Tanz der Gefahr - 2

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Von meinem ehemaligen Kleid war nicht mehr viel zu sehen. Es war mir bis knapp unter die Brust gerutscht. Doch dies war keine Zeit um beschämt zu sein, rief ich mir ins Gedächtnis. Wolf und die anderen hatten meinen Körper während des Duschens auch schon gesehen, obwohl ich es immer so gut wie möglich vermieden hatte. Meine Scham spielte nun keine Rolle. Ich versuchte nur an Wolf und die anderen zu denken, während ich auf einen der Männer direkt am Rand des Podestes zuging.
„Darf ich?", fragte ich mit rauchiger Stimme, dabei deutete ich auf ein Messer, dass er offen bei sich trug. Zuerst wirkte er verwirrt doch dann gab er es mir zögerlich. Ich wirbelte es probehalber herum und das Gejohle wurde noch lauter als man merkte, dass ich wusste was ich tat. Ich machte einen Sprung, eine Pirouette in der Luft, ließ mich dann auf meine Knie sinken und kniete somit direkt vor dem Balkon und damit auch vor dem Mann, der dort oben auf dem Sofa saß. Ich linste zu ihm hinauf und bemerkte, dass ich die volle Aufmerksamkeit meines Ziels hatte. Meine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln und ich schnitt die eine Seite meines Kleides auf, dann den einen und schließlich den anderen Ärmeln, sodass der Stoff an mir herunterglitt. Auf der einen Ärmelseite hatte der Stoff sich nicht sofort durchtrennen lassen wollen und so hatte ich leicht die Haut angeritzt. Ich ignorierte den winzigen Blutstrom, der sich nun wie eine Kriegsbemalung über meinen Arm schlängelte. Stattdessen warf ich die Klinge in die Luft und fing sie geschickt wieder auf. Mit geschmeidigen Bewegungen vollführte ich noch einen letzten Klingenwirbel, bevor ich das Messer dem Mann wieder zurückwarf. Dieser schrie erschrocken aus und lautes Gelächter erfüllte den Raum. Der Mann war auf seinen Hintern gefallen, als er der Klinge ausgewichen war.
Mit einem Rad war ich wieder bei der Stange und turnte an ihr herum wie schon zuvor. Als ich auf Höhe des Balkons angelangt war, winkte mir mein Ziel endlich mit einem Finger zu. Ich sollte zu ihm kommen. Seine blauen Augen waren prüfend und ich wusste, würde ich den normalen Weg außenherum nehmen, wäre ich durch diese Prüfung durchgefallen. Stattdessen entschied ich mich für den kurzen, aber auch riskanten Luftweg. Ich versuchte ein süßes Lächeln über meine Lippen zu quetschen und begann durch Drehungen meines gesamten Körpers an der Stange Schwung zu holen. Als ich spürte, dass meine Arme keine Sekunde länger mein Gewicht halten konnten, ließ ich die Stange los und segelte durch die Luft. Ich hatte mich jedoch verschätzt und knallte gegen den Rand des Balkons. Gerade noch so konnte ich mich mit meinen Fingerspitzen an ihm festhalten, sonst wäre ich wie ein Stein in die Tiefe gefallen und nicht mehr aufgestanden.
Ich verbiss mir einen Fluch und lächelte stattdessen hinterlistig, so als gehöre dies alles zu meiner Show. Die Menge unter mir schwieg gespannt, die Männer schienen jedoch kein Problem damit zu haben, dass ich eventuell jeden Moment in den Tod stürzen könnte. Es war eher als beobachteten sie einen entscheidenden Elfmeter beim Fußball.
Ein Diener der vorher meinem Zielobjekt zu trinken gegeben hatte, eilte zu mir und zog mich auf den Balkon. Als ich auf meinen eigenen Beinen stand, tat ich so als würde ich nach hinten fallen um die Spannung noch weiter zu steigern. Sofort wollte mich der Diener festhalten, doch er verlor an meiner Stelle das Gleichgewicht und plötzlich fiel er hinunter. Ich packte blitzschnell seine Hände und hielt sie fest. Ich wollte ihn gerade wieder versuchen auf den Balkone zu hieven, als sich zwei Hände besitzergreifend um meine Hüfte schlossen und mich an einen harten Körper zogen. Ich spürte die Erregung am Unterleib des Mannes, als er seine Hände höher wandern ließ und anfing meine Brüste zu kneten. Ich selber musste aufpassen nicht loszuschreien vor Ekel. Stattdessen konzentrierte ich mich auf den Mann, den ich immer noch davor bewahrte in den Abgrund zu stürzen.
„Lass ihn los", flüsterte der Drogenboss hinter mir direkt in mein Ohr, dann biss er fest in mein Ohrläppchen. Mir wurde schlecht. Der Druck auf meine Brüste verstärkte sich. Er war grob, verlangend, keinerlei Zärtlichkeit oder Hingabe war in seinen Bewegungen, nicht einmal Achtung vor mir, sondern nur das Verlangen seine eigene Erregung zu sättigen. Ich hätte genauso gut jemand anderes sein können, doch das schlimmste war seine ruhige Stimme, mit der er mir befahl den Mann in seinen Tod stürzen zu lassen.
Doch ich musste mitspielen. Ich versuchte mich zusammenzureißen und in meiner Rolle zu bleiben. „Bist du sicher?", fragte ich deswegen mit hoffentlich gelangweilt klingender Stimme.
„Ja."
„Er könnte sterben."
„Das macht doch nichts. Ich will jetzt nur dich und er hat dich berührt." Innerlich lachte ich zynisch auf. Als ob das sein Grund für den Wunsch Tod des Mannes war.
„Komm!", die Stimme hinter mir war befehlend. Der Mann in meinen Händen fing an zu zappeln. Es war mir kaum mehr möglich ihn noch festzuhalten.
„Du wirst mich nicht bestrafen?"
„Natürlich nicht."
Der Diener in meinen Händen strampelte noch mehr. Auf einmal zwickte mich der Drogenboss in meinen Po und fing gleichzeitig an, an meinen Hals zu saugen. Erschrocken lockerte ich meinen Griff etwas und der Mann stürzte hinab in die Tiefe. Geschockt wollte ich nach unten schauen, zu ihm rennen, doch mein Ziel zog mich zurück. Seine Erregung war noch größer und fester geworden, als er gesehen hatte wie der Mann in die Tiefe gestürzt war. Seine Hand wanderte nun unter meine Unterwäsche und knetete meine eine Pobacke. Ich war entsetzt, wollte schreien, doch mir wurde bewusst, wenn ich das tun würde, könnte ich Wolf und die anderen nicht mehr retten.
Er schob mich weiter, an den anderen vorbei. Seine Erregung war wohl mittlerweile selbst für die Leute unten sichtbar und sie drückte sich genau in meinen Rücken. Ich musste mich konzentrieren um gegen die Übelkeit, den Ekel und die unbeschreiblichen Schuldgefühle und Panik in mir anzukämpfen. Ich hatte getötet und nicht nur ein Tier, sondern diesmal einen Menschen!
Ich achtete nicht weiter darauf, wohin der Drogenboss mich schob. Erst als wir weit weg von dem Getümmel waren und wir auf seine Privatkammern zusteuerten, fiel mir wieder ein, wozu ich überhaupt hier war. Fluchend ermahnte ich mich innerlich zu Konzentration und beschwor das Bild meiner Freunde in mir hoch. Die Dringlichkeit der Rettungsmission verschob die Schuldgefühle in den hintersten Winkel meines Gehirns, auch wenn ich wusste, dass die Schuld jemanden getötet zu haben, wohl für immer bei mir bleiben würde.

Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt