„Setz den linken Fuß ungefähr 20 cm nach links. Das Gewicht muss gleichmäßig auf beiden Füßen verteilt sein. Arme ausgestreckt nach unten. Nein, die Handflächen zeigen zum Bein! Anspannen! Blick nach vorne! Gut! So will ich das jedes Mal sehen wenn ihr euch aufstellen müsst. Verstanden!?"
„Jawohl Sir!", antwortet ich ohne zu zögern. Die Position in der ich stand kam mir falsch und unnatürlich vor. Ich konnte nur das sehen was direkt vor mir war und die Stellung war verdammt ungemütlich.
Der Sergeant stellte sich wieder auf vor uns auf.
„Ihr werdet hier die nächste Zeit bleiben!", fing er seine Rede an. „Wie lange das ist kann niemand sagen. Entweder Ihr sterbt oder Ihr schafft es die Prüfungen zu meistern. Ich persönlich entscheide, wann Ihr zu diesen Prüfungen bereit seid. Dies ist nicht nur ein einfaches Trainingslager, in dem Ihr euren Körper stählt, sondern auch ein Trainingslager für euren Geist. Ihr werdet lernen wie Ihr mit jeglichen Arten von Waffen umgehen müsst. Sei es mit dem einfachen Messer, das unzählig viele Möglichkeiten hat sinnvoll eingesetzt zu werden, mit modernen Waffen, vom Umgang mit Sprengstoff, Bomben und jeglichen Schusswaffen, bis hin zu antiken Waffen, wie Schwerter, Bögen und Peitschen. Ihr werdet lernen euch mit bloßen Händen zu verteidigen, eine Vielzahl von Sprachen zu sprechen und in der Wildnis zu überleben. Ihr werdet lernen wie Ihr euch auf einem Schlachtfeld, bei einem Attentat und bei Spionage verhalten müsst und jeder von euch wird seine Spezialität erlernen. Sei es nun in der Kunst des Verschleierns, des Mordens, des Hackens oder was auch immer. Ihr werdet, wenn Ihr dieses Training gemeistert habt, eine Elite bilden und das Volk der Nacht bei Tage beschützen können." Für einen Moment schwieg er, dann fuhr der Sergeant mit umso strengerer Stimme fort: „Aber bis dahin wird viel Zeit verstreichen. Einige von Euch werden das Ziel nie erleben, denn Sie werden sich verletzen oder sogar sterben. Euer Geist muss vor der Beendung der Ausbildung erst die passende Form annehmen. Gerade das wird ein harter Brocken werden, deswegen fangen wir gleich an! Wir haben viel Arbeit vor uns! Rennt zu den Platz dort hinten. Jeder schnappt sich dort einen Holzklotz und rennt dann so lange Runden wie ich es sage! Verstanden!?"
„Jawohl Sir!", antworteten wir alle wieder gleichzeitig und rannten los.
Ich strengte all meine Muskeln an, um nicht hinter die anderen zu fallen und tatsächlich konnte ich bei der Gruppe bleiben. Trotzdem war ich die Vorletzte, die ankam und so waren die leichtesten Baumstammstücke schon vergeben. Nur noch zwei gewaltige Klötze lagen dort auf der braunen Erde. Ich hob den mir leichter scheinenden hoch und hievte ihn auf meine Schulter. Die anderen rannten bereits ihre erste Runde. Ich strengte mich an ihnen zu folgen, doch das zusätzliche Gewicht schien meine Fußsohlen auf die Erde pressen zu wollen. Jeder Schritt war eine Qual. Zitternd schleppte ich den Stamm zentimeterweise über den Platz. Zu rennen wie Bär und Wolf oder zumindest in einem schnellen Schritt zu Laufen wie Elfe und Schlange war für mich unmöglich. Selbst Einstein überholte mich im Schneckentempo.
„Was kriecht Ihr so über den Platz!? Soll ich Eure Gewichte verdoppeln?!", schrie der Sergeant.
Verzweifelt versuchte ich schneller zu laufen. Ich blickte in die Ferne, dort wo grünes kurzes Gras den braunen Boden ablöste, aber die Ecke wollte einfach nicht näher kommen.
„Verdammt nochmal! Jetzt bewegt Euch endlich!"
Schon wieder kam der Sergeant auf mich zu. Ich schloss die Augen und flehte meine Muskeln an sich schneller zu bewegen, doch diese wollten mir einfach nicht gehorchen.
„Schneller! Beweg deinen Hintern endlich! Da überholt dich ja eine Schnecke! Du bist wirklich das Schlimmste, was unserer Gruppe passieren konnte! Da wäre ja selbst eine Made sinnvoller!"
Erneut versuchte ich schneller zu rennen. Meine Atmung ging nur keuchend und die eisige Luft schmerzte in meinen Lungen. Trotz der eisigen Kälte rann mir der Schweiß in Strömen von der Stirn. Ich hatte das Gefühl gleichzeitig an der Hitze meines Körpers zu ersticken und durch die Umgebung zu erfrieren.
Doch der Sergeant war immer noch nicht zufrieden: „Du bist das erbärmlichste, was man im Ganzen Universum je gesehen hat! Hey, du da vorne!" Ich blickte auf um zu sehen, wen der Sergeant nun anschrie. Ich hatte zu Einstein aufgeholt, der sich ebenfalls keuchend über den Platz schleppte.
„Willst du etwa von der aufgeholt werden!? Du bist nicht Einstein, du erinnerst mich eher an einen Mistkäfer wie du den Stamm schleppst. Beweg dich! Sonst hast du bald einen neuen Namen."
Ich lief weiter. Ich wollte nicht die Letzte sein. Vielleicht konnte ich wenigstens Einstein überholen. Ich versuchte meine Schritte zu verlängern und hatte es fast geschafft, als auf einmal mein Fuß unter mir wegrutschte und ich hinfiel.
„Au!", stieß ich aus, was ein großer Fehler war, denn der Sergeant drehte sich zu mir um.
Als er mein schmerzverzehrtes Gesicht sah, fuhr er mich an: „Schämst du dich denn nicht!? Wie kannst du dich immer nur beschweren!? Mach dass du endlich weiterkommst!"
Ich stand auf und humpelte weiter. Mein Gesicht wurde zu einer schmerzverzerrten Maske und der Sergeant kam nun schon wieder zu mir. „Schneller!", befahl er und ich ging japsend in einen schnelleren Schritt über.
Bär und Wolf überholten mich. Ich versuchte ihnen hinterherzujagen, doch daraus wurde ein langsames hinterherschlurfen. Der Sergeant lachte und ich mobilisierte jegliche Energiereserven in mir, doch es wollte mir einfach nicht gelingen schneller voran zu kommen. Mein Atem hatte sich mittlerweile in ein unregelmäßiges, nach Hilfe ringendes Japsen verwandelt, meine Muskeln brannten und mir standen die Tränen in den Augen.
„Es ist mir eine Freude dein schmerzverzerrtes Gesicht zu sehen."
Elfe und Schlange gingen an uns vorbei.
„Schämst du dich endlich für dich? Merkst du wie schwach und unbrauchbar du bist? Du bist nichts weiter als ein Käfer, den ich unter meinen Schuhen jederzeit zerdrücken könnte."
Meine Muskeln zitterten bereits wie Espenlaub. Bei jedem Schritt wackelten meine Knie und ich wünschte mir einfach den Stamm wegzuschmeißen und den Sergeant ins Gesicht zu schlagen. Ich hatte genug von dem Ganzen! Ich wollte hier weg! Wieso tat ich mir das an!? Ein Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf. Jane! Ich musste durchhalten! Der Sergeant versuchte meinen Geist zu brechen! Er wollte mich formbar machen! Der schnellste Weg dafür war meinen Geist in Millionen kleiner Stücke zerhacken und ihn dann so zusammenzusetzen wie es ihm passte. Doch ich würde es überleben! Sie würden mich nicht klein kriegen! Eine Träne der Verzweiflung lief mir über die Wange, als ich an meine Zukunft dachte, deren Grausamkeit ich nicht einmal erahnen konnte.
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Verlorene der Nacht - 1. Band der Tagwandler Reihe
VampireUmgeben von der Dunkelheit, gefangen in den Armen eines Vampiroberhaupts und vermählt mit dem Tod, der sie auf Schritt und Tritt begleitet. Kates gesamtes Leben wurde in ein blutiges, dunkles Sein gerissen und sie steht mit all den zerbrechlichen Ho...