Kapitel 35: Hexennebel

124 20 2
                                    

Der Sprecher stand im Dunkeln des Ganges und ich konnte nur seine Umrisse erkennen.

Er stand in einer große Blutlache. Derjenige dem dieses Blut gehörte konnte einfach nicht mehr leben. Es war so viel.

Mir wurde wieder schlecht, aber ich wollte nicht umdrehen, als ich die ängstlichen Stimmen der Überlebenden hörte.

Der Sprecher trat einen Schritt nach vorne, sodass ich erkennen konnte wer es war.

Haniel war komplett mit Blut bedeckt, das aber scheinbar nicht sein eigenes war, da er immer noch gerade stehen konnte und das könnte er wie gesagt bei der Menge nicht.

,, Was hast du getan?", fragte ich entsetzt, als ich nun auch die tote Frau neben ihm bemerkte.

Sie war schrecklich zugerichtet. Eine tiefe Wunde, durch die sie vermutlich das ganze Blut verloren hatte, war an ihrem Bauch und ihre gläsernen Augen starrten in die Dunkelheit.

Haniel lächelte fies, doch sagte er nichts.

,, Wieso hast du sie umgebracht?", sagte ich nun lauter und fester. Zu meinem erschrecken klang ich in dem Moment gefasst.

Ich bekam immer noch keine Antwort.

Erstaunlicherweise verließ mich meine Geduld sehr schnell und ich richtete mein Schwert auf ihn.

Die Schmerzen an meinem Arm, die langsam schlimmer wurden, ignorierte ich.

Er schnippte und langsam tauchte ein Schwert aus dem nichts auf, dass meinem ziemlich ähnlich sah. Viele Kratzer an der Klinge, der Holzgriff war etwas gebogen und das Eisen war sehr hell, es wirkte beinahe wie Silber.

,, Willst du uns alle umbringen?", wollte ich wissen und schrie ihn dabei schon fast an. Wissend, dass er mir nicht antworten würde.

Er rannte mit dem Schwert in der Hand auf mich zu.

Ich wich seinem ersten Schlag aus und versuchte ihn nicht zu verletzen.

Es ist immer noch Haniel. Er hat sich so verändert.

Er holte wieder aus und wollte mir scheinbar den Arm abschlagen, doch ich sprang beiseite und schlug ihm meinen Schwertgriff gegen den Hinterkopf.

Er verlor sein Gleichgewicht und viel in die Blutlache.

Jetzt war auch noch sein ganzes Gesicht mit Blut bedeckt.

Früher hätte ich vielleicht gedacht, dass er aus einem schlechtem Zombiefilm stammte.

Er versuchte wieder aufzustehen, aber ich hielt ihn mit einem Tritt mit dem Fuß davon ab.

Haniel drehte sich auf seinen Rücken, um mich anzusehen. Er grinste immer noch, aber dieses mal gequält und besiegt.

,, Du hast mir versprochen mich zu beschützen, aber dass hast du nicht getan!", erinnerte ich ihn an sein versprechen.

Er grinste mich immer noch fies an, als würde ihn das alles nicht interessieren, als würde er mich nicht hören.

Ich schlug ihn nochmal mit meinem Schwert, aber dieses mal war es so heftig, dass er komplett auf den Boden sackte und sich nicht mehr bewegte.

Ich starrte ihn eine Weile an und wartete darauf, dass er sich bewegte, aber er tat es nicht.

Vorsichtig trat ich ihm gegen sein Schienbein, aber er rührte sich immer noch nicht.

Ist er tot?

,, Ist der Kampf vorbei?", fragte eine ängstliche Kinderstimme.

Ich starrte in die Richtung aus der die Stimme kam.

Dunkelheit.

,, Ich denke schon, aber ich werde noch einmal nachsehen", meinte ich und trat ins Freie.

Ich wollte nur weg von Haniel.

Müde sah ich in den Nebel, die Wunde an meinem Arm pochte und schien meinen ganzen Arm zu betäuben.

Hexenneben, hat ihn meine Mutter immer genannt.

Wenn solch ein Nebel kommt, dann wandeln Hexen in deiner Nähe.

Gerade ärgerte ich mich sehr über den Nebel, da er mir die Sicht nahm. Ich konnte nicht erkennen, ob sich dort ein Dämon versteckte, aber er konnte mich auch nicht sehen. Zumindest glaubte ich das.

Wann war es den so nebelig geworden?

Ich stapfte weiter und hörte den Schnee unter meinen Füßen knirschen.

Als ich niemanden entdeckte, wirklich überhaupt niemanden, ging ich wieder zurück zu den Anderen.

Wir nahmen den Weg durch die Dunkelheit, da wir draußen befürchteten vielleicht doch in einen Hinterhalt zu geraten.

Ein kleines Mädchen, das ihre Mutter verloren hatte, wollte unbedingt meine Hand halten, während wir durch den Gang liefen.

Ich orientierte mich an der Wand und versuchte mir irgendwie wieder den Weg ins Gedächtnis zu rufen, den ich bei all der Aufregung vergessen hatte.

,, Stimmt es, dass du ein Engel bist?", fragte das Mädchen mich mit piepsiger Stimme.

,, Ja", antwortete ich und fügte leiser hinzu, ,, das stimmt"

Ich spürte ihren bewundernden Blick auf mir, den ich leider nicht sehen konnte.

Sie ist ein Werwolf kann sie also in der Dunkelheit sehen?

,, Ist es wahr, dass du mit einem Vampiren zusammen bist?", wollte sie weiter wissen.

Wir bogen gerade nach Rechts ab und ich konnte in der Ferne schon Licht erkennen.

,, Wo hast du das her?", fragte ich sie nun und ich wusste, das ich zu lange gewartet hatte.

Ich spürte den wissenden Blick der Kleinen.

Was war mit Lucius? Ist er nun mit Jora in einer glücklichen Beziehung oder hat er sie genau wie mich hintergangen?

Ich erinnerte mich an seinen gefühllosen, lehren Blick, nachdem er Jora geküsst hatte.

,, Das ist eines der häufigsten Themen hier in der Stadt", behauptete das Mädchen.

Die Leute hier sprechen über mich?

Langsam erkannte ich, was auf dem Gang los war.

Es herrschte reger Betrieb und alle schienen wichtigen Aufgaben nachzugehen, alle bis auf einer.

Die ältere Frau stand etwas Abseits von den anderen, in der Mitte des Ganges, und hatte ihnen den Rücken zugedreht.

Ich brauchte eine Weile, bis ich sie mir genauer Ansehen konnte.

Wenn solch ein Nebel kommt, dann wandeln Hexen in deiner Nähe. Schoss es mir durch den Kopf.

Engel weinen nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt