Verzeih mir

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In diesem Moment spürte ich wie mir alles zu viel wurde. Ich fühlte mich so einsam und vollkommen verlassen von der gesamten Welt. Ich hatte meine Freundin verloren, die einzige Person die ich gedacht hatte vollkommen zu kennen und zu verstehen. Meine Muskeln begannen zu zittern, doch ich schaffte es weiterhin aufrechtzustehen. Ich durfte jetzt nicht einfach in mich zusammenfallen wie ein instabiles Kartenhaus. Auch wenn ich mich wie ein Häufchen Elend fühlte, durfte ich das auf keinen Fall zeigen. Ich durfte die harte Fassade in der Öffentlichkeit nicht fallen lassen, denn ich war keine normale Studentin mehr, die ihr Leid in die Welt hinausschreien durfte. Ich war ein Monster in einer dunklen Welt ohne Licht. Trotzdem spürte ich den Schmerz und die Trauer in mir so wie man eine klaffende Wunde nicht ignorieren kann. Selbstsüchtig wünschte ich mir tief in meinen Inneren eine Schulter, an der ich mich festhalten könnte, jemand der mich unterstützen könnte, doch so jemanden besaß ich nicht mehr. Jane war nicht mehr meine Freundin, Damian sah mich als Verräterin und die anderen, Elfe, Einstein, Bär und Schlange durfte ich nicht mit meinen Gefühlen belasten. Sie hatten eine harte Ausbildung vor sich und sollten sich nicht auch noch mit meinen Problemen herumschlagen. Meine Schwierigkeiten würden sie nur lähmen und das durfte ich nicht zulassen, denn es war immer noch möglich das sie bei ihrer Ausbildung verletzt oder gar getötet wurden, wenn sie unaufmerksam waren. Ich war alleine, mal wieder.
Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief durch, doch meine aufgewühlten Gedanken ließen sich nicht mehr ordnen. Eine wilde Panik ergriff von mir Besitz, denn ich wollte nicht alleine sein, ich durfte einfach nicht alleine sein! Die übliche gelassene Fassade fing trotz meiner Anstrengungen an zu bröckeln, mein gesamter Körper begann zu zucken, je mehr ich versuchte mich zu beruhigen. Ich schaffte das Ganze hier einfach nicht mehr! Das wuchs mir alles über den Kopf hinaus! Nein, eigentlich war mir die Situation schon längst über den Kopf hinausgewachsen! Was sollte ich denn nun bitte tun? Was sollte ich mit meinen verdammten Leben denn noch anstellen? Ich hatte Jane vollkommen verloren. Ich hatte sie im Stich gelassen. Meine Familie bestand wohl aus irgendwelchen Mördern die ganze Horden von Vampiren abgeschlachtet hatten und ich hatte soeben irgendeinen Ritus hinter mir der mich an das Vampiroberhaupt gebunden hatte und dieses Vampiroberhaupt dachte auch noch ich hätte ihn verraten. Das hatte ich ja ganz klasse hinbekommen! Meine Hände zitterten immer stärker und die Maske auf meinen Gesicht fing an zu verrutschen, doch noch konnte ich den Mund halten. Noch konnte ich den Schrei in mir zurückdrängen.
Ich musste von hier weg! Wenn ich weiter hier bleiben würde, würde ich noch anfangen in aller Öffentlichkeit Schwäche zu zeigen, die mir wahrscheinlich das Leben kosten würde. Ohne darüber nachzudenken tat ich den ersten Schritt in Richtung Treppe, doch mein gesamter Körper zitterte immer noch, sodass ich stolperte. Ich sah wie der Boden näher kam, ein blutroter Teppich unter dem harte Steine waren. Ich streckte die Arme aus. Ich war so erbärmlich! Jetzt konnte ich nicht einmal mehr laufen und dass obwohl ich andere verletzt hatte und nicht ich verletzt worden war. Mit meinen Taten, ob nun beabsichtigt oder nicht, hatte ich meine beste Freundin und Damian verraten. Ich war der Verbrecher und verdiente den Schmerz. Ich ließ meine Hände wieder sinken. Mir war es egal ob ich mit den Gesicht zuerst auf den Boden aufschlagen würde. Um ehrlich zu sein hatte ich es gar nicht anders verdient. Da hielten mich auf einmal zwei starke Hände fest. Vorsichtig wurde ich wieder auf meine Beine gestellt, doch meine gesamten Muskeln zitterten immer noch, weswegen die Hände weiterhin fest meine Taille umschlangen und mich stützten.
Verwirrt blickte ich auf und sah in harte granitgraue Augen. Wieso konnte das Schicksal nicht einmal gnädig mit mir sein? Wieso hatte es mir wenigstens nicht diesen Schmerz ersparen können? Es tat so unbeschreiblich weh in die harten Augen von Damian zu schauen und zu wissen, dass man selbst für diesen Ausdruck verantwortlich war. Das man selbst ohne es zu wissen die aufkeimende Beziehung zerstört hatte und das er mich nun hasste. Das schlimmste jedoch war, das der Schaden irreparabel war. Er würde mir wohl niemals in meinen gesamten so kurzen menschlichen Leben verzeihen können. Ich blickte zu Boden und fühlte mich so unbeschreiblich leer in meinem Inneren.
"Was sollte das?", fragte Damian leise und zornig.
"Was sollte was?", meine Stimme klang hohl, nur noch wie ein Schatten meiner einstigen Entschlossenheit. Gleich würde er mir wohl vorwerfen, dass ich ihn vor allen Leuten blamiert hatte, weil ich ihm nicht sofort die Treue geschworen hatte. Ich zuckte bereits innerlich davor zusammen, obwohl er natürlich das Recht dazu hatte mich zu bestrafen. Was erwartete ich auch anders? Ich hatte ihn verraten, jedenfalls dachte er das und in gewisser Hinsicht stimmte das ja auch. Es war alles meine Schuld.
"Was sollte das eben?!", zischte Damian noch wütender.
Ich schwieg betroffen. Wie sollte ich ihm meinen Gedankengang bei der Feier erklären? Wie sollte ich ihm sagen was ich gedacht hatte? Das er damals in meinen Augen der Verräter gewesen war. Wenn ich das sagen täte, würde ich ihn nur verletzten, also schwieg ich.
"Schau mir in die Augen, wenn ich mit dir rede!", befahl Damian wütend.
Ich tat wie mir befohlen und blickte in die granitgrauen Augen. Innerliche schmerzte mich dieser Anblick wie ein langsamer Schnitt mit dem Messer. Wie oft hatte ich ihm schon in die Augen geschaut und gewünscht, dass er etwas für mich empfand? Nun empfand er etwas für mich, aber das war wohl nur reine Wut und vielleicht auch noch Ekel und Abscheu. Mehr konnte ich auch nicht von ihm verlangen nach all dem was passiert war.
"Was hast du dir dabei gedacht?!"
Wieder schwieg ich. Tja, was hatte ich gedacht? Was hatte ich mir eigentlich jemals gedacht? Wahrscheinlich rein gar nichts. Automatisch wollte ich wieder den Boden zu meinen Füßen betrachten, damit ich Damian nicht in die Augen sehen musste, doch ich zwang mich dazu ihm weiterhin ins Gesicht zu blicken. Meine Muskeln jedoch wollten nicht aufhören zu zittern und hätte mich Damian nicht immer noch festgehalten wäre ich wohl zu Boden gesunken.
"Hörst du mir überhaupt zu?!", Damians Stimme war nun wirklich sehr verärgert. Ich zuckte zusammen und musterte einen Punkt neben seinen Kopf an der Wand um nicht länger diesen Schmerz und die Schuld zu spüren, wenn ich ihn ansah. Am liebsten hätte ich mich wie ein kleines Kind irgendwo zusammengekauert und laut geweint. All das war ja so lächerlich von mir!
"Hey.", Damians Stimme wurde auf einmal merkwürdig weich. Verwundert blickte ich ihn an und erkannte etwas in seinen Augen und auf seinen Gesichtszügen, dass ich nicht verstand.
"Wieso wolltest du dich nicht abfangen?"
Ich starrte Damian verwirrt an, runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach, was er meinte, denn
ich hatte wirklich keine Ahnung wovon er sprach.
Damian schien dies zu bemerken, denn er fragte sofort nach: "Wieso hast du deine Arme ausgestreckt und dann wieder eingezogen als du gefallen bist?"
Mist! Er hatte es bemerkt. Was sollte ich ihm nun sagen? Wenn er schon deswegen so wütend war, wie würde es wohl in der Zukunft werden? Ich zuckte mit den Achseln. "Ich hätte den Schmerz verdient gehabt und vielleicht hätte er mich wieder klar denken lassen können. Ich war emotional zu aufgewühlt."
Damians Blick wurde eisig. "Du wirst nie wieder dir selber einfach so Schmerzen zufügen oder zufügen lassen! Verstanden!?" Seine Stimme war gefährlich leise und scharf.
"Ich verstehe.", antwortet ich und ertrug es nicht länger nach oben zu schauen, sondern musterte meine Hände.
"Du bist nun meine Auszubildende. Ich erwarte von dir ein vorbildliches Verhalten, damit deine Fehler nicht auf mich abfärben."
"Wie ihr wünscht Sir.", meine Stimme schwankte leicht als ich ihm antwortete. Seine Worte schnitten mir wie ein scharfes Messer in die Brust. Zu meiner großen Verärgerung schaffte ich es nicht eine Träne zurückzuhalten. Schillernd lief sie über meine Wange und drückte all meine Trauer und meinen Schmerz aus. Wütend wollte ich sie wegwischen, doch Damian war schneller. Mit einer Hand unter meinen Kinn drückte er mein Gesicht nach oben und blickte mir streng in die Augen.
"Außerdem..." zu meinen Erstaunen legte sich ein winziges Lächeln um seine Lippen. "Außerdem bist du meine Geliebte und es ist somit deine Pflicht dich nicht zu verletzen, denn dein Schmerz ist auch meiner."
Ehe ich seine Worte auch nur begreifen konnte, beugte sich Damian zu mir herab und küsste die einzelne Träne von meiner Wange. Verwirrt blickte ich zu ihm auf und konnte keinen Gedanken greifen der mir all das hier erklären konnte, doch auch die fragenden Worte wollten mir nicht von der Zunge gehen zu erstaunt war ich.
Ich hörte Schritte und erleichtert über diese Ablenkung drehte ich mich um. Der Gang war längst leer, bis auf eine Person die auf die Treppe zulief. Elfe drehte sich kurz zu mir um und zwinkerte mir zu, dann grinste sie frech und rannte rasch die Treppenstufen hinauf. Ich starrte ihr hinterher und konnte immer noch nicht begreifen wie all das hier geschehen war.
Ich blickte in Damians Gesicht und meine wieder halbwegs geordnete Welt brach vollkommen zusammen. Auf Damians Gesicht hatte sich so etwas wie ein strahlendes Lächeln gebildet. Es hatte nichts mit den üblichen Raubtiergrinsen gemein, sondern er sah einfach irgendwie überglücklich und erleichtert aus. Nicht das das Lächeln nicht schön war und mein Herz nicht sofort dreifach so schnell schlug, aber Damian war mir nie wie der Typ vorgekommen der offen seine Gefühle zeigte. Er schien zu merken, dass ich einfach nur vollkommen verwirrt war und strich mir immer noch mit diesen Lächeln auf dem Lippen über den Kopf. "Vielleicht sollten wir die Unterhaltung in meinen Gemächern fortsetzen.", meinte er im sanften Tonfall, der der vollkommene Gegensatz zu dem Ton vorher war.
Ich war einfach nur vollkommen baff und nickte wie ein Roboter mit den Kopf und folgte ihm. Er führte mich ein Stockwerk höher und betrat gemeinsam mit mir einen Gang. Im Gegensatz zum unteren befand sich jedoch fast sogleich dort eine riesige Tür. Vor der Tür standen zwei Männer mit ausdruckslosen Mienen und so schwer bewaffnet als wollten sie eine ganze Armee alleine ausschalten. Im Gegensatz zu den anderen schwarzen Kampfmonturen die ich bis jetzt gesehen hatte waren diese jedoch nicht vollkommen schwarz. Auf der Rechten Brust hatte man mit silbernen Faden einen Drachen gestickt. Dieser Drache bildete mit seinem schlanken Körper ein S. Besonders auffällig waren jedoch seine Flügel. Im Gegensatz zu den einfach gehaltenen Körper waren diese großen Schwingen sehr detailliert und wunderschön ausgearbeitet. Die beiden Männer blinzelten nicht einmal als sie Damian erblickten. Wie zwei dunkle Schatten öffneten sie gleichzeitig die Tür und schlossen sie wieder, nachdem wir durch das Tor geschritten waren.
"Die beiden gehören zur Silberschwinge, meine persönliche Leibgarde. Nur eine Handvoll von mir persönlich ausgewählten Leuten dürfen dieser Gerade beitreten. Sie sind Profis und würden mich mit ihren Leben verteidigen."
Ich wusste nicht wieso Damian mir dies erzählte, doch ich nickte einfach und folgte ihm weiter wie ein braves Hündchen. Mein Gehirn hatte immer noch nicht wirklich begriffen was hier vor sich ging. Wir gingen zuerst an einigen Türen vorbei, bis Damian schließlich anhielt und eine Tür öffnete. Mit einer Handbewegung bat er mich einzutreten und ich folgte stumm seiner Anweisung, als sei ich eine Marionette und er der Marionettenspieler.
Das Zimmer war eigentlich sehr schön. Es wurde eindeutig meistens für Arbeitszwecke genutzt, doch trotzdem strahlte es etwas recht gemütliches aus. Es gab einen großen Tisch in der Mitte und zwölf Stühle um diesen. Jeder dieser Stühle war gepolstert und das schwarze Leder gab ihnen etwas elegantes. Ein dicker weißer Teppich zu unseren Füßen verschaffte das gemütliche in der Atmosphäre. An jeder Wand gab es mehrere Sessel, außer an einer Seite dort hing ein riesiger Bildschirm. Das einzige was mich störte, war das der Raum keine Fenster besaß. Einzig und allein das künstliche Licht der Lampen erfüllte den Raum. Es machte ihn zwar hell, doch konnte das Licht nicht ein Gefühl von Offenheit und Freude herstellen wie es große Fenster taten, sondern war nur ein schwacher Ersatz.
"Sollen wir uns vielleicht setzten?" Damian hatte die Tür hinter sich zugezogen. Mit einem Mal wirkte er etwas unruhig und seine sanfte Stimme wirkte etwas drängend. Ich ging auf einen Stuhl zu. Damian wollte ihn für mich zurückschieben, doch ich war schneller. Rasch setzte ich mich und rückte den Stuhl zurecht und Damian nahm gegenüber von mir Platz. Für eine längere Zeit herrschte einfach nur Schweigen. Ich schaute ihn an und er musterte mich. Ich hatte um ehrlich zu sein tausende Fragen im Kopf, doch wollte ich nicht die Stille brechen, denn ich hatte keine Ahnung wie ich die ganze Situation zu verstehen hatte und wollte Damian auf keinen Fall weiter verärgern.
Nach weiteren fünf Minuten Schweigen räusperte sich Damian endlich. Innerlich bereitet ich mich auf das allerschlimmste vor, doch auch eine andere Seite in mir war in den letzten Minuten erwacht. Die Seite die hoffte, die Seite die das Wort "Geliebte" gehört hatte und es nicht vergessen konnte.
"Ich schulde dir wohl eine Entschuldigung." Damian schaute mir direkt in die Augen und als ich die meinen vor Erstaunen weit aufriss fuhr er fort. "Elfe hat mich aus der Sitzung herausgeholt. Ich..." Er stoppte zuerst bevor er erneut den Faden aufnahm, fest entschlossen endlich klaren Tisch zu machen. "Ich habe um ehrlich zu sein nicht sofort kommen wollen. Die Sitzung war sehr wichtig und ich wollte nicht den zerbrechlichen Frieden zwischen den Clans schaden, doch Elfe hat mich in eine Situation gebracht wo ich nichts anderes machen konnte als ihr zu folgen. Keine Sorge sie hat vor den anderen dich nicht mit einem Wort erwähnt. Auf jeden Fall habe ich deine Unterhaltung mit Jane mitbekommen."
Meine Hände fingen an zu zittern und mein gesamter Körper spannte sich an. Auch das musste er noch mitgehört haben. Na das war ja ganz klasse.
"Bitte glaube mir es tut mir wirklich leid. Ich hätte vorher mehr Informationen herholen müssen, bevor ich dich beschuldigte mich verraten zu haben. Ich weiß so etwas kann man nicht einfach verzeihen und das im Gang..." Wieder schwieg er während ich versuchte meine Gedanken zu ordnen, die überall wie wild in meinen Kopf umherschwirrten.
"Ich hatte kein recht dazu dich Geliebte zu nennen, nicht nach all dem was ich dir angetan habe. Nicht nachdem ich dich des Verrates beschuldigt habe und wahrscheinlich auch nicht davor. Weißt du, es ist neu für mich, dass ich so viel für eine Person oder auch irgendetwas auf dieser Welt empfinde. Es lässt mich impulsiv handeln und ich kann meine Taten vorher nicht logisch überdenken. Ich war so zornig auf dich. Ich hätte dich beinahe in dieser Nacht auf der Lichtung umgebracht und jetzt erfahre ich das du wirklich keine Ahnung von deiner Herkunft hattest. Dein Gespräch mit Jane hat mir die Augen geöffnet. Es tut mir wirklich so leid. Ich weiß nicht was ich sagen soll, aber ich kann dich immer noch nicht in Frieden lassen. Ich kann es nicht ertragen, wenn ich dich nicht mehr sehen darf. Ich will nicht erneut in dieses graue Loch stürzen in dem ich jegliche Emotionen und Interesse am Leben vollkommen verliere. Deswegen kann ich dich auch nicht loslassen. Ich weiß es ist total selbstsüchtig und außerdem..."
Ich hob die Hand und unterbrach ihn. Er hatte mir längst genug Informationen gegeben um mein Gehirn vollkommen zu überlasten, doch trotzdem funktionierte aus irgendeinem erstaunlichen Grund meine Zunge und so stammelte ich: "Das meinst du nicht ernst, oder?" Ich konnte es nicht verhindern, dass meine Stimme zum Ende hin hoffnungsvoll klang. Würde er mich erneut zurückweisen, wenn ich ihm jetzt in mein Herz wieder ließe? Ich würde daran zerbrechen wenn er es täte, der Schaden würde mich zerstören, dass wusste ich instinktiv und ich wollte diese eine Entscheidung wenigstens noch ein paar Augenblicke hinauszuzögern, denn ich wusste ich würde mich in diese Gefahr begeben, wenn er eine Antwort forderte.
"Bitte, du musst mir glauben! Es tut mir so unendlich leid. Ich weiß nicht wie ich das jemals wieder gut machen soll."
"Das weiß ich auch nicht.", flüsterte ich. Dabei sprach ich jedoch nicht nur von ihm, sondern auch von mir und von Jane. Meine gesamte Welt lag in Trümmern und ich hatte keine Ahnung wie ich sie jemals wieder aufbauen sollte. Ich blickte durch all die zerbrochenen und zersplitterten Emotionen, wanderte durch den verrosteten Müll an Erinnerungen und entdeckte unter all den Trümmern auf einmal einen grünen Setzling. Er war noch so klein und reichte mir nicht einmal bis zum Knie, doch die Blätter verrieten mir das dieser Baum, wenn er weiter wachsen würde zu etwas mächtigen und riesigem werden konnte. In jedem der fünf Eichenblätter sah ich das Gesicht eines meiner Teammitglieder. Elfe, Schlange, Bär, Einstein und auch Wolf. Vielleicht war ja noch nicht alles zerstört. Mit einen Mal schienen die Trümmer der jungen Hoffnung Platz zu machen und es wurde ein Loch neben dem kleinen Baum im Boden frei. Ich schaute hinein und blickte dann in meine Hand und erkannte, dass ich einen Samen festumklammert hielt. Der Samen war bereits etwas aufgegangen und würde er nun nicht in fruchtbarer Erde landen, wäre er für immer zerstört.
Ich blickte auf zu Damian. Sein Gesicht war voller Qualen. Leise flüsterte er: "Ich kann nur beten, dass du mir eines Tages verzeihst und meine Entschuldigung annimmst. Es tut mir wirklich sehr leid. Ich liebe dich."
Und mit einem mal lächelte ich, denn ich wusste, dass ich es erneut versuchen musste. Ich wusste, dass dieser Samen in meiner Hand ohne Wasser und ohne Sonne nicht gedeihen würde, sondern erneut sterben. Doch das war immer so. Jede Hoffnung, jede Pflanze konnte immer eingehen, durch ein Unglück oder durch zu wenig Pflege. Das war immer das Risiko, doch wollte ich meine Welt für immer so kahl lassen? Wollte ich mich hinter den Trümmern meines Lebens verschanzen und nie wieder hervorkommen aus Angst verletzt zu werden. Ein Leben hinter all den Müll und den Schrott war auch kein Leben. Lieber ging ich die Gefahr ein erneut verletzt zu werden und dabei zu Grunde zu gehen, dafür aber wenigstens einen Moment wirklich zu leben, als hier hinter den Trümmern zu hausen. Ich beugte mich herab und setzte den Samen vorsichtig in die Erde.
"Es gibt nichts zu verzeihen", flüsterte ich mit einem Lächeln. Dann beugte ich mich vor und küsste Damian sanft auf den Mund.




Aus den Chroniken der Tagwandler - Ein Bericht eines Ratsmitglied:

Was soll ich sagen. Ich fühle mich sehr geehrt. Zu meinen Erstaunen wurde ich als Ratsmitglied gewählt. Doch bereits am ersten Tag musste ich erfahren, dass das nicht unbedingt heißt, dass ich sofort alles ändern kann. Im Gegenteil nur eine weitere Person im Rat denkt so wie ich und hofft auf eine Lösung mit Hilfe der Worte und ohne Gewalt. Die anderen zehn sind radikaler. In ihnen brodelt die Wut und der Zorn über die Taten die man ihnen angetan hat und das spiegelt sich auch in ihren Entscheidungen wieder. Bereits die erste ist mir persönlich viel zu radikal und blutig. Sie wollen über die Vampire richten, die ihrer Meinung nach es nicht mehr verdienen zu leben. Ich sehe ein, dass es um einiges gerechter wäre, wenn einige Vampire nicht existieren täten, doch können wir uns einfach aufschwingen und Richter und Henker zugleich spielen? Vielleicht haben sie recht, vielleicht auch nicht. Es wäre nicht mein angestrebter Weg gewesen, doch ich muss die Entscheidung der Mehrheit akzeptieren.

Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt