Krankenpflege - 2

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Ich versuchte meinen Arbeitstag so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Die Stunden zogen sich hin wie zäher Kaugummi und ich starrte jede viertel Minute nervös auf die Uhr, doch ich kam erst spät aus dem kleinen Café heraus. Draußen war es bereits dunkel und Jane hatte wahrscheinlich den lieben langen Tag nichts gegessen, deshalb stürzte ich mich ins Getümmel, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen.
„Jane?", rief ich fröhlich als ich die mintgrüne Tür endlich öffnete, doch mein Herz schien mir in die Magengegend rutschen zu wollen, als niemand antwortete. Leise und noch in voller Straßenkleidung öffnete ich die schwarze Tür, falls Jane mich einfach nicht gehört haben sollte, doch es war niemand da. Auch das Bad war leer. Ich schaute selbst in meinen Zimmer nach aus der verzweifelten Hoffnung heraus, dass sie aus irgendeinem Grund dort war, doch auch hier Fehlanzeige. Ich war mutterseelenalleine in unserer Wohnung. Verzweifelt ging ich wieder in den Aufenthaltsbereich zurück. Erst jetzt viel mir der Zettel am Kühlschrank auf:

„Bin unterwegs.
Mach dir keine Sorgen.
Ich muss das tun.

Jane"

Was in Gottes Namen musste sie tun, wenn es ihr so schlecht ging? Wo war sie gestern gewesen? War sie heute auch dort? Sie war verdammt nochmal krank! Kranke mussten im Bett bleiben! Und wenn sie das nicht freiwillig einsah, musste ich sie eben zurückzerren.
Jedoch war der einzige Ort, wo ich sie suchen konnte wieder dieser Club Pasanguis. Wenn Jane allerdings ein Lokal meiden sollte, dann war es genau dieses. Was bedeutete nur „Ich muss das tun"? Handelte sie selbst aus einem inneren Zwang heraus oder wurde sie eventuell sogar erpresst? War sie die falschen Leute gekommen? Versuchte man aus ihr Gewinn zu schlagen? So wie es schon damals mit meiner Mutter geschehen war?

Vor dem Tod meines Vaters war sie eine der nettesten und freundlichsten Personen gewesen, die ich je kennen lernen durfte, doch dann war sie der Trauer erlegen. Zuerst war es nur der Alkohol gewesen, der ihr Gehirn vergiftet hatte, bis sie nichts mehr klar sehen konnte, dann die Drogen.

Mir viel wieder ein wie abgekämpft Jane ausgesehen hatte und wie sie nun von diesem Zwang sprach. Konnte es etwa sein, dass sie abhängig von irgendetwas war? Konnte das überhaupt so schnell gehen? Ich war keine Expertin in dieser Sache, dass einzige was ich von Drogen wusste, waren die Nebenwirkungen, die ein Leben vollkommen zerstören konnten. Diesmal würde ich nicht zusehen wie das schleichende Gift das Leben eines weiteren Menschen aussaugte, bis nur noch die Hülle der ehemals liebenswerten Person übrig war.
Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, machte ich kehrt und ging zurück auf die Straße. Der einzige Ort an dem Jane solche Leute kennengelernt haben könnte, war meiner Meinung nach in irgendwelchen Nachtklubs oder auf den Weg dorthin. Anderseits kannte ich mich mit dieser Sache wirklich nicht aus und konnte auch falsch liegen. Wo begann man eine Suche am besten? An dem Ort an dem die Person zuletzt war oder man sie am meisten vermutete. Leider hatte ich keine Ahnung wo dies sein könnte und schlug aus Mangel an Alternativen die Richtung zu Pasanguis ein.
Wahrscheinlich hätte ich aus meinem vergangenen Besuch lernen sollen. Nun da ich dank der neuen Brille die Menschen gut erkennen konnte, wurde mir noch einmal deutlich vor Augen geführt, wieso ich hier nicht hingehörte. Statt den teuren Markenballerinas oder Herrenschuhen trug ich abgelaufene Turnschuhe. Das schwarze, perfekt anliegende Abendkleid mit weitem Ausschnitt war in meinem Fall eine alte Jeans mit, wer hätte es gedacht, weitem T-Shirt. Statt dem teuren Make Up und Parfüm trug ich Verzweiflung und Verbissenheit auf meinem Gesicht, doch eines nahm ich mir innerlich vor, ich würde auch diesmal in den Laden reinkommen!

Ich stellte mich in der Reihe an. Die Menschen wichenteilweise sogar ein Stückchen weg von mir und wollten so weit wie möglich fernvon diesem komischen Wesen bleiben, dass sich so dreist in ihre Mitte gesellenwollte. Sie sollten nur ihre schönheitsoperierten Näschen rümpfen. Es war mirin diesem Moment egal.
Ich kam an die Reihe. Vor mir stand wieder derselbe Clubwächter, der mich schonmit Damian hineingelassen hatte. Er blickte hinter mich, so als wollte er sichversichern, dass ich diesmal allein war und sprach dann streng: „Tut mir leidich kann Sie nicht hereinlassen, Miss."
Ich plusterte mich auf, so als sei ich furchtbar geschockt, klimperte verwirrtmit den Augen und warf dem Wachmann einen Hundeblick zu. Das Ganze hätte ihnnatürlich kalt gelassen, wenn ich dabei nicht gesagt hätte: „Entschuldigung.Ich wollte mich hier nur mit jemanden treffen. Sie wissen schon mit wem. Es isthier draußen etwas kalt, da es leicht windig ist, deswegen wollte ich nur schoneinmal hineingehen."
Der Türsteher schien mit sich selbst zu ringen. Ein anderer wollte mich breiteserneut abweisen, doch als ich in diesem Moment mein Gesicht zu einergefährlichen eiskalten Maske verzog, die leider nur ein eiskalter Bluff war,winkte er mich mit den Worten: „Versprechen sie dafür für mich ein gutes Worteinzulegen", durch.
Ich nickte und ging zum Erstaunen aller weiter. Auch ich war sprachlos. Damianmusste hier wirklich einen ganz schönen Einfluss haben, wenn der Typ mich wegendem bloßen Gedanken an ihm einfach so passieren ließ.


Im Inneren war es gefühlt zehnfach so laut wie beim letzten Mal, obwohl ich mir das wahrscheinlich nur einbildete. Diesmal machten die Gäste mir keinen Platz und so musste ich mich von einer Seite zur anderen durchschupsen. Zuerst schaute ich bei der kleinen Bar vorbei, doch von Jane war dort keine Spur. Auch der Barkeeper hatte sie nicht in der Nähe gesehen. Doch einfach so würde ich nicht aufgeben! Trotz meines Widerwillen und der Angst vor der großen Masse, begann ich mich durch den überfüllten Club zu quetschen.
Mittlerweile hatte ich die Hoffnung Jane hier zu finden, schon fast aufgegeben. Mein Kopf dröhnte, als würden unzählige kleine Zwerge ihn mit gigantischen Hämmern bearbeiten. Mein Mund und Rachen waren trocken vor Verzweiflung. Ich war bereits zu lange hier! Was würde geschehen, wenn man herausfand, dass ich mich hier gar nicht mit Damian treffen wollte? Wo war nur Jane?
Auf einmal stolperte ich gegen einen Rücken. Der Mann drehte sich um und starrte mich mit einem fiesen Grinsen an. Über seinem gesamten Gesicht zog sich vom einen oberen Ende bis hin zum anderen Unteren eine riesige Narbe. Er hatte keinerlei Haare und wirkte wie ein typischer Schlägertyp, nur dass ihm dafür die Muskeln fehlten. Sein Outfit bestand aus einem schwarzen T-Shirt und einer ebenso schwarzen Hose. Kleidung die hier auffiel, weil sie nicht edel genug war. „Was haben wir denn hier?", fragte er fasziniert, während er den s Laut extrem in die Länge zog wie eine Schlange.
„Entschuldigung. Es war keine Absicht. Eigentlich wollte ich nur vorbei", murmelte ich irritiert von seinem Aussehen und wandte mein Gesicht von dem Narbenmann ab.
„Ich wollte mir eigentlich auch nur einen schönen Abend machen, aber jetzt wo wir schon einmal beide hier sind...", fuhr er raubtierhaft fort, so als sei er eine Spinne, die mit ihrer Beute spielte.
Entsetzt wich ich einige Schritte zurück.
„Bleib doch hier!", rief der Kerl und ich ging so schnell ich konnte weiter. Es war zu vollgestopft um rasch durch die Mitte des Raumes zu entfliehen, also stolperte ich schnellstmöglich in den Randbereich. Nach fast sieben Minuten erlaubte ich es mir endlich stehen zu bleiben und tief Luft zu holen. Ich war furchtbar außer Atem, obwohl ich nicht gerannt war. Es war hier drinnen wirklich einfach zu laut und voll für mich. Seufzend wollte ich mich zum Ausgang auf machen, da berührte mich auf einmal eine Hand an der Schulter. Erschrocken wirbelte ich herum und sah den Narbenmann.

„Wo willst du denn hin?", fragte er mit süßlicherStimme und befahl dann: „Bleib hier!"
Natürlich tat ich das genaue Gegenteil und quetschte mich so schnell wiemöglich weiter durch die Menschenmasse. Zu meiner Überraschung kam ich an einemSeitenausgang vorbei, von dem ich nicht einmal gewusst hatte, dass erexistierte, geschweige denn vermutete hätte, dass es so etwas überhaupt ineiner Disko gab. Wenn ich hier unbemerkt durchschlüpfen könnte, wäre ichvielleicht sicher. Ich öffnete die Türe einen Spalt breit und flitzte hinaus indie Dunkelheit.

Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt