Fragen über Fragen

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Scorpius' Sicht

Schicksalsergeben nahm ich einen Putzlappen in die Hand und begann die Trophäensammlung zu putzen. Gab es denn keine bessere Strafe? Und dazu noch jeden Tag eine Stunde lang nachsitzen, zwei Wochen lang!
Ich stöhnte. Brandon hatte alles nur mögliche getan, damit mir Dalonero die größte Strafe von allen gibt. Was hatte der Typ nur gegen mich?!
Ich wischte über einen der Pokale.
Tom Riddle stand auf ihm geschrieben. Schnell nahm ich die Hand weg. Wieso bewahrte Hogwarts Trophäen von Voldemort auf?
Ich schüttelte den Kopf und übersprang den Pokal einfach.

Nun komm...wehr dich nicht dagegen... Du bist dazu bestimmt...

Ich sah mich um. Aber da stand niemand. Hatte ich mir das eingebildet? Ich wischte eine Schweißperle von der Stirn. Die Stimme kam mir bekannt vor. Zu bekannt.
Es war die Stimme aus meinem Traum. Was machte sie hier?
Ein bisschen verängstigt versuchte ich nicht weiter daran zu denken und putzte Broschen, Pokale oder Abzeichen.
Es gab dafür sicher eine Logische Erklärung. Schlafmangel. Ja, das musste es sein. Die Stimme in meinen Träumen hatte Parsel gesprochen und ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht mein Unterbewusstsein war, welches da zu mir sprach.
Diese Sätze aber konnte ich einwandfrei verstehen. Das konnte also nur bedeuten, dass ich sie mir eingebildet hatte.
Alles nur eine Angst, die Gestalt angenommen hatte. Nichts weiter.
Ich versuchte ruhig zu bleiben. Ich hatte doch eine Erklärung für alles gefunden! Aber wieso wusste ich jetzt schon, dass es etwas anderes war?
Ich drehte mich vorsichtig zum Pokal von Tom Riddle um. Aber der stand einfach nur wie jeder andere Pokal in der Vitrine rum und glänzte unschuldig.
Es konnte doch auch gar nicht Voldemorts Stimme sein. Es war eine Frauenstimme. Es musste jemand sein, den ich kannte. Sonst käme sie mir nicht bekannt vor.
Ganz ruhig, Scorpius,  du bist nicht verrückt. Du leidest jediglich ein wenig an Schlafmangel,  sonst bist du ganz normal...Oh, Mann, Scorpius, du bist vollkommen durchgeknallt und führst Selbstgespräche!
Ich knallte mir mit der Hand auf die Stirn. Was geschah mit mir?
Ich ließ den Lappen sinken. Und dann rannte ich raus. Ich wusste auch nicht, was mich gepackt hatte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, keine Sekunde länger dort auszuhalten.
Ich riss die Toilettentür auf und stellte mich ans Waschbecken. Dann drehte ich den Hahn auf und schüttete mir das Wasser ins Gesicht. Schönes, eiskaltes, klares Wasser. Ich brauchte nur runterzukommen. Alles war gut. Kein Grund zur Beunruhigung...
"Hallo-o!", rief plötzlich eine Stimme.
"Ahhh!", schreckte ich zurück, "Wer ist da?"
Ich sah mich um, doch da war niemand. Ich schüttete mir noch mehr Wasser ins Gesicht.
"Ich drehe durch, ich drehe durch!", flüsterte ich panisch zu mir selbst.
"Vielleicht", antwortete die Stimme.
Ich zuckte wieder zusammen.
Vorsichtig drehte ich mich vom Wasserhahn weg und sah mich um.
War jemand in einer der Kabinen? Ich ging nachsehen. Doch alle waren offen und ich konnte niemanden sehen, der drin Stand.
"Hi, Malfoy!", sagte die Stimme plötzlich direkt hinter mir.
"Uah!", schrie ich und drehte mich um.
Und im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich erleichtert sein sollte oder schizophren war.
Dort stand ein Mädchen mit Brille und zwei  Zöpfen. Oder eher gesagt schwebte sie. War sie ein Geist?
"Wer...wer bist du?", fragte ich.
"Myrte", sagte sie.
"Und du bist...äh...", begann ich unsicher.
"Ein Geist, ja, falls du das meinst", sagte sie und setzte mit etwas Nachdruck noch dazu, "Ja, ich bin tot."
Ein peinliches Schweigen trat zwischen uns. Und niemand wusste so recht, was man dazu noch sagen konnte. Und ein bisschen tat sie mir auch leid. Falls sie wirklich existierte und nicht nur ein Produkt meiner Fantasie war.
"Und", durchbrach ich die Stille, "Bist du real?"
Myrte sah mich schief an.
"Jaaa. So real, wie man ohne Körper wohl sein kann..."
Und dann brach sie in ein fürchterliches Schluchzen aus.
Ich stand daneben.
"Äh...nicht weinen, Myrte...bitte", versuchte ich sie zu beruhigen.
Sie sah auf.
"Danke...Malfoy, oder?", fragte sie.
"Woher kennst du meinen Namen?!", rief ich.
"Du siehst deinem Vater recht ähnlich", sagte sie.
Sofort war mein Interesse geweckt.
Sie kannte also meinen Vater. Ob sie etwas wusste, was er mir nie erzählt hatte? Ich wusste auch sonst eher wenig über ihn.
"Woher kanntest du ihn denn?", fragte ich.
"In seinem sechsten Schuljahr kam er oft in meine Toilette...wir hatten uns dadurch angefreundet."
Ich machte große Augen.
"Wieso? Was hat er da gemacht?", fragte ich nun.
Aber da brach Myrte schon wieder in Tränen aus.
"Aber seit dem hab ich ihn nieee wieder geseheeen. Und auch sonst keine Freunde gefunden. Wuähhh!"
So ging es eine ganze Zeit lang und ich bekam nichts mehr aus ihr raus. Aber mein Interesse war geweckt. Und im Grunde wusste ich da schon, dass ich noch viele Dinge über meinen Vater erfahren sollte.

Albus' Sicht

Ungläubig saß ich am Rand des Quidditch-Feldes. Das Training wurde heute eher beendet, weil alle sauer auf mich waren, dass ich nicht aufgepasst hatte. Aber ich konnte an nichts anderes denken, außer an die Ereignisse im Krankenflügel.
Was hatte ich nur getan? Die Gewissensbisse nagten an mir wie hungrige Bestien. Ich konnte immer noch nicht fassen, was ich getan hatte. Wie konnte ich nur so fies und gemein und brutal sein?
Ich hatte Seiten an mir entdeckt, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Waren sie schon immer da gewesen,  versteckt in den Winkeln meines Unterbewusstseins? Oder kamen sie erst jetzt dazu? Passte ich mich langsam dem allgemeinen Bild von Slytherins an? Hatte ich mir all die schlechten Eigenschaften, die man uns zusagte, jetzt tatsächlich angewöhnt?
Langsam wusste ich selbst nicht mal mehr, wie ich war oder wie ich zu sein hatte?
Und ich konnte immer noch nicht fassen,wie ich auf Rose zugegangen war. Ich war einfach nicht ich selbst gewesen. Oder doch? War ich wirklich so? Und was hätte ich getan, wenn Scorpius mich nicht aufgehalten hätte?
Plötzlich traf mich ein kleiner Tropfen. Ich sah zum Himmel. Es hatte angefangen zu regnen. Na toll.
Die Tropfen durchweichten meinen Umhang und er nahm einen dunkleren Grünton an. Ich hatte keine Lust gehabt, mich umzuziehen und blieb in der Quidditch-Kleidung.
Es war ein schönes Grün. Scorpius hatte mal gesagt, grün sei die Farbe, von der das Menschliche Auge am meisten Abstufungen unterscheiden konnte.
Ich fragte mich, ob Rose das gewusst hätte. Wahrscheinlich.
Sie wusste so gut wie alles. Vielleicht hatte sie von Anfang an gewusst, dass ich so werden würde. Vielleicht hatte sie es die ganze Zeit gewusst und war deswegen gleich auf Abstand gegangen. Vielleicht wollte sie dem hier einfach aus dem Weg gehen.
Aber ist es nicht komisch, dass man, je mehr man eine Sache verhindern will, sie erst recht heraufbeschwört?

HP Next Generation - Harry war gestern, jetzt komme ich! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt