Bekanntschaft mit dem Tod - 2

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Sofort wurde mir schlecht. Mein Gesicht musste auch kalkweiß geworden sein, denn Einstzein kniete sich neben mich und legte eine Hand auf meine Schulter, obwohl er ebenfalls nicht besonders gut aussah. In seinem Inneren musste sich die Pampe von heute früh zu Wort gemeldet haben, ähnlich wie bei mir.
„Gut. Ich erkläre euch wie das Ganze abläuft. Wie gesagt geht es hierbei nicht um das Jagen, sondern um das Töten an sich. Da es das erste Mal für euch sein wird, möchte ich dass ihr mir genau zuhört. Ihr werdet das Tier streicheln, damit es weiterhin ruhig bleibt, dann greift ihr euch die Hinterbeine mit der linken Hand und hebt ihn hoch. Sobald er zum ersten Mal stamm hängt, also gerade nach unten, haut ihr den Fäustelstiel von oben hinter die Ohren. Der Hase sollte wenn ihr richtig getroffen habt schnell ausbaumeln. Wenn ihr es falsch gemacht habt, wird das nicht passieren und das Tier leidet Höllenqualen, also solltet ihr eure Hemmungen überwinden und es richtig für das Tier tun. Verstanden?!"
Mir hatte es einfach die Sprache verschlagen. Das konnte ich nicht tun! Der Hase blickte mich seelenruhig aus seinen großen braunen Augen an. Sein Näschen schnupperte leicht nach dem nächsten Grashalm und er fing wieder an genüsslich daran zu knabbern. Ich konnte diesen Tieren nichts antun! Auch Einstein schwieg.
„Ich habe gefragt, ob ihr Verstanden habt!"
Ich biss meine Zähne zusammen und blitze den Sergeant wütend an. Wie konnte er von mir verlangen, dass ich diesen friedliebenden Tieren etwas antat? Wütend kam er ein Stückchen näher auf uns zu.
„Habt ihr Verstanden!?!"
„Jawohl Sir", flüsterte Einstein und stupste mich mit den Ellbogen an. „Es wird so oder so darauf hinauslaufen. Wir werden dieses Training bestehen. In Ordnung?", zischte er mir dabei zu, doch ich schüttelte den Kopf.
Selbst der Gedanke daran, dass ich das Training aus jedem Grund bestehen musste, weil Jane mich brauchte, half nichts. Ich würde diesem Tier nichts antun!
Der Sergeant ging auf mich zu und zog mich am Kragen hoch. Seit dem ersten Tag auf dem Camp war er meinem Gesicht nicht mehr so nahe gekommen und war auch nicht mehr so wütend auf mich gewesen. „Ich würde ja liebend gerne schreien, aber das würde die Hasen aufschrecken und ich will es Einstein nicht noch schwerer machen, also gib jetzt dein Bestes! Tu es wenigstens für dein Team."
Ich biss die Zähne zusammen und der Sergeant fluchte. Er holte aus und gab mir eine Ohrfeige. Geschockt starrte ich ihn an. Noch nie hatte er jemanden verletzt, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass er ihn als Strafe geschlagen hatte. Doch zu meiner Verwunderung war der Schmerz nicht so schlimm. Ich spürte zwar wie meine Wange anfing zu pochen und rot zu werden, er hatte auch ganz sicher nicht leicht zugeschlagen, doch ich hatte hier schon zu viel Schmerz erfahren müssen. Dieser Schlag würde mich nicht aus der Bahn werfen können. Aus diesem Grund funkelte ich den Sergeant einfach nur weiter wütend an.
Dieser nickte grimmig und ich ahnte übles. „Alle Achtung, das Training zeigt wirklich seine ersten Erfolge. Ich kann dich mit dieser Methode nicht umstimmen, doch was ist damit?"
Er ließ mich los und ging auf Einstein zu. „Nicht!", stieß ich aus, doch es war zu spät.
Der Sergeant hatte bereits ausgeholt und Einstein einen heftigen Schlag mit der Faust in die Magengegend verpasst. Dieser krümmte sich sofort zusammen und fing an zu würgen. Ich rannte zu Einstein hinüber und stellte mich schützend vor ihm. „Das ist eine Sache zwischen dir und mir!", schrie ich den Sergeant an.
„Wegen dieser Respektlosigkeit werde ich dich nachher noch maßregeln! Jetzt wirst du zuerst deine Aufgabe erfüllen! Sonst wirst nicht du die Schmerzen für deinen Ungehorsam erfahren, sondern er!" Er deutet auf Einstein, der immer noch auf den Boden hinter mir lag und sich unter Krämpfen windete.
„Niemals! Er hat mit meinem Ungehorsam nichts zu tun!", versuchte ich ihn in Schutz zu nehmen.
„Ach nein? Ihr seid doch ein Team, oder?"
Ich blickte zu Einstein herab. Er war ganz still geworden, lag jedoch immer noch in Embryohaltung da und musterte mich genau. Ich wusste wenn ich diese Tatsache verneinen täte, würde ich es nie wieder gut machen können. Ich würde all das was wir alle zusammen zwischen uns aufgebaut hatten, auch zwischen Wolf, Bär, Elfe und Schlange mit einem Schlag zerstören. Das konnte ich nicht tun! Ich brachte es einfach nicht über das Herz und so musste ich zustimmen: „Wir sind ein Team."
„Gut, in einem Team ist jeder für den anderen verantwortlich, also hat Einstein etwas damit zu tun." Der Sergeant fuhr in merklich sanfteren Ton fort: „Dir muss klar sein, dass all deine Handlungen nicht nur Folgen für dich, sondern auch für das Team haben und du dafür verantwortlich bist. Also was wirst du tun? Wirst du dich weiterhin weigern und zu sehen wie Einstein unter deinem Versagen leidet oder wirst du dich dafür entscheiden das Richtige zu tun?"
„Ich tue es", flüsterte ich heißer. Ich spürte, dass ich den Tränen nahe war, doch der Sergeant nickte streng.
„Hier." Er reichte mir den Holzstab. „Und jetzt geh und mach es gescheit."
Mit schweren Schritten ging ich auf den Käfig zu. Die Tiere in ihm grasten friedlich und hatten keine Ahnung was im nächsten Moment mit ihnen geschehen würde. Ich sah den einen Hasen an der friedlich an einem Grashalm herumknabberte und entschied mich den anderen zu nehmen. Ich beugte mich zu der kleinen Kreatur herab und streichelte, langsam und beruhigend das Fell des Tieres. Es war so weich und flauschig. Der Hase streckte sich genüsslich aus und ich redete behutsam auf ihn ein: „Alles ist gut. Alles ist gut. Niemand wird dir etwas tun."
Ich log dem Tier etwas vor. Es verstand meine Worte wahrscheinlich gar nicht. Nur meine behutsame Stimme und die sanften Streicheleinheiten an sich beruhigten es, doch ich, die die Bedeutung der Worte kannte, wusste, dass es eine Lüge war. Am liebsten hätte ich das Tier angeschrien, es gewarnt zu fliehen, doch dann blickte ich in Einsteins ebenso braune Augen. Augen in denselben Farben wie die des Hasens. Vorsichtig streichelte ich das Tier weiter und akzeptierte, dass was ich tun musste. Eine grausame Entschlossenheit stieg in mir aufsteigen. Ich konnte nicht zulassen, dass Einstein durch mein Versagen litt. Er brauchte wie ich alle Kraft um durch dieses Training zu kommen! Außerdem gab es da noch Jane...
Ich packte, ehe die Entschlossenheit in mir verschwand, den Hasen an seinen Hinterbeinen und hob ihn hoch. Er zappelte für einen Moment wie wild und ich trug in rasch aus dem Käfig heraus, damit sein Freund nichts vom baldigen Tod mitbekam, der auch auf ihn wartete. Ich hielt den Stab fest umklammert und zielte genau. Das Tier solle nicht noch mehr leiden! Dann viel zu schnell hielt der Hase still und ich schlug zu. Um nicht kurz vorher zu Bremsen legte ich all meine Kraft in den Schlag. Der Holzstock traf genau ins Schwarze und der Hase wurde herumgeschleudert. Sein Köpfchen schlug gegen meinen Oberarm. Ich spürte wie mir schlecht wurde, doch ich riss mich zusammen. Vorsichtig musterte ich den Hasen und betet zu Gott er möge nicht mehr leben. Langsam pendelte der kleine schlafe Körper in meiner Hand aus und blieb dann einfach nach unten hängend stehen. Ich biss mir auf meine Unterlippe. Ich hatte zum ersten Mal in meinem gesamten Leben ein Tier umgebracht. Natürlich hatte ich bereits Fliegen zerquetscht und hatte mit Sicherheit auch irgendwelche anderen Insekten getötet, doch nie war es ein lebendiges Wesen gewesen, dass ein Gehirn hatte und größer als meine Fingerkuppe war. Es fühlte sich falsch an und ich war nicht stolz auf meine Tat. Im Gegenteil, ich verabscheute mich für diese.


Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt