Im Angesicht der Ahnin

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Albus' Sicht

Der Mond schien über dem mitternahtsschwarzen See und sein gebrochenes Licht fiel durch die Fenster des Slytherin-Gemeinschaftsraumes. Draußen blubberte das Wasser, aber außer dem Kraken schienen alle zu schlafen - bis auf Scorpius und ich.
Damian und Joel schnarchten nichtsahnend in ihren Betten, während wir das wohl gefährlichste Abenteuer unseres Lebens planten.
Es war kalt und düster, aber ich schwitzte furchtbar vor Aufregung. Und wenn mein Herz schon am Explodieren war, wie musste sich Scorpius erst fühlen?
Wir hatten beschlossen, die Kammer des Schreckens selbst zu öffnen. Wir hatten diesen  Kampf angefangen, also würden wir ihn auch beenden. Niemand durfte etwas davon wissen, so war auch niemand in Gefahr.
Doch um die Kammer des Schreckens zu öffnen, musste jemand von uns Parsel sprechen.
Also hatte Scorpius sich dazu bereit erklärt, Bellatrix Lestrange in seinen Geist zu lassen.
Ich hatte ihn davon abbringen wollen, aber er war fest entschlossen, es zu tun.
"Denkst du, ich kann je wieder ruhigen Gewissens schlafen gehen, wenn ich weiß, dass ich nicht alles getan habe, was möglich ist, um diese Welt zu retten?", hatte er gefragt, "Entweder du machst mit - oder ich tue es alleine!"
Also hatte ich zugestimmt. Er durfte das nicht ohne Hilfe durchziehen, er brauchte mich.
Also zogen wir unsere Uniformen über, nahmen unsere Zauberstäbe in die Hände und schlichen in den Gemeinschaftsraum.
Es war so leise, dass es fast schon unheimlich war. Man hörte jedes Knacken der Stufen, jeden Holzscheit im Feuer. Meine Hände waren schon ganz nass.
Scorpius legte sich in einen der Sessel.
"Sicher, dass das gut geht?", fragte ich.
"Keine Ahnung. Aber haben wir denn überhaupt eine Wahl?"
Nein, die hatten wir nicht. Oder zumindest keine, bei der wir uns nützlich machen konnten.
Wir konnten entweder einfach abwarten oder es wenigstens versuchen. Und wir hatten solange abgewartet und nichts getan, bis die Last über uns zusammenbrach. Nun war es an der Zeit zu handeln. Es würde nicht leicht sein. Aber was hatte Dumbledore mal gesagt?
Es ist an der Zeit, zu entscheiden, ob wir den richtigen oder den einfachen Weg gehen wollen...

Scorpius' Sicht

Ich lag mit geschlossenen Augen im Gemeinschaftsraum, versuchte meinen Kopf frei zu bekommen und mich nur auf diese eine Sache zu konzentrieren.
Ich wusste nicht, wie lange ich dagelegen hatte. Jede Sekunde war eine Qual. Aber ich zwang mich, ruhig zu atmen. Wenn Bellatrix Lestrange spürte, dass ich mich unwohl fühlte, bekam sie nur noch mehr Macht über mich. Und genau das musste ich vermeiden. Ich musste vermeiden, dass ich wie eine Marionette an ihren Fäden hing.
Sie musste glauben, dass ich sie bewundere. Sie musste denken, ich sei auf ihrer Seite. Sie musste mir vertrauen.
Sie musste denken, ich sei ihe Werkzeug, während ich in Wirklichkeit versuchte, diesem Schicksal zu entgehen.
Mein Herz hämmerte. Aber ich musste mich entspannen.
Es dauerte ewig. Ich konnte nicht einfach ruhig bleiben, wenn ich mich in Lebensgefahr begab.
Und ich wünschte mir, dass irgendetwas geschah. Ich hielt diese Angespanntheit kaum aus. Ich wusste, bald würde etwas geschehen. Nur wann? Meine Nerven lagen blank, jede Faser meines Körpers war gespannt.
Und als ich dann doch irgendwann in den Halbschlaf abdriftete, kam die Stimme. Als erstes hörte sie sich nur wie ein weites Echo an. Doch in dem Moment wusste ich, es gab kein Zurück mehr.
Also öffnete ich mich. Ich stellte mir vor, wie es keine Schranken mehr gab, die andere davon anhielten, in mich einzutauchen. Meine Seele war geöffnet. Ich war schutzlos. Ich war ihr ausgeliefert.

Scorpius...
Ich hörte sie näher kommen. Sie schwebte in mich hinein, wie durch ein offenes Tor. Ich musste meinen Schauer verbergen. Nun gab es keine Geheimnisse mehr, ich war ein offenes Buch. Meine Gedanken würden für sie sichtbar sein, wenn sie nur darum verlangte.
Und das war das schlimmste an der ganzen Sache. Ich gehörte mir nicht mehr selbst. Ich war wie ein Gegenstand in ihrem Besitz.
Und ich hasste es. Ich hasste es aus tiefstem Herzen. Ich hasste es, an andere Personen gebunden zu sein, meiner Unabhängigkeit beraubt und unfrei. Ich hasste es, wenn jemand zu viel über mich wusste - und Bellatrix Lestrange würde alles von mir wissen können.
Und es war die größe Qual meines Lebens, nicht mehr Herr meiner selbst zu sein. Ich hasste es, dass letzte bisschen Macht zu verlieren.
Und vielleicht war es besonders qualvoll, weil ich in Slytherin war. Weil ich gerne alles unter Kontrolle hatte, in meiner Macht. Und genau das wurde mir geraubt!
Und obwohl sich das alles nur auf mentaler Ebene abspielte, konnte ich ihren gierigen Blick spüren, als sei ich für sie nur ein rohes Stück Fleisch.

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