ZÜMRA
„Beim Abschied wird die Zuneigung zu den Sachen, die uns lieb sind, immer ein wenig wärmer."
Michel de Montaigne
Seufzend klappte ich meinen Laptop zu und ließ meine Blicke auf mein Handy wandern, das gerade aufleuchtete. Felix hatte mich gebeten in die Mensa zu kommen, weswegen ich seufzend meine Lernsachen zusammenpackte und zum Ausgang der Universitätsbibliothek lief.
Es war erschreckend, wie schnell die Zeit vergangen war — seit meinem Umzug waren inzwischen knapp fünf Monate vergangen und die erste Klausurphase meines Masters stand bereits in einigen Wochen an.„Riedel, was war so wichtig, dass du mich mitten im Lernflow hergerufen hast?", grinsend lief ich auf die Gruppe meiner Jungs zu, die sich in der Mensa an einen der Tische gesetzt hatten und starrte auf die leichten Locken von Felix.
Meine Jungs — dieser Gedanke brachte mich zum Grinsen. Mirza würde durchdrehen, wenn er erfahren würde, dass ich eine Gruppe, die nicht meine Brüder waren, als „meine Jungs" betitelte, und doch hatten es diese vier deutschen Jungs — Felix, Max, Jonas und Jan — aus der Uni geschafft.
Noch bevor ich den Tisch erreichte, an dem sie saßen, spürte ich jedoch die dicke Luft — irgendetwas lief hier gewaltig schief.
Felix erhob sich von seinem Stuhl und drehte sich zu mir, gewährte mir somit einen Moment zum Mustern. Eine schwarze Jeans schmiegte sich um seine Beine, während sein Oberkörper von einem hellblauen Hemd betont wurde. Die Lederschnürschuhe — Oxfords, wenn man es genau wollte — verwirrten mich nur noch mehr.
Wo waren seine Lieblingskleidungsstücke? Wo war der Hoodie? Wo die Snapback? Und wo die Nike's?
„Felix, warum siehst du so aus, als hättest du dein Leben im Griff?", fragend musterte ich ihn und anschließend mit der Hoffnung eine Antwort auf meine Frage zu bekommen, die Jungs. „Ich habe mein Leben im Griff", er betonte das zweite Wort, zuckte unsicher mit seinen Achseln und steckte seine Hände in die Hosentaschen. Dadurch wirkte er wie ein kleines, süßes Kind, weswegen ich ein kurzes Lächeln nicht unterdrücken konnte.
„Was hat das zu bedeuten?", forschte ich anschließend zögernd nach — nicht sicher, ob ich seine Antwort verkraften würde. „Setz dich doch erstmal hin", er deutete auf den Stuhl neben Jonas, der zu seiner Rechten saß. Nickend ließ ich mich auf dem Stuhl nieder und öffnete den Reisverschluss meiner Jacke und hing sie auf die Rückenlehne.
„Ich halte es einfach kurz. Um den Trennungsschmerz nicht immer wieder von neu zu erleben, habe ich euch zusammen getrommelt. Ich lege mein Studium aufs Eis. Ich hatte euch doch mal von Michi erzählt, meinem Kumpel aus der Heimat. Er ist an einem Finanzierungsprojekt beteiligt und hat mich aufs Boot gezogen. Wir machen uns so zu sagen selbstständig, aber alles ohne Risiko", erklärte er uns kurz und entriss mir damit mein Herz.
Was hieß hier er legte sein Studium aufs Eis? Er konnte doch nicht einfach so gehen? Vor allem nicht, wenn er sich so gut in mein Leben integriert hatte!
Einen kurzen Moment schwiegen wir alle — es war auch nichts mehr zu sagen, wenn er sich bereits entschieden hatte zu gehen.
„Hey, nicht sentimental werden", flüsterte Jonas und legte seinen Arm um meinen Stuhl. Ich zwang mich zu einem Lächeln, aber spürte bereits das Ziehen an meiner Wange, wegen der salzigen Tränenspur. Felix' Blicke waren auf mich gerichtet und er schluckte schwer, als er die Träne an meiner Wange sah. Stumm erhob er sich von seinem Stuhl und zog mich ebenfalls auf die Beine. „Ich hasse dich dafür", schluchzte ich, als er mich gegen seine Brust drückte und die Arme um mich legte. „Ich weiß", seufzte er und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab. „Und doch kann ich nichts anderes tun, als dir viel Glück auf deinem Weg zu wünschen, du Idiot!", ich versuchte zu lachen und doch hörte es sich so falsch an.
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Fels in der Brandung
Teen FictionZwei zerstörte Seelen, die aufeinandertreffen. Die sich gegenseitig heilen. Zümra und Azad. Man sagt Liebe sei das Aufeinandertreffen von zwei Seelen, die gegenseitig all ihre guten und schlechten Seiten akzeptieren und bereit sind alles füreinander...