AZAD
"Jede Träne erzählt ihre Geschichte
Verschwommene Bilder, während ich sie wegwische
Zeitsprung – Vergangenheit, Kindheit
Wie gern würd' ich nur noch einmal Kind sein!
Die ganzen Menschen wiederseh'n
Und ihn'n sagen, wie sehr sie in der Zukunft fehl'n"Mudi - Träne
Unkonzentriert kritzelte ich auf meinem Block herum, während ich eigentlich die Vorlesung verfolgen müsste. Mein Gehirn war seit dem Aufeinandertreffen mit Zümra — welches inzwischen schon zwei Wochen zurücklag — so voll, dass ich mich keiner meiner Aufgaben komplett widmen konnte. Lediglich auf der Arbeit war ich vollkommen dabei und das auch nur, weil ich wusste, wie sehr ich diese Stelle brauchte.
„Wo bist du mit deinem Kopf", sprach Mevlüt mich an, während wir unsere Sachen zusammenpackten. Ich war gewaltvoll durch das Klopfen auf den Tischen aus meinen Gedanken gerissen worden. „Hast du heute Zeit?", fragte ich ihn, ohne auf seine Frage einzugehen. „Ich bin heute alleine zuhause", er grinste breit mit einem Hauch von Perversität, während er mir das erzählte und ließ mich laut auflachen. „Ich dachte, dass nur Okan dir Anmachsprüche machen würde, wir haben anscheinend auch Mevlüt verloren", lachend beobachtete Gençer das Geschehen. „Der Herr verdreht halt nicht nur der Frauenwelt, sondern auch uns Männern den Kopf", zuckte Okan mit den Schultern — als wäre es eine ernsthafte Entschuldigung für das, was sie immer wieder taten.
„Welchen Mädchen soll ich denn bitte den Kopf verdreht haben?", lachte ich über diese bescheuerte Behauptung — ich war doch nur ein durchschnittlicher Schwarzkopf.
„Meint er das gerade tatsächlich ernst?", entsetzt blickte Selim zu mir und schüttelte lachend den Kopf. „Hast du schon mal darauf geachtet, wie dich Amines Freundinnen ansehen? Sie stehen bei jedem Zusammentreffen kurz vorm Sabbern", erklärte er mir, worüber ich nur unglaubwürdig lachte. „Ich habe doch nichts Besonderes an mir, also wieso sollten sie?", sprach ich verständnislos und zog mir dabei die Cap ab, um meine Haare zu richten und sie mir wieder anzuziehen.
„Egal was wir jetzt sagen, wirst du uns nicht glauben", zuckte Mevlüt mit den Schultern und lief aus dem Hörsaal, und machte somit den Anfang für uns alle.Schleichend liefen wir über den Campus, auf dem ich plötzlich einen Lockenschopf ausmachte, der mich stocken ließ.
Zümra.
Als hätte sie gehört, dass ihr Name durch meinen Kopf gegangen war, blickte sie hoch und geradewegs in unsere Richtung. Anscheinend hatte sie mich nicht wiedererkannt, denn sie wandte ihren Blick sofort wieder ab. Es mochte krankhaft klingen, doch ich hatte sie vermisst. Hatte ich überhaupt das Recht sie zu vermissen?
„Schau, das ist meine Nachbarin", sprach ich zu Mevlüt, der sich nach ihr umdrehte und sich im nächsten Moment total verkrampfte – was mich leicht verwirrte.
Was hatte er denn?„Azad", rief unerwartet eine weibliche Stimme hinter mir, die mich leicht aus dem Konzept brachte. „Leyla", lächelte ich sie gezwungen an und versuchte den Gedanken zu verdrängen, der sich wie ein Mantra in meinem Hirn wiederholen würde.
Sie hatte mit ihm geschlafen.
Toll verdrängt. Wenn ich könnte, würde ich mich applaudieren.„Wie geht's dir?", fragte sie und strich sich eine ihrer Strähnen hinters Ohr. Wie sehr ich diese Geste eigentlich an ihr liebte, konnte ich nicht in Worten ausdrücken. Aber nun konnte ich nichts anderes empfinden als Hass und Wut.
„Ganz gut", zuckte ich mit den Achseln und versuchte mich krampfhaft vom Nachdenken abzuhalten.Sie hatte mit ihm geschlafen.
„Wie geht's dir? Wie waren eure Flitterwochen", fragte ich gezwungenermaßen — denn etwas anderes fiel mir zu diesem Augenblick nicht ein —, während ich meine Hände in den Taschen meiner Jacke vergrub. Sie sollte nicht sehen, wie fest ich meine Faust zusammenballte, sollte nicht sehen, wie schwer mir das Gespräch fiel.
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Fels in der Brandung
Ficção AdolescenteZwei zerstörte Seelen, die aufeinandertreffen. Die sich gegenseitig heilen. Zümra und Azad. Man sagt Liebe sei das Aufeinandertreffen von zwei Seelen, die gegenseitig all ihre guten und schlechten Seiten akzeptieren und bereit sind alles füreinander...