Vorfreude ?

209 20 0
                                    

Scorpius' Sicht

Der erste Teil der Woche vor den Ferien war der Horror. Ich wusste nicht, wie ich mich fühlen sollte. Sollte ich Angst haben oder sollte es mir gleichgültig sein ? Sollte ich traurig oder wütend sein? Sollte ich es akzeptieren oder irgendwo in mir noch ein kleines bisschen Ehrgeiz finden?
Aber egal wie stark mein Herz auch wollte, dass ich etwas gegen die entgültige Katastrophe tat, so sehr wehrte sich mein Verstand dagegen und meinte, es wäre eh hoffnungslos.
Ich hatte Angst, dass die Welt, wie wir sie kannten, auseinanderbrechen würde. Albus und ich versuchten uns so gut es ging abzulenken. Und es funktionierte sogar.
Irgendwann gab ich mich dem allgemeinen Sog hin. Ich dachte nicht mehr an die Geister und Todesser und  verbannte sie in die hintersten Ecken meines Unterbewusstseins.
Ich half beim Dekorieren der Weihnachtsbäume und begleitete Albus zum Quidditsch. Ich riss weiterhin meine Witze und die
Angespanntheit der letzten Tage legte ich ab.  Ich lachte wieder mehr und dachte an andere Dinge.
Ich brauchte mich nicht um Dinge zu kümmern, in die ich zufällig hineingeraten war. Ich hatte auch ein eigenes Leben mit anderen Problemen und anderen Höhepunkten.
Damian war immer noch sauer und wir stritten uns tagtäglich, doch ich genoss die Einfachheit dieses Problems. Klingt seltsam, was? Ist es auch. Aber ich hatte gelernt, diese kleinen Probleme zu schätzen. Sie waren okay. An ihrer Lösung verzweifelte man nicht. Man konnte sie bewältigen.
Und so kam der Tag der Abreise. Die Koffer waren gepackt, die Handynummern ausgetauscht und die Vorfreude mehr oder weniger groß.
Albus war nervös, seinen Eltern gegenüberzutreten, jetzt wo er in Slytherin war. Und wir waren beide traurig, dass wir uns wahrscheinlich zwei Wochen lang nicht sehen konnten, aber all diese Gedanken wurden überspült vom nahenden Fest. Weihnachten rückte näher und unsere Hauptnahrungsmittel waren zur Zeit Lebkuchen und Plätzchen.
Ich schleppte meinen Koffer gerade die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinunter, als ich Damian dort entdeckte. Sofort verkrampfte sich mein Magen. Wie lange würde das noch so weitergehen?
Und bevor ich begriff, was ich tat, rief ich ihn.
Damian drehte sich um.
"Egal, was du willst, Malfoy, die Antwort ist nein!", sagte er grimmig.
"Also...nimmst du meine Entschuldigung nicht an?", fragte ich nervös.
"Welche Entschuldigung denn, bis jetzt hab ich noch keine gehört", erwiderte er.
Puh, der Junge machte es einem echt schwer. Auf jeden Fall kratzte ich irgendwo einige Worte zusammen und meinte: "Es...tut mir leid, dass...ich immer nur an mich gedacht habe...und es für selbstverständlich angesehen hab, dass du mein Freund wärst...und ich kann es zwar nicht wieder gut machen, ...aber kannst du mir noch mal verzeihen. Bitte?"
Für einen Moment schien Damian sprachlos und es war plötzlich so leise, dass ich mich nicht traute, zu atmen.
"U-und?", fragte ich nach einer Weile, als ich es nicht mehr aushielt und meine Stimme zitterte.
Ein ganz dünnes, etwas bitteres Lächeln zog sich über Damians Lippen.
"Ich werd's mir überlegen", sagte er und drehte sich um.
Ich blieb auf der Treppe stehen wie bestellt und nicht abgeholt.
Von hinten kam Albus mit seinem Koffer auf mich zu.
"Wow. Das hätte ich jetzt nicht erwartet", meinte er.
"Dass Damian so nachtragend sein kann?", fragte ich.
Er schüttelte den Kopf und stellte sich neben mich.
"Nein", sagte er, "dass du dich entschuldigst."
Ich sah ihn erstaunt an.
"Wieso?", fragte ich und er antwortete mit einem Grinsen: "Willst du die nette oder die ehrliche Antwort?"
"Hmm...da nehm ich die Ehrliche", antwortete ich.
"Wirklich?"
Ich nickte.
"Okay, ich hätte geglaubt, dass du zu stolz bist, um dich zu entschuldigen. Und ich hätte eher von dir erwartet, dass du die Sache auf sich beruhen lässt und abgewartet hättest, bis die Zeit irgendwann alles regelt."
Oh. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Aber ich war auch nicht wütend. Seltsam. Stattdessen fühlte ich eher ... Dankbarkeit?
"Das ist schön", sagte ich.
"Geht's dir noch gut?", fragte Albus erstaunt.
Ich lachte.
"Ja, es ist nur schön, dass wir ehrlich zueinander sein können. Und du hast recht. Das, was du gesagt hast, klingt eher nach mir."
Er lächelte.
"Tja, Zeit verändert Menschen", antwortete er mir, ohne mir in die Augen zu schauen.
"Redest du von Menschen im Allgemeinen oder von irgendjemand Speziellem?", hakte ich nach, denn ich hatte das Gefühl, dass es nicht nur um mich ging.
"Warum fragst du?", versuchte er mir auszuweichen.
"Du", antwortete ich, "Auch du hast dich verändert."
"Meinst du?"
Seine Stimme klang irgendwie zittrig.
Ich nickte.
"Zum Guten oder zum Schlechten?", fragte er.
Ich lächelte.
"Zu dir selbst, zum Guten."
Jetzt lächelte er auch und sah mich wieder an.
"Dann frag mal Rose Weasley. Ihrer Meinung nach bin ich das größte Arschloch der ganzen Menschheitsgeschichte", meinte er bitter.
"Nicht der ganzen Menschheitsgeschichte. Ich würde es eher nur auf das Gebiet von Hogwarts beschränken", grinste ich und er schubste mich freundschaftlich zur Seite.
"Du bist gemein", meinte er grinsend.
"Danke, hab ich von dir gelernt", grinste ich zurück.
Dann trat jemand in den Gemeinschaftsraum.
"Kommt ihr, ihr zwei? Alle sind schon los!", rief Belly.
Ich sah mich um. Tatsächlich waren alle schon weg. Wir stiegen die Treppe runter und Belly eilte voraus.
Als sie nicht mehr zu sehen war, sagte ich zu Albus: "Lass Rose Rose sein. Jede Rose hat auch ihre Dornen."
Albus lachte.
"Seit wann bist du Poet?"
Ich lachte auch.
"Was ich sagen will, ist, dass Rose schon viel zu viel unserer Zeit verschwendet hat. Man sollte sich im Leben nicht so sehr Gedanken über sie schlechten Dinge machen, sondern sich eher auf die Guten konzentrieren. Das wird schon, das mit deinen Eltern. Und James ist auch nicht sauer, weil du in Slytherin bist. Mach dir keine Sorgen."
"Schön wär's", meinte er mit einem traurigen Lächeln, "Glaubst du, James hat die Karte und den Umhang gefunden und weiß, dass wir es waren, die ihm das Zeug genommen haben?"
Ich zuckte mit den Schultern: "Wer weiß, wer weiß..."
"Denkst du, er wird böse sein?", wollte Albus wissen.
Ich schüttelte den Kopf: "Er hat das Zeug doch selbst von seinem Vater gestohlen, also glaube ich, dass er es verstehen wird. Du wirst schon sehen, alles wird gut."
Er lächelte.
"Danke", meinte er, "und du solltest dir auch keine Sorgen wegen Damian machen. Ich bin mir sicher, nach den Ferien wird er dir verziehen haben...aber jetzt sollten wir uns auf den Weg machen, sonst kommen wir noch zu spät."
Ich nickte.
Wir verließen den Gemeinschaftsraum mit einem letzten Blick hinein.
In Gedanken verabschiedete ich mich von ihm, dann stürmten wir die Treppen runter.

HP Next Generation - Harry war gestern, jetzt komme ich! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt