Nahaufnahme

10. Kapitel

Mit einem Lächeln halte ich dem Mann am Eingang zur Halle meine Karte hin, dann laufe ich hinter den anderen her direkt nach vorne zur Bühne.
Die Scheinwerfer gleiten an der Decke entlang, in allen möglichen Farben und Formen und Mustern, sodass ich unwillkürlich grinsen muss.
Derjenige, der das machen darf, hat gerade eindeutig Spaß.
Applaus erhebt sich und ich wende mich von der Decke ab, nur um Pentatonix zu sehen, die gerade lachend auf die Bühne kommen und uns kurz zuwinken.
Und schon bin ich wieder nur ein Gesicht zwischen vielen.
Ich werde mich wahrscheinlich nie daran gewöhnen können.
„Okay, bevor wir anfangen, müssen wir euch etwas von Ben ausrichten, unserem Produzenten und Tontechniker. Er springt heute für das Licht ein und wir sollen kurz eine Schweigeminute für seine Kunstwerke einlegen", meint Scott und starrt dann erstaunlich andächtig mit den anderen an die Decke, während ich hoffe, dass das während dem Konzert besser aussieht.
„Reicht!", ruft Mitch dann plötzlich und bringt wieder alle zum Lachen.
„Was singen wir?", fragt Kirstie.
„Gute Frage!", sagt Mitch und schaut am mittleren Bühnenrand kurz auf den Boden.
Da liegt wahrscheinlich immer ihre Setlist.
„Heute ist Freestyle angesagt", meint er, bevor er seufzend von der Bühne verschwindet und kurze Zeit später wieder mit einem Zettel in der Hand zurückkehrt.
„Schaut mal, was ich gefunden habe. Die Nacht ist gerettet", grinst er stolz und erntet belustigten Applaus.
„Ihr könnt es auch ohne!", ruft jemand und Avi schaut ihn schief an.
„Glaub mir, mit Setlist ist es besser. Für euch. Sonst singen wir alle ein anderes Lied, und das ist... Nein", meint er.
Als die ersten Töne von Cracked erklingen, stelle ich mich bequemer hin und überlege, warum sie hier so locker sind und beim richtigen Konzert nicht.
Nicht, dass es mir nicht gefällt, eher im Gegenteil.
Ich frage mich nur, wie ich nach dieser Erfahrung die normalen Konzerte so sehr genießen soll wie früher.
„Mitch?", fragt Avi, nachdem das Lied vorbei ist.
„Sollen wir?", grinst der Tenor und schaut sich schelmisch um.
„Kevin, wir brauchen ein Thema", meint Avi und sieht den Beatboxer erwartungsvoll an.
„Letztes Mal hatten wir Augenfarbe, oder? Okay. Lieblingshaarfarbe", antwortet dieser und überlegt wohl schon, wie viele der Fangirls ausrasten werden.
„Haltet euch besser die Ohren zu", warnt uns Kirstie dann und legt sofort ihre Hände über die Ohren, um zu zeigen, wie ernst sie es meint.
Zögernd mache ich es ihr nach, auch wenn ich ein bisschen Angst davor habe, irgendetwas zu verpassen.
Unbegründet, wie ich wenige Sekunden später feststelle.
Zu den unglaublich tiefen Tönen, die Avi zaubert, mischt sich Mitchs unfassbar hohe Stimme.
Ich bin so sehr auf die Tonlagen fixiert, dass ich fast nicht höre, was sie wirklich singen.
Mitch zieht ein „blond" in die Länge - und Höhe -, während mir Avis „braun" Schauer über meinen Rücken jagt.
Bevor ich realisiere, dass ich braune Haare und eine fast-blonde Strähne habe, bedenke ich Scott und Mitch mit einem kritischen Blick.
Ich gebe es ja zu, ich shippe sie immer noch, auch wenn sie mir inzwischen viel menschlicher vorkommen.
Und ich meine, wer würde denn hierbei nicht skeptisch werden?
Mitch hat gerade quasi zugegeben, dass er Scotts Haarfarbe am schönsten findet.
Als die beiden keine Luft mehr haben und lachend aufhören, kommt kein Applaus, wie ich erwartet habe.
Die Halle ist von fassungsloser Stille gefüllt.
„Das Tonsystem ist stabil", grinst Mitch, sieht dann aber die verblüfften Gesichter und legt den Kopf schief.
„Das musste sein", entschuldigt sich Avi schon fast.
Seine tiefe Stimme weckt alle aus ihrer Starre und endlich bricht der Applaus los.
Avi lächelt nur und schaut sich um.
Ich folge seinem Blick und bemerke, dass ich eine der einzigen Brünetten hier bin.

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Überraschung!
(Dafür kommt dann aber morgen kein Kapitel. Und nächsten Dienstag wahrscheinlich auch nicht. Aber ich hoffe, dass ich nächsten Freitag wieder da bin. ;))