder müssen hungern und haben nicht mal ein Dach über dem Kopf. Dir geht es hier viel zu gut und weiß du was? Du bist furchtbar frech und eingebildet!"
"Und du ein Todesser!"Mit diesen Worten riss ich mich los. Ich hatte ihn getroffen. Das wusste ich. Dad war wie erstarrt. Bevor er reagieren konnte, knallte ich die Küchentür hinter mir zu. Ich rannte schnell und nahm auf den Treppen immer zwei Stufen aus einmal. Ich wusste, dass ich es zu weit getrieben hatte. Aber es fühlte sich...befreiend an. Ich bereute nichts!
Aber erst mal musste ich weg. Ich wollte Dad's Wutausbruch nicht miterleben. Also verschwand ich schnell in unserer Bibliothek.
Ich kannte die Reihen und Regale in- und auswendig. Ich versteckte mich zwischen den Gängen und Büchern.
Ich war oft hier, weswegen ich mich blind auskannte.
Erschöpft setzte ich mich auf den Boden. Ich merkte, wie sehr ich schwitze. Mein Herz raste und ich zitterte.
Sowas wie jetzt hatte ich noch nie erlebt. Dad war schon oft wütend - aber nicht so wütend. Sowas hatte er noch nie getan. Und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mit einem Mal verschwand mein Mut und die Verzweiflung übermannte mich. Ich stürzte in mich zusammen und vergrub den Kopf auf den Knien. Ich zitterte immer noch und mein Atem ging ganz ungleichmäßig. Das Blut pulsierte in einer Hammergeschwindigkeit durch meine Adern. Das reine Blut, auf das viel zu viele Leute sehr stolz waren.
Aber mir war es ziemlich egal. Jetzt noch egaler als vorher.
Ich war enttäuscht, frustriert und unsicher. Was jetzt? Kannte ich meinen Vater überhaupt richtig? Er hatte mir so viel verschwiegen. Und er hatte es sogar so weit getrieben, mich über das Leben einer Person zu belügen. Lucius Malfoy. Mein Großvater. Er war gar nicht tot. Das hatten sie mir nur erzählt. Dabei war er in Wirklichkeit in Askaban, weil er sich nach dem Tod des dunklen Lords wieder mit schwarzer Magie beschäftigt hatte. Und er hatte heute Nacht vergeblich versucht auszubrechen. Das war es, was ich im Tagespropheten gelesen hatte.
Und ich fühlte mich einfach nur leer.
Betrogen und belogen und nicht wertgeschätzt. Wie eine Marionette, deren Seile zerschnitten wurden und die nicht weiß, was sie nun tun sollte. Denn Freiheit hat ihren Preis. Sie fordert Verantwortung. Und das kann einen erschlagen.
Ich saß fröstelnd auf dem Boden, die Arme um die angewinkelten Beine geschlungen uns den Kopf auf die Kni gelegt. Ich versuchte nicht zu weinen. Doch meine Augen brannten. Ich unterdrückte ein Schluchzen und hielt die Luft an. So ging es leichter, nicht alles rauszulassen. Man erstickt einfach die Sorgen. Aber wie lange kann man es aushalten, bis die Sorgen dich erdrücken?"Scorpius!", hörte ich die Stimme meines Vaters außerhalb der Bibliothek.
"Komm raus, ich weiß, dass du dort bist!", rief er.
Ich traute mich kaum zu atmen. Was wollte er? War er noch sauer?
Ich blieb still.
"Scorpius! Wir müssen reden. Und ich muss mit dir irgendwo hin!"
Ich gefror bei diesen Worten. Wollte er mich tatsächlich wegschicken?
Würde ich jetzt noch mal etwas ändern können?
Ich stand auf und betrachtete mein Spiegelbild in einer Fensterscheibe. Ich versuchte mir die Haare glatt zu streichen und rieb mir die geröteten Augen. Mein Vater sollte nicht denken, dass ich geweint hatte. Er sollte nicht denken, dass ich schwach war.
Also nahm ich meinen Zauberstab und spritzte mir selbst Wasser ins Gesicht. Es war erfrischend. Aber meine Klamotten waren nun nass. Ich zauberte so lange, bis ich wieder normal aussah: gekämmte weißblonde Haare, ordentliche Sachen und blasse Haut. Malfoy eben.
"Scorpius, komm nun! Ich bin nicht mehr wütend!", rief mein Vater.
Ich riss mich zusammen und ging zu ihm."Scorpius", sagte er und musterte mich. Seine Stimme war nun wieder ruhig. "Es tut mir leid. Das mit den Lügen. Und mir war klar, dass du es erfahren würdest. Also, tut mir leid, dass es so kommen musste."
Ich nickte nur stumm.
Dad machte weiter: "Also nun: die Wahrheit. Das ist es doch, was du hören wolltest? Und deswegen glaube ich, dass es Zeit ist, jemanden zu besuchen."
Er steckte die Hand aus und wir apparierten.Ich hatte mich an das flaue Gefühl nach der Landung gewöhnt. Es machte mir nicht mehr ganz so viel zu schaffen. Das erste, was ich hörte, waren Wellen.
Wir standen auf einer Insel, umgeben vom rauen Meer. Es war ein graues Meer mit weißen Schaumkronen. Die Wellen schwappten and Kliff und zerprangen. Die Gischt benetzte meine Haut. Mein Dad sah sich unwohl um. Vor uns ragte ein riesiges, graues Gebäude trostlos in den grauer Himmel. Es hatte die Form eines Dreiecks und strahlte tiefe, dunkle Trauer aus.
"Wo sind wir?", fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte.
"Askaban", antwortete mein Vater.
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HP Next Generation - Harry war gestern, jetzt komme ich!
FanfictionAch ja, die Zukunft. Sie ist schneller da, als man denkt. Und schon ist es für Albus Severus Potter, Rose Weasley und Scorpius Malfoy soweit, nach Hogwarts zu kommen - und dort wartet das nächste Abenteuer auf sie! Aber hier ist es um einiges schw...