Diener, Patientin, Ausbildung? - 2

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Anmerkung: Evtl. ist jemand das neue Cover aufgefallen. Ein Lizenz freies Bild des alten Covers ist verschwunden, weswegen ich mich dazu entschlossen habe, dieses neue anzufertigen. Ich hoffe, dass es euch zumindest genauso gut gefällt.

Piep
Piep
Piep
„Wir sind auf Ruhepuls. Die Atmung ist regelmäßig."
Wer sprach da? Langsam öffnete ich die Augen und hatte dabei das Gefühl Sandsäcke schleppen zu müssen.
„Patientin ist aufgewacht."
Irgendein verschwommener Idiot in Krankenhausgrün wedelte mit einer Taschenlampe vor meinem Gesicht herum, während er meine Lider offen hielt. Er leuchtete erst in das eine, dann in das andere Auge. Danach legte er die Taschenlampe weg, hielt es aber für eine gute Idee vor meinem Gesicht zweimal wirr herum zu schnipsen. Ich blinzelte erschrocken und fauchte ihn an. Was sollte das?
„Reflexe normal."
Ernsthaft! Ich war direkt vor ihm! Wie wäre es, wenn er zur Abwechslung einmal mit mir sprach, anstatt zu irgendwelchen anderen Leuten in diesem Raum, die ich dank den verschwommenen Nebel um mich herum nicht sehen konnte.
„Können Sie mich hören?", fragte der Typ endlich an mich gewandt.
„Ja", krächzte ich mit einer Stimme, die sich anhörte, als hätte sie drei Jahre lang in einem Einmachglas geschmorrt.
„Wie heißen Sie?"
„Kate."
„Nachname?"
„Ich will mit meiner Familie nichts zu tun haben!"
„Nachnamen?"
„Nicht Ihre Sache."
Eine Tür wurde geschlossen, der Mann vor mir blickte verwirrt hinter sich und eine sehr bekannte, arrogante, tiefe Stimme befahl: „Machen Sie einfach weiter. In ein paar Tagen wird der Nachname offiziell nicht mehr zu Ihr gehören. Es ist außerdem fraglich, ob sie den Vornamen behält."
Der Mann vor mir nickte. Mittlerweile konnte ich sein lächerliches grünes Mützchen und seinen grauenhaften Operationskittel erkennen, der stark einem Bademantel ähnelte. Auf den Anblick hätte ich gerne verzichtet. Das Gesicht des Arztes war jedoch nicht gerade hässlich, sondern sehr attraktiv.
„Gibt es in dieser Welt etwa nur attraktive Leute?", fragte ich mich. Leider sprach ich das Ganze ausversehen laut aus und konnte förmlich spüren wie Damians Lippen sich zu einem belustigten Raubtiergrinsen kräuselten.
„Es scheint mir alles in Ordnung zu sein", erklärte Damian mit einer überraschend gut gelaunten Stimme.
Der Arzt nickte. „Wahrscheinlich leidet Sie noch unter leicht betäubten Sinnen. Aufstehen oder sich groß bewegen ist sicherlich noch nicht möglich. Vielleicht ist Ihr Sehsinn auch noch etwas eingeschränkt, nachdem Ihre Augen sich zum ersten Mal seit langer Zeit an das Licht gewöhnen müssen."
„Danke", erwiderte Damian mit einem freundlichen Nicken, dass ich ihm gar nicht zugetraut hätte. „Wenn Sie uns nun bitte alleine lassen würden?"
Der Arzt und einige weitere Füße, deren Besitzer ich im Neble nicht sehen konnte, verließen wortlos das Zimmer.
„Oh nein", stöhnte ich entsetzt auf. Ich wollte auf keinen Fall allein mit diesem... diesem Vampir sein, der versucht sich als mein Meister aufzuspielen!
Damian kam näher. Ich hörte seine langen eleganten Schritte. Panisch versuchte ich mich aufzusetzen, doch eine Hand drückte mich vorsichtig wieder hinunter.
„Schone dich noch ein bisschen. Das ist wohl die letzte Ruhe, die du bekommst."
Ängstlich schaute ich auf. Damian trug ein schwarzes T-Shirt, dass seine Armmuskulatur gut zur Schau stellte. Seine Haare hatte er zu einem festen Pferdeschwanz gebunden. Sein Anblick erinnerte mich an einen entschlossenen Samurai, nur dass dieser längst vergangene Kämpfer viel zu bekannte Gesichtszüge trug. Der Gedanke verflog rasend schnell, als Damian mit dem Zeigefinger sanft über meine Wange fuhr.
„Du wirst eine harte Zeit erleben. Halte durch, damit du deine Freundin retten kannst."
Ich biss wütend die Zähne zusammen. „Wart es nur ab! Ich werde Jane retten, auch wenn du denkst dass ich es nicht könnte."
Er lachte leise und strich mir noch einmal über die Wange. „Wenn ich denken würde, du würdest es nicht überleben, hätte ich dich niemals hierher gebracht. In diesem Falle wärst du nur ein sinnloses Opfer."
Ich knurrte.
„Ich glaube an dich."
Schneller als ein Gedanke, beugte Damian sich zu mir vor und hauchte einen zarten Kuss auf meine Stirn. Ich holte aus, um ihn zu schlagen, doch er war schon längst beim Ausgang. Mit lässigen Bewegungen und einem raubtierhaften Grinsen öffnete er die Tür.
Mir wurde ganz flau, als die Schmetterlinge in meinem Magen wieder anfingen zu tanzen. Wieso konnte mein Körper mir nicht einmal gehorchen?! Verärgert von meiner Reaktion und voller Scham wegen dem Kuss, rief ich ihm wütend nach: „Ich hasse dich! Irgendwann werde ich dich umbringen!"
Er blickte mich noch ein letztes Mal lächelnd an und erklärte: „Wie gesagt Hass ist ein guter Begleiter in der Finsternis. Allerdings bezweifle ich, dass du mich jemals umbringen wirst. Erstens, weil du es nicht kannst und zweitens, weil du es nicht tun möchtest."
"Aargh! Verflucht noch mal! Weißt du eigentlich..." Doch Damian ging bereits aus dem Zimmer, bevor die Flut von Schimpftiraden vollkommen über ihn hereinbrach. Trotzdem schrie ich einfach weiter die Tür an. Es tat einfach zu gut, die in mir aufgestauten Gefühle ins Freie zu schleudern. Leider wurde ich viel zu schnell müde. Die Wirkung des Schlafmittels hatte anscheinend noch nicht vollkommen nachgelassen und so nickte ich irgendwann immer wieder zwischen zwei Flüchen ein, bis ich schließlich vollkommen in der Traumwelt gefangen war.

Als ich aufwachte, fühlte ich mich erstaunlich kräftig. Ich setzte mich auf und streckte mich genüsslich. Jeder einzelne Muskel spannte sich wollig an. Mir fiel auf, dass sich mein Körper irgendwie anders anfühlte. Nicht in schlechter, sondern eher in positiver Hinsicht. Ich schaute mich im Raum um. Ich lag auf einem Krankenbett. Lauter Geräte, von denen ich nichts verstand, türmten sich an der Wand, doch sie schienen alles Ausgeschalten zu sein. Die Wände waren weiß und ein recht kleines Fenster gab einen Blick auf eine düstere Regenlandschaft frei. Dicke Nebelschwaben waberten über einen scheinbar unendlichen Nadelwald. Es fröstelte mich beim bloßen Anblick. Das war ganz sicher nicht meine Heimatsstadt, dafür gab es hier eindeutig zu viel Natur. Doch wo war ich dann? Was mir jedoch noch mehr Angst machte, waren die massiven Gitterstäbe hinter dem dicken Fensterglas. War ich hier etwa in einem Gefängnis und nicht in einem Krankenhaus? Ich blickte an mir herunter. Man hatte mich in einen weißen langärmlichen Pyjama gestopft. Von meinen eigenen Kleidern war im ganzen Zimmer nichts zu sehen. Ich wollte gerade aufstehen, um meine neue Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen, da öffnete sich die Tür.
Ein Arzt, jedenfalls seiner typischen weißen Kleidung nach, mit einem weißen Klemmbrett betrat den Raum. Er trug eine schwarze Brille, ob nur zur zierte oder weil er sie brauchte, wusste ich nicht. Er schien noch recht jung für einen Arzt zu sein. Seinem Äußeren nach war er an die fünfundzwanzig Jahre und hatte neben der Brille einen ausdruckslosen Blick aufgesetzt. Sein Haarschnitt erinnerte sehr stark an den von Elvis Presley. War er etwa ein so großer Fan, dass er seine mittelblonden Haare unbedingt so schneiden musste? Geflissentlich hielt er die Türe für... oh nein... Damian offen. Dieser betrat im Gegensatz zum Arzt das Zimmer mit einem arroganten Lächeln. Das musste einfach eine schlechte Angewohnheit von ihm sein und das schlimmste dabei war, dass mir dieses Lächeln gefiel. Der Kerl war sadistisch, rücksichtslos, ja skrupellos und wahrscheinlich hatte er noch nie etwas von einem Gewissen oder von einem "Über-Ich" gehört. Das wäre wohl auch längst bei seiner Arroganz gestorben und doch war er immer wieder charmant und nett zu mir. Wenn er es darauf anlegte, schaffte er es mit Sicherheit in mir Schmetterlinge tanzen, mein Herz hüpfen und meinen Puls rasen zu lassen.

Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt