Layna - 1

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Ich schaute Elfe leicht peinlich berührt an und blickte dann rasch wieder auf den Boden, währenddessen zupfte ich an meinem schwarzen viel, viel, viel zu kurzem Kleid herum. Doch je weiter ich es versuchte nach unten zu ziehen, desto größer wurde der weite runde Ausschnitt oben und so wurde das Zurechtlegen des Stoffes zu einem stetigen hoch und wieder herunterziehen. „Sag mal findest du das nicht ein wenig zu kurz?", fragte ich schließlich leicht verzweifelt.
Elfe blickte mich an und runzelte nachdenklich die Stirn: „Eher zu lang." Sie trug ein schwarzes, hautenges, bauchfreies, trägerloses Spitzenoberteil. Der Rücken jedoch war von seidenen schwarzen Stoffbahnen bedeckt, die an ihr bis etwa zur Mitte der Oberschenkel hinunterglitten und sich sanft um ihre Haut windeten. Das Oberteil wirkte von vorne eher wie kostspielige Dessousunterwäsche, denn die Spitze gab einen guten Blick auf die nackte Haut darunter frei. Dazu hatte Elfe eine minimal lange Hose aus schwarz glänzendem Stoff angezogen.
„Gut, komm wir müssen los." Sie reichte mir einen riesigen schwarzen Mantel, der mich ganz und gar einhüllen würde und ein Paar Stiefel. Die Absätze von diesen Teilen waren spitzzulaufend und mörderisch hoch. Ich zog die Sachen an und wir gingen hinaus in die Kälte. Der Mantel hielt mich besser warm als unsere sonstigen Jacken, doch diesmal zitterte ich nicht wegen dem eisigen Wetter, sondern wegen dem was kommen würde. Wir stiegen beide in einen schwarzen Van ein, der bereits auf uns wartete.
Der hintere Raum war von der Fahrerkabine durch eine Zwischenwand getrennt worden und so waren wir ganz für uns alleine.
„Also, hast du den Plan verstanden?"
Ich nickte, obwohl ich das Gefühl hatte mich gleich übergeben zu müssen. Die Nervosität in mir war riesig. Wie hatte ich nur heute früh so leichtsinnig sein können und gedacht ich würde den Auftrag locker ausführen können?
„Hey, schau mich an." Elfe legte ihre Hände auf meine Schulter. „Okay, jetzt atme einmal tief ein... und wieder aus..." Ich tat was sie sagte und merkte bald wie mein Puls sich wieder verlangsamte. „Keine Sorge, jeder ist am Anfang nervös, besonders in der Vorbereitungszeit. Wichtig ist, dass du während dem Auftrag einen kühlen Kopf bewahrst. In Ordnung?"
Ich nickte schwach.
„In Ordnung?!", blaffte Elfe in dem Tonfall des Sergeants und sofort schoss es aus meinem Mund: „Jawohl Sir!"
Dieser Anflug von Normalität brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Langsam entspannten sich meine Muskeln.
„Du machst das sehr gut", erklärte Elfe schließlich aufmunternd.
Es herrschte eine kurze Stille, dann fragte ich etwas, was mir schon lange auf der Seele gebrannt hatte: „Elfe?"
„Ja."
„Wieso tust du das?"
„Wieso tue ich was?", ihre Stimme war vorsichtig, so als wüsste sie genau was jetzt kommen täte und wollte das Ganze noch ein bisschen hinausschieben.
„Wieso hilfst du mir und bist immer so freundlich, fast schon führsorglich gegenüber mir?"
Ein tödliches Schweigen erfüllte den Raum.
„Du musst es mir nicht sagen, wenn du es nicht willst. Es ist nur so..." Ich brach ab nur um kurz darauf wieder fortzusetzen: „Weißt du, ich bin dir sehr dankbar dafür, auch wenn ich es nicht verstehe. Ich glaube ohne dich..." Wieder brach ich ab, doch diesmal lehnte ich mich in meinem Sitz zurück und fing nicht wieder an zu reden.
Für einen Augenblick lauschten wir beide dem Schnurren des Motors, dann begann Elfe: „Eigentlich wollte ich es dir nicht erzählen, eigentlich wollte ich es niemanden erzählen."
Ich wollte sie schon unterbrechen, doch sie gebot mir mit trauriger Stimme Einhalt: „Bitte unterbrich mich nicht, wenn du das tust werde ich wohl nie wieder genug Kraft finden um darüber zu sprechen.
Ich und meine Schwester sind auf einem sehr rauen Pflaster groß geworden. Meine Mutter war eine Prostituierte und mein Vater wohl irgendeiner von ihren Kunden. Ich hatte eine kleine Schwester. Würde sie nun noch leben wäre sie wohl etwa in deinem Alter. Wir beide waren die kleinen Engel unserer Mutter. Hätten wir nicht existiert, hätte sie wohl ihrem Leben bereits längst ein Ende gesetzt, doch so tat sie alles um uns zu ernähren. Eines Tages, ich war gerade erst neun Jahre alt, kam sie von ihrer Arbeit nicht mehr zurück. Ich ließ meine kleine Schwester, sie war gerade einmal vier, in der Wohnung zurück um unsere Mutter zu suchen. Ich fand sie, doch der Zustand in dem sie war, war grausig. Sie lag blutend in einer kleinen Seitengasse hinter dem Club, in dem sie immer gearbeitet hat. Ihr Gesicht war blau geschlagen. Sie hatte wohl mehrere Knochenbrüche und ihre Kleidung, besser gesagt, dass was sie normalerweise während ihrer Arbeit trug, war in Fetzen geschnitten. Ein völlig betrunkener Mann, stand vor ihr und schrie sie an. Ich werde wohl niemals seine blutunterlaufenen Augen, in denen der reine Wahnsinn wütete, vergessen können. Jedenfalls suchte ich bei seinem Anblick nach einer Waffe. Der Mann hatte wohl irgendwann das Messer mit dem er meine Mutter bearbeitet hatte weggeschmissen und es lang nun etwa fünf Meter hinter ihm. Ich schlich mich an und hob es auf. Er war viel zu betrunken um mich zu Bemerken. Als er meine Mutter erneut trat verlor er das Gleichgewicht und viel hin. Nachdem er einmal hingefallen war konnte er nicht mehr aufstehen und als ich mich mit dem Messer über ihn beugte, vernebelte der Alkohol so stark seinen Verstand, dass er nicht begriff was mit ihm geschah. Ich wünschte er hätte es, denn ich bohrte ihm sein eigenes Messer in die Brust, dann in den Hals und stach einfach wahllos weiter auf ihn ein. Als ich mich meiner Mutter zu wand, war sie bereits tot. Die letzten Szenen vor ihren Augen waren wie ich diesen Mann umgebracht habe und auf ihrem Mund war ein Lächeln gewesen. Ein Lächeln, da ich für sie Rache genommen hatte."

Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt