34. Tiefe Einblicke

1.4K 101 73
                                    

AZAD

„Fingerabdrücke, die man auf den Seelen anderer hinterlässt, verblassen nicht."

aus dem Film „Remember Me"

„Azad was ist das?", Zümra schaute überfordert zwischen dem Strauß und meinem Gesicht hin und her. Ein Lachen unterdrückend wendete ich meine Blicke ebenfalls auf den Rosenstrauß zwischen meinen Händen, den ich ihr entgegenhielt. „Das sind Rosen", grinste ich stumpf und brachte sie zum Schmunzeln. „Neuerdings Florist geworden oder was?", sie verdrehte die Augen und blickte auf den Max-Eyth-See. „Kannst du mir den Strauß bitte aus den Händen nehmen? Ich komme mir vor, wie ein Idiot", auf meine Aussage schüttelte sie verneinend ihren Kopf und entlockte mir ein Lachen. „Ich musste durch die ganze Stadt fahren, um diese Blumen zu besorgen", seufzend ließ ich mich neben ihr auf der Bank nieder.
„Wieso?", nach einer gefühlten Ewigkeit drehte sie ihren Kopf zu mir und schaute in meine Augen. „Wieso bist du immer da, wenn ich jemanden brauche? Warum kaufst du mir Blumen? Warum bist du so, wie du bist?", ihre Stimme zitterte und ängstlich wendete sie ihre Blicke wieder von mir ab.

Genau aus dem Grund, der dir durch den Kopf geht, hätte ich am liebsten gesagt.
Stattdessen legte ich meinen Kopf in den Nacken und starrte den wolkenbedeckten Himmel an.

„Heute ist der Geburtstag meiner Mutter und seitdem ich 10 bin, habe ich die Angewohnheit meiner Mutter und meiner Großmutter denselben Strauß zu kaufen. Inzwischen sind so viele Jahre her seitdem Anneanne (Großmutter) tot ist und doch konnte ich es wie jedes Jahr nicht lassen den zweiten Strauß zu kaufen", ich schloss die Augen und genoss die kalte Spätherbstluft. „Normalerweise kriegt ihn immer Hülya Teyze (Tante), also Okans Mutter", ich lächelte den Himmel an. „Aber heute wollte ich ihn dir geben, es war einfach so ein Impuls", vorsichtig ließ ich meine Blicke zu ihr gleiten und sah, wie sie versuchte ihr Lächeln zu unterdrücken.

Sie ergriff das Ende des Straußes, der auf meinem Schoß lag und umarmte ihn vorsichtig, bis ihr Gesicht hinter den Rosen verschwand und sie den Geruch inhalierte. „Weißt du, das ist der erste Rosenstrauß den ich bekommen habe", über ihre Beichte musste ich breit lächeln. Das hieß nämlich, dass sie sich an mich erinnern würde, egal was das Schicksal für uns bereithielt.

„Wollen wir etwas essen gehen?", obwohl wir beide die beruhigende Stille genossen, versuchte ich ihre Stimme zu hören. „Ja, gerne", leicht nickend stand sie von der Bank auf und blickte mich auffordernd an. Nachdem auch ich auf den Beinen stand, liefen wir diskutierend — wo wir denn essen sollten — den Weg zu unserem Hochhaus entlang.
Als wir in meinem Wagen saßen — sie war förmlich zur Beifahrertür gerannt — grinste ich sie breit an.
„Wieso hast du so große Angst davor meinen Wagen zu fahren?", ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss und ließ meine Blicke auf ihr verweilen. „Ich fahre nicht gerne fremde Autos. Und dann vor allem keine, die ein Vermögen kosten", sie zuckte mit den Achseln und beugte sich zum Autoradio vor. Während sie verzweifelt nach Musik, der ihrem Geschmack entsprach, suchte, beugte ich mich leicht zu ihr und öffnete das Handschuhfach. Dabei streiften sich unsere Arme und als hätte sie sich verbrannt, zog sie ihren Arm sofort zurück und setzte sich aufrecht hin. „Da sind meine Heiligtümer, können gerne eins von den Alben hören", ich startete den Wagen und fixierte die Straße.
„Das ist doch unmöglich", flüsterte sie plötzlich vor sich hin und ich riskierte einen kurzen Blick zu ihr. „Das entspricht exakt meiner CD-Sammlung", erklärte sie und schüttelte mit dem Kopf. „Ich hätte aber nicht gedacht, dass du Dardan hörst", sie lachte und hielt das Album von dem Albaner in die Höhe. „Man sollte seine lokalen Künstler unterstützen", ich grinste, doch dieses Mal ohne sie anzusehen. „Deswegen würde ich meine Hand ins Feuer legen, dass du Juri hörst", an einer roten Ampel kamen wir zum Stehen und ich erkannte ihr Grinsen. Sie nickte kurz, als sie meine Blicke auf sich spürte.

Fels in der BrandungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt