Gebrochen und zusammengeflickt

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Rose's Sicht

Ich rannte ohne genau zu wissen, wohin. Nur weg, weg, weg.
"Rose, bleib stehen!", rief Potter hinter mir, aber ich würde nicht stehen bleiben. Ich hatte jedes Wort gehört. Jedes dieser brennenden, kratzenden, zerreißenden Worte, die mich verwunderten. Ich dachte ich hätte mich mit dem Gedanken abgefunden, dass er ein mieser Verräter war. Aber es tat doch mehr weh, es zu hören, als ich dachte. Aber vielleicht war ich nur so enttäuscht, weil damit das kleinste, verzweifeltste bisschen Hoffnung zu Nichte gemacht wurde. Das bisschen Hoffnung, dass ich einfach nur Dinge hineininterpretiert hatte, die es gar nicht gab. Aber das war der eindeutige, unumstößliche, hundertprozentige Beweis dafür, dass Albus Severus Potter durch und durch nach Slytherin gehörte.
Ich hatte ihn sagen hören, wie er sagte, dass er Gryffindor vergessen wollte und damit verleugnete er seine gesamte Familie. Und er sagte, dass er nicht der Sohn seines Vaters sein wollte. Er schätze es nicht einmal, dass sein Vater sich in Lebensgefahr gebracht hatte, um die Welt zu retten, dass seine Großeltern aus Liebe zu ihrem Sohn starben, nur um ihn zu schützen. Albus Severus war es egal. Er verdiente den Namen "Potter" nicht. Er war ein nichtsnutziger Lügner, Verräter und Verbrecher.
"Rose, bitte!" sagte er schnaufende und holte mich ein.
"Verschwinde!!!", rief ich und schlug ihm ins Gesicht. Er stolperte zurück und auf seiner Wange bildete sich ein roter Handabdruck. Ich sah ihn wütend an.
"Geh weg, ich will dich nicht mehr sehen!!!", rief ich und holte erneut aus.
Albus Severus hielt schützend seine Hände vors Gesicht und kniff die Augen zusammen. "Nicht!", winselte er. Denn ein Feigling war er auch noch.
"Was willst du?!", kreischte ich hysterisch und trat ihm ans Schienbein.
"Rose", flehte er, "Vielleicht hast du da was falsch verstanden, aber-"
Ich schnitt ihm das Wort ab.
"Ich habe alles verstanden, Albus Severus, meine Ohren sind vollkommen gesund", entgegnete ich. Es kostete mir meine gesamte Selbstbeherrschung, ruhig zu bleiben. Aber wegen jemandem wie ihn würde ich nicht niveaulos werden.
"Ist es nicht interessant, dass wir in Gegenwart mancher Personen unsere Handlungen den Erwartungen gegenüber der betreffenden Person anpassen?", fragte ich mit der süßesten Stimme, die ich aufbringen konnte, "Ich freue mich, dass ich mal miterleben durfte, wie du wirklich denkst. Danke. Und jetzt entschuldige mich, ich habe wichtigere Dinge, als den Tag mit dir zu verschwenden. Du kannst ja jetzt ruhig zu deinem neuen, besten Freund Malfoy gehen."
Damit warf ich meine Haare über die Schulter und ging erhobenen Hauptes davon. Ich erwartete, dass er mir noch etwas nachschreien würde, aber das tat er nicht. Denn er war ein feiger, familienverleugnender Mistkerl. Ein Glück, dass wir ihn nicht in Gryffindor hatten. Er gehörte ruhig zu den anderen machtbesessenen, manipulativen, selbstverliebten, arroganten Slytherins. Oh, ich war mir sogar sicher, dass er der machtbesessendste, manipulativste, selbstverliebteste, arroganteste aller Slytherins war.
Und als ich fast außer Hörweite war, schrie er mir noch hinterher: "MALFOY IST EIN VIEL BESSERER FREUND, ALS DU ES JE SEIN KÖNNTEST!"

Albus' Sicht

Ich stand schnaufend im Gang rum. Irgendetwas in mir hatte sich verändert. Und ich hatte jedes Wort ernst gemeint. Scorpius Malfoy war wirklich mein Freund. Denn obwohl er allen Grund dazu hatte, mich zu hassen, tat er es doch nicht.
Alle sagen immer, Slytherins seien voreingenommen. Aber hatten diese ganzen Gryffindors, Hufflepuffs und Ravenclaws nicht viel mehr Vorurteile als wir. Sie waren die bösen, nicht wir. Sie hatten bloß immer alle Schuld auf uns geschoben, weil es viele Slytherins gab, die Fehler machten. Aber die anderen waren auch nicht besser. Und zum ersten Mal seit ich in Hogwarts war, war ich stolz darauf, ein Slytherin zu sein.
Wer brauchte schon die anderen Häuser, wenn wir uns hatten?
Ich würde nicht mehr länger der arme, kleine, geduldige Albus Severus Potter sein. Ich hatte lange genug gewartet, war lange genug nett und rücksichtsvoll gewesen. Sie hatten ihre Chance verspielt. Jetzt würde ich mal etwas tun, was gut für mich war.
Mein Leben lang war ich immer derjenige gewesen, der allen anderen immer alles abtrat, der nur schüchtern daneben stand und nie auch nur ein Wort gegen die anderen erhob. Dabei zog ich immer den Kürzeren. Damit war jetzt Schluss.

Ich stampfte runter in den Kerker. Im Gemeinschaftsraum traf ich Joel und Damian.
"Wisst ihr, wo Malfoy ist?", fragte ich.
"Im Schlafsaal", antwortete Damian, zeigte zur Seite und knallte seinen Arm in Joels Gesicht. Ich musste kurz grinsen, dann lief ich los.

Malfoy lag auf seinem Bett, die weißblonden Haare verwuschelt und mit blutender Unterlippe. Sobald er mich sah, setzte er sich auf.
"Es tut mir leid!", sagte er, "Ich hab Rose gesehen und eigentlich hätte ich es dir sagen sollen, aber ich wollte sie ärgern und-"
"Danke", sagte ich leise.
Aber Malfoy schien mich gar nicht gehört zu haben.
"Und ich verstehe, dass du sauer bist, aber das wollte ich alles nicht....Moment, was?!"
"Danke", wiederholte ich.
Er sah mich verwundert an.
"Hat Rose dich geschlagen, dass du jetzt eine Gehirnerschütterung hast?", fragte er.
Ich grinste und schüttelte den Kopf.
"Nein, mir geht's gut. Und du hattest von Anfang an Recht", sagte ich.
"Ach wirklich", fragte Malfoy, fing sich dann aber gleich wieder, "Natürlich hatte ich Recht, ich hab immer Recht!"
Er grinste und versuchte seine Haare irgendwie wieder in Form zu bekommen.
"Ja, natürlich, du liegst ja nie falsch", sagte ich sarkastisch.
"Hey, machst du dich etwa über mich lustig?", rief Malfoy mit gespielter Wut.
Ich schüttelte den Kopf und wurde wieder ersnst.
"Ich meine, sie ist nur eine dieser dummen Gryffindors, oder nicht?"
Malfoy nickte.
"Ja, dumme Gryffindors, davon gibt es viel zu viele auf dieser Welt", meinte er grinsend.
"Und du hast recht, ich will nicht immer nur als der Sohn von Harry Potter bekannt sein..."
"Das heißt...?", hob Malfoy eine Augenbraue.
Und da konnte ich gar nicht mehr anders, als von einem Ohr bis zum anderen zu lächeln.
"Das heißt", sagte ich, "dass ich doch ins Quidditch-Team will!"

HP Next Generation - Harry war gestern, jetzt komme ich! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt