Endlich - 3

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Einen Moment später verfluchte ich mich dafür, denn als ich die Person sah, die am Fenster stand, spielte natürlich auch noch mein Bauch verrückt. Das Kribbeln der Schmetterlingsflügel war fast unerträglich und ich wünschte, ich könnte irgendwie die überschüssige Energie ablassen. Damian drehte sich zu mir um. Oh mein Gott er sah ja so gut aus!
Hatte ich das jetzt ernsthaft gedacht!? Was ging hier vor! Hallo Vernunft an Gefühle, bitte verhaltet euch so ruhig wie möglich!
Damian kam einen Schritt auf mich zu. Ich hatte das Gefühl als würde mein Herz gleich aussetzen, dann lächelte er.
„Endlich", meinte er nur mit einem leicht schiefen Grinsen und ich plapperte los, ich hatte einfach zu viel Energie in mir: „Endlich? Wieso endlich? Endlich die letzte? Endlich bist du hier? Endlich kann ich die Türe schließen? Endlich habe ich Hunger?"
Was für einen Unsinn schwafelte ich da? Ging es noch schlimmer? Ach ja, ging es! Damian grinste nämlich nun raubtierhaft und kam noch einen Schritt auf mich zu.
„Nein, endlich sind wir alleine, obwohl ich gegen ein Häppchen nichts einzuwenden hätte", flüsterte er mir zu, während er sich kurz mit der Zunge über die Lippen leckte.
Okay, nun war die Panik oder was auch immer in mir hochkochte wirklich gewaltig. Ich hatte das Gefühl als würde gleich Dampf aus meinen Ohren hervorquellen und mein Kopf war sicherlich knallrot.
„Alles in Ordnung?", fragte er angesichts meines zweifellos irrkomischen Gesichtsausdrucks. Er schien sich wirklich Sorgen zu machen, doch er kam noch zwei Schritte näher.
Da kein Dampf aus meinen Ohren entweichen konnte und der Druck in mir immer noch zu groß war, explodierte ich in einem gewaltigen Wortschwall: „Alles bestens! Ich fühle mich total super! Ich könnte einen Stepptanz vor Freude aufführen! Ach, was sage ich! Singen könnte ich! Singen und gleichzeitig tanzen, einen Stepptanz, auf einen Bein und dabei singen, so laut wie möglich, so laut wie du willst, so laut, dass es selbst die Leute in China mitbekommen müssen und von ihren Pfefferplantaschen aufsehen müssen! Warte, ich meinte Tee, äh ich meinte natürlich Reisplantagen!"
Was für ein Unsinn war denn bitte das!? Meine Vernunft in mir meldete sich mit einem Entsetzensschrei und befahl mir auf der Stelle die Klappe zu halten. Ich gehorchte ihr. Um ehrlich zu sein hatte ich eh keine Ahnung, was ich nun tun sollte. Verlegen musterte ich den Boden und wünschte, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte, doch da durchbrach ein Lachen die Stille. Ich blickte auf.
Damian strich sich mit einer Hand das Haare zurück und lachte wie ich es noch nie von ihm gehört hatte. Seine Lachen war nicht fies. Er lachte mich nicht aus, sondern es war mit reiner Freude gefühlt. Seine granitgrauen Augen wurden weich und fingen an wie seltene Edelsteine zu funkeln. Ich selbst beruhigte mich zuerst, dann als er weiter lachte, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und stimmte mit ein.
Als wir uns annähernd wieder gefangen hatten, meinte Damian immer noch mit diesen weichen Augen, die er sonst nicht trug: „Ich habe dich vermisst."
Ich schaute ihn erstaunt an. Er hatte mich vermisst? Okay, er hatte gemeint, dass er mich interessant fand, aber wenn etwas interessant war bedeutet, dass nicht automatisch das man jemanden vermisste. Ich spürte wie es in meinem Bauch kribbelte, doch anstatt der Nervosität stieg eine Wärme in mir auf. Mein Gesicht wurde jedoch trotzdem rot und ich wandte mich ab. Doch innerlich strahlte ich.
Damian schien es nicht zu gefallen, dass ich ihn nicht länger anschaute, denn er kam zu mir, legte zwei Zeigefinger unter mein Kinn und drehte meinen Kopf so, dass ich ihn wieder ansah: „Hast du mich etwa nicht vermisst?", fragte er mit einem eisigen Blick, der mir Schauer über den Rücken warf.
Was sollte ich darauf antworten? Um ehrlich zu sein war ich die letzten Wochen zu beschäftigt gewesen, als dass ich irgendjemanden vermisst hätte. Ich hatte ihn verflucht dafür, dass er mir nicht sofort geholfen und Jane gerettet hatte, doch war ich zu mir ehrlich gewesen? Ich hatte Damian so viel öfters als Alex verflucht und der war ja der eigentliche Auslöser des Schlamassels gewesen. Hatte sich irgendetwas in meinem Inneren nach Damian gesehnt und sei es nur um ihn anzuschreien? Und dann hatte ich mich heute auch noch so merkwürdig verhalten...
Damians Miene verfinsterte sich angesichts meines Schweigens: „Magst du mich denn gar nicht?", fragte er nach und ich schluckte.
Wohin führte das Ganze denn jetzt? Hatte ich ihm nicht schon oft gesagt, dass ich ihn hasste? Was wollte er jetzt mit dieser Frage bewirken? Seine Miene verfinsterte sich noch weiter! Oh mein Gott! Ich brauchte eine Antwort! „Du bist das Vampiroberhaupt", brachte ich hervor.
„Stört dich das?", fragte Damian überrascht.
„Du hast so viel Macht! Du hast mich einfach aus meinem alten Leben herausgerissen! Ich verstehe dich einfach nicht! Mal bist du so lieb und nett und mal wieder so hinterhältig! Kannst du mich denn überhaupt mögen? Ich bin ein ganz normaler Mensch und du ein verdammter Vampirkönig oder so was, der so sexy ist, dass er jede haben könnte. Wirklich! Es gibt so viele bessere Möglichkeiten als mich! Schau dir zum Beispiel Elfe an! Sie sieht perfekt aus, ist klug und gefährlich und sie ist sogar manchmal arrogant und wirkt wie du raubtierhaft elegant in allem was sie tut!""
Damians Augen wurden wieder weicher. „So viele Gefühle", flüsterte er.
„Verdammt ja! Es sind so viele Gefühle, die du in mir auslöst! Ich würde dich am liebsten anschreien, weil du Jane nicht geholfen hast und mich stattdessen in dieses Trainingscamp gesteckt hast! Wann soll ich sie denn bitte selber befreien? Wenn sie vielleicht schon halb tot ist!? Gleichzeitig bin ich in deiner Nähe unglaublich nervös! Mein Bauch scheint sich in ein Blumenfeld voller Schmetterlinge zu verwandeln und mein Gehirn dreht durch und wenn du dann wieder weg bist, fülle ich diesen verdammten Schmerz in der Brust, der jedes Mal schlimmer wird! Also sag du mir, was empfinde ich für dich, denn ich verstehe meine Gefühle längst nicht mehr."
Damian lachte leise, sein Blick war nun unglaublich zärtlich. Wieder strich er mit dem Zeigefinger über meine Wange, als sei dies ein altes Ritual zwischen uns. Ich spürte dort wo er mich berührt hatte ein leichtes Kribbeln auf der Haut und Wärme, so als streichelte der Finger immer noch über meine Wange. „Du musst deine Gefühle nicht verstehen", flüsterte mir Damian ins Ohr.
Dann kam er noch näher. Er hatte sich zu mir herabgebeugt, sodass er auf Augenhöhe mit mir war. „Denn ich verstehe sie", fuhr er mit sanfter Stimme fort und beugte sich weiter vor zu mir. Langsam begann er mich zu küssen, so sanft, dass ich das Gefühl hatte in seinen Armen zu schmelzen.


Aus den Chroniken der Tagwandler - Ein Bericht eines späteren Ratsmitglied:

Antworten! Endlich sind sie eingetroffen. Zu meinem Erstaunen haben so viel mehr meiner Freunde meine Meinung bestätigt, als ich gedacht hatte. Wir sind nun eine etwa 40 Mann starke Gruppe. Bald findet unser erstes Treffen statt, in dem wir die ersten Schritte für eine bessere Haltung der Menschen besprechen. In einer Woche, in einem kleinen menschlichen Dorf, weit weg von hier findet die Versammlung um Mitternacht statt. Ich habe bereits die Erlaubnis vom Burgherrn bekommen dorthin zu reisen, doch nur unter dem Vorwand weitere Forscherkollegen zu treffen und meine bisherigen Ergebnisse so weiterzubringen. Mein Lehnsherr würde es niemals verstehen, dass Menschen keine Dinge sind, sondern denkende und fühlende Wesen einer anderen Art.

P.S. Gestern kam ich leider nicht dazu ein neues Kapitel hochzuladen, aber ich hoffe ihr hattet heute genauso viel Spaß daran^^

Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt