Achtung Einsturzgefahr !

201 23 1
                                    

Rose's Sicht

Ich erhob mich nach einer Viertelstunde von der Bank. Bevor ich ging, lief ich noch mal durchs Dorf und rier nach Malfoy. Die Wahrscheinlichkeit, dass er mich hören würde, war gering. Aber ich tat es nur zur Sicherheit. Mein Stimme hallte laut und deutlich, aber niemand antwortete mir.
Also drehte ich mich um und entfernte mich von dem Dorf.
Ich ging einige Straßen schwermütig entlang. Wir sollten eine Vermisstenanzeige rausbringen, denn nur mit suchen würden wir ihn nie finden.

Ich ging weiter und auf halber Strecke zurück fiel mir etwas ein - was, wenn er tatsächlich bis zu diesem Dorf gekommen war? Was, wenn er so müde war, dass er sich hinlegen wollte? Irgendwo, wo ihn niemand sah, wo ihn niemand suchte?
Wenn er vielleicht sogar so verzweifelt war, dass er sich in Gefahr begab...und um vielleicht zu sterben?
Ich kannte ihn nicht gut genug, um einzuschätzen, ob er das wirklich tun würde. Aber manchmal funktionierte das Gehirn einfach nicht und man tat dumme Sachen - oder sagte.
Worauf ich hinauswollte war, dass Scorpius sich ein Versteck gesucht haben könnte. Und was bot sich besser als Versteck an, als eine Ruine?

Wie von der Acrumantula gestochen spurtete ich zurück ins Dorf. Adrenalin wurde durch meine Blutbahnen gepumpt und gab mir neue Kraft. Seitenstechen hin oder her. Ich musste es versuchen! Sonst würde ich es ewig bereuen.
Kaum war ich angekommen, hetzte ich zu der Lagerhalle. Tatsächlich prankte dort ein Schild "Einsturzgefahr - betreten auf eigene Gefahr".
Aber es hing schief und war auf den ersten Blick nicht zu entdecken.
Einen Moment zögerte ich, dann trat ich ein. Normalerweise brach ich ungern Regeln, aber das war eine Ausnahme.
"Scorpius!", rief ich drin. Aber nur mein Echo antwortete mir. Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen, in der Angst, das gesamte Gebäude könne jeden Moment zusammenbrechen.
"Scorpius Malfoy!", rief ich nochmals. Wieder keine Antwort.
Ich bog um eine Ecke und sah mich um. Nichts. Er war wohl nicht hier.
Ich wollte gerade umdrehen, als ich stehen blieb. Vorhin war ich gegangen ohne richtig zu gucken. Diesmal sollte ich es besser machen.
Und tatsächlich - als ich das nächste Zimmer betrat, sah ich eine Gestalt am Boden. Meine Hand griff nach meinem Zauberstab. Es konnte immer noch jemand anderes sein.
Aber als ich mich näherte, erkannte ich die blonden Haare.
Malfoy lag zusammengekauert in einer Ecke. Ich kniete mich hin und versuchte ihn wachzurütteln.
"Scorpius Malfoy!", rief ich und schüttelte mehr, "Wach auf! Alle suchen nach dir! Komm schon, bitte, wach auf!"
Aber nichts regte sich. Doch Scorpius sah nicht verletzt aus. Höchstens ohnmächtig. Zwar auch nicht besonders gut, aber wenigstens mehr oder weniger unversehrt.
Also nahm ich meinen Zauberstab und sagte: "Mobilcorpus!"
Er erhob sich in die Lüfte. Doch meine Hand zappelte so sehr, dass ich ihn aus Versehen gegen die Decke steigen ließ. Es machte rums und ich ließ vor Schreck den Zauberstab sinken. Im letzten Moment schaffte ich es, den Sturz abzubremsen.
Jedoch schien der Ruck irgendetwas in ihm bewirkt zu haben. Er runzelte die Stirn und öffnete langsam ein Auge nach dem anderen.
"Scorpius!", rief ich und konnte meine Freude und meine Erleichterung nicht verbergen.
Als er mich entdeckte, weiteten sich seine Augen und er rief panisch: "Ahh! Rose! Ich bin in einem Alptraum aufgewacht!"
Sofort verengten sich meine Augen zu Schlitzen.
"Nein. Das ist real, und jetzt komm", sagte ich kühl. All die Freude war plötzlich verschwunden und mir wurde bewusst, dass dies hier Scorpius Malfoy war und wir uns im Normalfall nicht sonderlich gut verstanden.

Scorpius kämpfte sich auf die Beine und sah sich verwirrt um. Ich erklärte ihm die Situation wie er wahrscheinlich hierher gekommen war und wie ich ihn gefunden hatte. Die Stelle mit dem Streitgespräch zwischen mir und Albus ließ ich weg.
Sobald  sich Scorpius an alles erinnerte, trat ein wehleidiger Blick in sein Gesicht und die Last der letzten Tage schien auf ihn draufzufallen. Man könnte fast Mitleid haben. Aber ich verkniff es mir. Ich machte mich extra auf den Weg, um ihn zu finden. Und dann fiel ihm nichts besseres ein, als "Ich bin in einem Alptraum aufgewacht!".
Er hätte sich ruhig bedanken können, aber nicht mal das.
"Komm jetzt!", sagte ich und machte mich auf den Weg. Immer noch etwas benommen folgte er mir. Ich entschied, dass ich auf den Weg achten sollte. Ich wollte nichts wie raus aus diesem Ort.
Plötzlich hörte ich hinter mir ein dumpfes Geräusch wie beim Aufkommen eins Mehlsackes. Und ein Schrei.
Ich drehte mich um.
Scorpius lag am Boden, er war über einen Stein gestolpert. Er blutete am Bein und der Schmerz stand ihm ins Gesicht geschrieben.
"Komm hoch!", rief ich und reichte ihm meine Hand. Tatsächlich nahm er an und ich zog ihn auf die Beine.
"Danke", meinte er und lächelte mich an. Ich war so erstaunt, dass ich gar nicht reagieren konnte. Aber Scorpius hatte noch mehr zu sagen: "Also nicht nur danke wegen jetzt, sondern auch weil du ... gekommen bist, um mich zu suchen."
Ich stand immer noch wie eingefroren da. Hatte Scorpius Malfoy sich gerade ernsthaft bei mir bedankt? Er?!
Der Sturz musste ihn ziemlich durcheinander gebracht haben.
Er richtete sich auf und klopfte sich ein wenig Schmutz von der Kleidung. Besorgt betrachtete er seinen Fuß.
Die Wunde sah schmerzhaft aus.
"Geht's?", fragte ich. Doch in dem Moment unterbrach uns ein Knacken.
Ein schreckliches, gefährliches Knacken!

"Ahhh!", wir schrien während wir hilflos wegstolperten.
Die Decke stürzte ab. Kleine Brocken und Putz rieselten auf uns herab.
Wir liefen panisch weg, die Hände über dem Kopf verschränkt. Scorpius hüpfte und trat abwechselnd auf.
"Einsturzgefahr! Die machen so ein Schild nicht umsonst dran!", rief ich.
"Ach was!", entgegnete Scorpius.
Ich war schneller als er und deswegen sah ich das Übel zu erst.
"Oh nein!", rief ich.
"Was ist?", fragte Scorpius, der mich eingeholt hatte. Als er die zugeschüttete Tür sah, erstarrte er.
"Scheiße", war alles, was er hervorbrachte.

Und während die Wände und die Decke einstürzten, liefen wir in einem Labyrinth aus Mauern umher, auf der Suche nach einem anderen Ausgang.
Mein Herz beschleunigte sich so sehr, dass ich dachte, es stelle einen neuen Weltrekord auf.
Was, wenn wir zugeschüttet wurden? Wenn wir eingesperrt wurden?  Wenn uns niemand hörte? Wenn ich die letzten Minuten meines Lebens mit einem arroganten Arschloch verbringen musste?
"Schneller!", rief das arrogante Arschloch und zerrte mich am Arm weiter. Gerade noch rechtzeitig, denn genau über der Stelle, wo ich bis vor wenigen Sekunden stand, waren nun nur Gestein und aufgewirbelter Staub.
Trotz seiner Beinverletzung war Scorpius erstaunlich schnell. Wir liefen durch die Gänge bis er plötzlich stehen blieb.
"Da!", rief er und zeigte auf ein unverglastes Fenster.
"Das ist zu gefährlich, das schaffen wir niemals!", rief ich, denn es war kaum zwei Meter von der einstürzenden Decke entfernt. Und wir standen mindestens fünfzig Meter weiter. Der Staub rieselte immer noch von oben. Ich sah mich um. Es gab keinen Ausweg. Oder zumindest keinen anderen Ausweg.
Ich sah, wie Scorpius die Gefahr abschätzte, dann drehte er sich zu mir.
"Das ist die einzige Chance. Was haben wir zu verlieren?", fragte er.
"Unser Leben?!", rief ich entgeistert.
"Wenn wir nichts tun, sterben wir auf jeden Fall. Also ich mach's!", rief er entschlossen und rannte los.
"Warte!", schrie ich hinterher und begann zu laufen.
Wir mussten den Steinen ausweichen und hatten nicht mehr viel Zeit.
Ein riesiger Block landete unter dem Fenster und versperrte ein Viertel davon! Und es kamen immer mehr!
Scorpius erreichte das Fenster und begann zu klettern. Der Ausgang, unsere einzige Rettung, wurde immer kleiner!
Ich riss mich noch einmal zusammen und zwang mich, schneller zu laufen. Der Staub brannte in meiner Lunge, aber ich musste weiter. Das war die einzige Chance!
Scorpius war draußen, ich erreichte das Fenster. Die Öffnung war kaum noch halb so groß wie vorher. Aber ich war klein. Mit schwitzen Händen begann ich, hinauszuklettern. Kleine Steine fielen mir in den Nacken. Von außen packte Scorpius meine Hand. Ich zog das letzte Bein durch das Fenster und sprang ins Freie!

Keuchend liefen wir weiter, raus aus dem Gelände. Das Fenster war zugeschüttet und wir beobachteten aus sicherer Entfernung wie die gesamte Lagerhalle zusammenbrach. Es machte einen fürchterlich Lärm, aber mein Keuchen kam mir noch lauter vor.
Volkommen erschöpft setzen wir uns auf die Bank, auf der ich vorhin allein gesessen hatte.
"Das war knapp", sagte Scorpius und ich nickte. Mehr brachte ich nicht heraus. Meine Hände zitterten immer noch.
Scorpius sah schlecht aus. Er war blass erschöpft und das Entsetzen war ihm deutlich anzusehen, auch wenn er versuchte, es zu verbergen.
"Aquamenti!", rief er und säuberte seine Wunde mit dem Wasserstrahl seines Zauberstabs.
Danach zauberte er sich einen Verband und bewegte seinen Fuß vorsichtig.
"Geht's dir gut?", fragte ich.
"Wenn wie bedenken, dass wir gerade dem Tod um Haaresbreite entgangen sind - dann ja, es geht mir verhältnismäßig gut. Denn neben dir zu sitzen ist immer noch einen winzigen Tick besser, als  von Steinen verschüttet zu werden."
Ich ging nicht auf seinen spitzen Kommentar ein.
"Wollen wir los?", fragte ich stattdessen sachlich.
"Noch fünf Minuten", entgegnete er, "Dann können wir gehen!"

HP Next Generation - Harry war gestern, jetzt komme ich! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt