„Was machen wir jetzt?", fragte ich verzweifelt zu Jane.
Sie seufzte: „Kennst du jemanden der das reparieren könnte?"
Ich schüttelte den Kopf.
„War ja nicht anders zu erwarten. Du solltest echt mehr unter Menschen gehen Kate."
„Hey! Nur weil ich gerne lese heißt das noch lange nicht, dass ich ein Eigenbrötler bin."
„Nein, aber weil du kaum Leute kennst merkt man sofort, dass du dich die meiste Zeit irgendwo hinter Büchern versteckst."
Ich verdrehte die Augen. Ich hatte nun echt keine Lust über mein fehlendes Interesse an menschlicher Gesellschaft zu sprechen. „Kennst DU vielleicht jemanden der uns die Tür reparieren kann?"
„Klar. Ich habe ihn schon angerufen. Er kommt heute Abend vorbei."
Ich blickte sie erstaunt an. „Wieso hast du mich dann gefragt ob ich jemanden kenne?"
„Weil du endlich einmal bemerken sollst wie wenig du mit anderen redest."
Ich verdrehte die Augen erneut. „Das ist wohl mein Problem."
„Nein, als deine wohl einzige sehr gute Freundin und somit als deine aller beste Freundin ist dies auch meine Angelegenheit."
„Ja, ja...", ich versuchte das Thema zu wechseln: „Ich werde hier wohl bis zum Mittag warten müssen, damit niemand einfach in unsere Wohnung spaziert. Kannst du mich dann ablösen? Ich muss zwar nicht unbedingt zur Uni, aber den Teilzeitjob kann ich nicht ausfallen lassen"
„Klar kann ich das machen. Nun wieder zurück zum Thema..." Sie war einfach unverbesserlich und so stur wie ein Maulesel.
„Nein, Jane bitte nicht. Du weißt ganz genau, dass es mir schwerfällt mich auf andere einzulassen."
„Deshalb hattest du auch noch nie einen Freund."
Und da waren wir auch schon bei Janes Lieblingsthema Nummer eins, wenigstens konnte ich dieser Behauptung widersprechen: „Ich hatte einen Freund."
„Ach ja? Und wieso kenne ich ihn dann nicht?"
„Weil ich dich damals noch nicht gekannt habe, jung und naiv war und dem Scheißkerl geglaubt habe, obwohl er das reinste Arschloch war!"
„Entschuldigung." Jane sah ehrlich zerknirscht aus.
Ich winkte ab. Eigentlich hätte ich längst den Verrat vergessen müssen, doch irgendwie war es wohl wie ein kleines Kindheitstrauma für mich, von dem ich einfach nicht loskam. „Musst du nicht gehen?"
Jane blickte auf ihr Handy und Panik stahl sich in ihren Blick. „Oh Verdammt! Tschau!" Ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte sie durch den Rahmen in den normalerweise die Tür hing. Ich seufzte. Das konnte ja ein heiterer Tag werden.
Ich ging in mein Schlafzimmer um meine Brille zu holen. Erst als ich auf den Boden die Bescherung sah, fiel mir wieder ein, dass ich sie ja gestern zerstört hatte. Ich räumte die Scherben weg und versuchte mir irgendwie auszurechnen wie ich mir eine neue Brille leisten konnte, doch es fiel mir einfach kein Plan ein. Also schnappte ich mir das Buch "Pride and Predjidice" und begann es am Küchentisch zu lesen. Die neugierigen Mitbewohner des Hauses, die dabei ab und an im Rahmen der Tür auftauchten um hereinzuspähen, beachtete ich einfach nicht.
Ich war gerade dabei vollkommen in den beschriebenen Ballsaal im Buch zu versinken, als es an der Tür klopfte. Besser gesagt klopfte jemand an den Rahmen der nicht mehr vorhandenen Tür. Ich wandte mich um und fragte immer noch mit den Gedanken beim Buch: „Bitte wie kann ich Ihnen helfen?"Als ich zur Tür schaute, traute ich meinen Augen kaum.Ein Lieferbote mit einem riesigen Strauß weißer Rosen stand dort. Es warenmindestens vierzig Stück alle fein säuberlich zusammengebunden.
„Eine Lieferung für Sie, Miss."
„Ich habe sicherlich nichts bestellt.", meinte ichvollkommen perplex und lief mit leicht geröteten Wangen zur Tür. Der jungeBote, der gerade mal etwa zwanzig sein konnte, wirkte ja sehr charmant mitseinem dunkelbraunen Haar und dem blankpolierten Smoking, doch bezahlen würdeich diesen Strauß sicher nicht können. Vielleicht hatte er sich ja geirrt? Ineiner solchen Gegend in der Jane und ich lebten, konnte ganz sicher niemandeinen so teuren Blumenlieferservice in Anspruch nehmen, bei dem die Arbeitersogar Smokings tragen mussten.
„Nein Miss, Sie haben nichts bestellt. Ich stellediese Blumen als Geschenk von jemanden für Sie zu." Er lächelte höflich, dochich glaubte ihm immer noch nicht so recht, dass er wirklich die richtigeAdresse hatte. Wer sollte mir bitte Blumen schenken? Noch dazu weiße Rosen, diescheinbar per Hand ausgelesen waren, denn sie befanden sich alle in ihrerschönsten Blütezeit.
„Sind Sie sich sicher? Ich kenne keine Person diemir so etwas schicken würden.", fragte ich den Boten also mit einerhochgezogenen Augenbraue.
„Absolut Miss. Eine Verwechslung liegt auf keinenFall vor." Er lächelte so selbstsicher, dass ich ihm einfach glauben musste.
„Wenn es ein Lieferfehler ist werde ich jedochnicht die Kosten übernehmen.", erklärte ich trotzdem vorsichtshalber.
Der Bote schien mit einem Lachanfall zu kämpfen,doch er kaschierte ihn gut. Einzig die stetig nach oben zuckenden Mundwinkelverrieten ihn. „Wenn Sie wirklich nicht die Adressatin wären, dann wäre diesnatürlich nicht Ihre Schuld, weswegen Sie auf keinen Fall Kosten übernehmenmüssten."
Ich nickte und griff endlich vorsichtig nach demgroßen weißen Strauß. Bis jetzt hatte ich vielleicht einmal eine Rose oderdergleichen bekommen oder eine einzige Tulpe für das Zimmer gekauft, wenn wirwirklich sehr gut bei Kasse waren, doch noch nie hatte ich so viele Rosen aufeinmal und erst recht nicht in dieser wunderschönen Qualität besessen. Der Botewollte jedoch noch immer nicht verschwinden. Ich drehte mich um und blickte ihnfragend an.
„Ich habe noch eine Karte für Sie."
Vielleicht war das ja des Rätsels Lösung. Ich nahmsie dankend an und mit einer eleganten Verbeugung verabschiedete sich derLieferjunge. Ich selbst blieb perplex im offenen Zimmer stehen. Als ersteslegte ich die Blumen notgedrungen auf den Tisch, dann betrachtete ich dieKarte. Sie steckte in einem dicken schweren Umschlag. Ich fuhr mit den Fingerüber das perlweiße Papier. Die Oberfläche fühlte sich so glatt und weich an alshätte man den Umschlag mit Seide bezogen. Als ich ihn vorsichtig öffnete unddie Karte herausholte war mein Staunen noch größer. Silberne Rosenranken zogensich elegant über das weiße Papier der Karte. Als ich darüber fuhr konnte ichdie winzigen Erhebungen spüren. Die Karte war wunderschön. Noch vorsichtigerklappte ich sie auf. Im Inneren war in silberner verschnörkelter Handschrift zulesen:
"Bitte verzeihmir. Lass uns das Geschehene vergessen und einen Neuanfang wagen."
Eine Unterschrift oderauch nur ein Hinweis auf den Absender war nicht vorhanden.
Ganz klar, hier lag eine Verwechslung vor. Wer inGottes Namen sollte sich so bei mir entschuldigen? Ein normaler Mensch wäreeinfach bei mir vorbeigekommen, hätte was zu Essen mitgebracht um michweichzukochen, sich dann entschuldigt und die Sache wäre wortwörtlich gegessengewesen. Keiner käme auf die sinnlose und furchtbar teure Idee mir einen Straußvoller weißer Rosen liefern zulassen, mit einer Entschuldigungskarte bei dernicht einmal der Absender drauf stand. Trotzdem diese Blumen waren sehr schön.
Ich beschloss sie aufzuheben und schmiss den altenWildblumenstrauß weg, der nun fast vollkommen verwelkt war und setztestattdessen die Rosen in den pinken Plastikbecher auf den Tisch. Es dauerteeine Ewigkeit bis der Becher wieder von alleine stehen blieb. Die Rosen warenviel schwerer als die Wildblumen und so musste das Gewicht zu allen Seiten fastperfekt ausgeglichen sein. Die Zeit verging schnell während des Zurechtzupfensder Rosen. Eh ich mich versah klopfte es bereits ein weiteres Mal an denTürrahmen und Jane trat ein. Im Gegensatz zu gestern sah sie nun wieder gutaus. Sie grinste sogar breit als sie eintrat. Leider wirkte diese Fröhlichkeitetwas gespielt, denn wie konnte es ihr nach einem solchen Abend einfach wiederblendend gehen? Aber anscheinend kam sie relativ gut mit der Trennung zurecht.Ihr Blick wanderte durch das Zimmer und blieb an den teuren Blumenstraußhängen. „Woher hast du denn den?", fragte sie mit fast tonloser Stimme.
Von wem wohl die Rosen stammen? Stört es euch, dass die Kapitel aufgeteilt werden oder denkt ihr auch, dass ohne diese Aufteilung, die Kapitel viel zu lange für Wattpad sind? Vielen Dank für die zwei Votes.
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Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler Reihe
VampireUmgeben von der Dunkelheit, gefangen in den Armen eines Vampiroberhaupts und vermählt mit dem Tod, der sie auf Schritt und Tritt begleitet. Kates gesamtes Leben wurde in ein blutiges, dunkles Sein gerissen und sie steht mit all den zerbrechlichen Ho...