19. Besuch

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ZÜMRA

Happy times come an go, but memories stay forever."
(Du hast da echt etwas schönes ausgesucht hayalimdin1905 🙈❤️)

Die Tage verstrichen – ich hatte bereits das Ende meiner zweiten Woche erreicht –, die Zeilen die Azad geschrieben hatte, zerrissen Tag für Tag mein Herz in tausende von Stücken. Inzwischen hatte ich bereits das erste halbe Jahr nach dem Tod seiner Familienangehörigen hinter mir und war von seiner Stärke so überwältigt, dass ich ihn nur wegen dieser Eigenschaft bewundern könnte.

Ich versuchte ihn zu meiden, lauschte immer an der Tür, bevor ich die Wohnung verließ, aber etwas anderes blieb mir nicht übrig. Ich könnte ihm einfach nicht in die Augen blicken, während ich seine schmerzvollen Gedanken kannte, wusste wie er sich fühlte.

04.12.2013

Heute ist mein Geburtstag. Ich bin 19 geworden Anneanne, den Tag wolltest du doch so gerne miterleben, mir einen schönen Schokokuchen backen und mich mit Lahmacun und Gözleme überraschen."

Leicht lächelte ich, als ich die beiden türkischen Teigwaren nun zum abermaligen Mal laß. Er mochte sie anscheinend besonders gerne.

„Ich vermisse euch einfach so sehr.

Fatih... du wirst wahrscheinlich sauer auf mich sein, aber ich habe den Kontakt zu allen Jungs abgebrochen. Ich hatte es bis heute nicht gemerkt. Aber Okans Nachricht hat mir die Wahrheit ins Gesicht geklatscht. Er hat mir zum Geburtstag gratuliert und mich gebeten ihn nicht zu meiden.

Seit wann bin ich so geworden Fatih?
Es tut mir einfach weh unseren gemeinsamen Freunden ins Gesicht zu blicken und zu wissen, dass einer fehlt. Und dass DU dieser eine bist.

Du bist und bleibst"

Mitten im Satz hatte Azad aufgehört weiterzuschreiben. Das war schon einige Male passiert. Er hatte immer auf der nächsten Seite erklärt, was genau ihn davon abhielt, weiterzuschreiben. Meistens lag es daran, dass es zu dem Zeitpunkt an seiner Tür klingelte, er einen Anruf bekam oder ähnliches.

Besonders an diesen Stellen fragte ich mich, was er hatte schreiben wollen. Was ihm durch den Kopf ging, und welche Gedanken er verwarf, die er ursprünglich niederschreiben wollte, denn meistens waren diese wenigen Worte viel bedeutsamer.

Unerwartet klingelte es an meiner Tür — grinsend fragte ich mich, ob das wohl ein kleines Spiel des Schicksals war —, sodass ich gezwungenermaßen meinen Kaffee und das Buch auf den Couchtisch niederließ und mich zur Tür begab. Über die Sprechanlage versuchte ich herauszufinden, wer vor der Tür stand.

„Überraschung", ertönte Mirzas Stimme plötzlich und ein Lachen entwich aus meinem Mund. „12. Stock bîraye min", kam es aus meinem Mund, ehe ich bemerkte, dass ich ein kurdisches Wort benutzt hatte. Eine Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut, während ich an der offenen Tür auf meinen Bruder wartete.
„Dîlemin", flüsterte er und schloss mich in seine Arme, als er endlich oben angekommen war. Ich hatte dieses Wort so sehr vermisst. Am besten passte es zwar in Bilals Mund, aber ich hatte mit Azads Hilfe gelernt dankbar zu sein. Dafür, dass ich zumindest vier weitere Brüder hatte, die mich aufbauen konnten.

Wir verweilten einige Minuten in der Position, bis er sich langsam von mir löste und mit einem schiefen Grinsen mein Gesicht betrachtete.
„Hoş geldin! (Herzlich willkommen!)", begrüßte ich ihn anschließend nochmal formell und ließ meinen Blick über seinen Körper gleiten. Er hatte abgenommen und das eine ganze Menge. Sein Loyal-T-Shirt saß sonst immer sehr straff an seiner Brust, doch inzwischen war es lockerer. Er musste meinen Blick verstanden haben und sah mich entschuldigend an. „Euer Fehlen tut mir einfach nicht gut", flüsterte er und führte seine Hand zu seinem Nacken.

Fels in der BrandungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt