Ich ziehe nicht erst meine Jacke oder die Schuhe aus, nachdem ich in das Hotelzimmer gestürzt bin.
Ich werfe auch nicht die Tasche aufs Bett oder in die Ecke.
Mit zitternden Fingern ziehe ich den kleinen Zettel von Scott aus meiner Hosentasche, die eigentlich viel zu eng für meine Hand ist und mir in der letzten Stunde gefühlt den ganzen Arm hat absterben lassen.
Ich weiß nicht, was ich erwarten soll, und das macht mich nur noch ungeduldiger.
Die letzte Stunde war die Hölle, zwischen den Fans zu stehen, den Zettel in meiner Tasche, dessen Ecken ich haargenau spüren konnte, und doch zu wissen, dass ich ihn nicht öffnen darf.
Scott wird wissen, was er damit bezwecken wollte, mir das kleine Stück Papier im Verborgenen zu geben.
Vielleicht.
So tollpatschig, wie er heute war, bin ich mir da nicht so ganz sicher.
Die Wärme meiner Hand hat das Papier weich gemacht, und ich kaue unsicher auf meiner Unterlippe, während ich es langsam auffalte.
Als ich den ersten Buchstaben sehe, schwungvoll und ein wenig krakelig, überlege ich zum ersten Mal wirklich, was der Sänger mir gegeben hat.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er mir eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer aufgeschrieben hat, damit ich sie kontaktieren kann?
Oder ist es doch eine einfache Nachricht?
Mir wird übel, als mir klar wird, dass durchaus nichts Gutes auf dem kleinen Stück Papier stehen muss.
Es kann auch sein, dass Scott einfach nicht mehr will, dass ich sie verfolge.
Ich gebe es ja zu - ein wenig gruselig kommt es sogar mir vor, und ich bin es selbst, die jemandem hinterher fliegt.
Seufzend vertreibe ich die Gedanken aus meinem Kopf und öffne den Zettel ganz.
Es ist eine E-Mail-Adresse.
Langsam ziehe ich meine Jacke aus, meine Schuhe, und dann landet die Tasche auf dem Bett.
Schon während ich den Laptop hervorhole, grübele ich, was ich schreiben soll.
Ich hasse so etwas.
Wenn es ein bestimmtes Thema gibt, ist es noch in Ordnung - Aber einfach so?
Mit den Fingerspitzen tippe ich unregelmäßig auf die Tastatur, lösche die Buchstaben wieder, und so geht das eine Stunde lang.
Ich gebe zu, ich bin nicht mehr so ganz bei der Sache.
In einem anderen Tab habe ich YouTube geöffnet, und über Spotify läuft schon seit einer Dreiviertelstunde die Playlist mit Avis Lieblingsliedern, weil ich es gerade komisch finde, eine Mail an Pentatonix zu schreiben und dabei ihre Musik zu hören.
Seufzend gebe ich auf und scrolle auf YouTube durch Videos, die ich mir später ansehen wollte.
Manche sind bestimmt schon mehrere Jahre da drin.
Ich ignoriere, dass es schon weit nach Mitternacht ist und ich mir hiermit meinen Schlafrhythmus noch mehr zerstöre, und lösche einige Videos aus der Playlist, bis ich etwas finde, was meine Aufmerksamkeit mehr als weckt.
Das kurze Video von Kevin ist ungefähr einen Monat alt.
Der rote Streifen unter dem Thumbnail zeigt mir an, dass ich es schon kenne, und mein Unterbewusstsein sagt mir, dass es stimmt und das Video etwas Wichtiges enthält, doch ich kann mich nicht daran erinnern, und dafür verfluche ich mich selbst.
Keine Sekunde später erscheint Kevin auf meinem Bildschirm und fängt an zu reden.
Die erste Minute vergeht, die zweite, die dritte, und langsam fange ich an, mich zu fragen, ob mein Unterbewusstsein recht hatte oder mir aufgrund der späten Uhrzeit einfach einen Streich gespielt hat.
Bis die Stelle kommt.
„Ich mache mir Sorgen um Avi. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn. Ihn nimmt das am meisten mit."
Und dann weiß ich, was ich ihnen schreiben kann.Hey, ihr alle.
Ich hoffe, ihr könnt mit meinem Namen etwas anfangen, ich weiß nicht mehr, ob ich ihn euch schon gesagt habe.
Ich bin Amari.
Mir ist bewusst, dass es spät ist, und ihr wahrscheinlich schon auf dem Weg zum nächsten Konzert seid oder schlaft, aber ich wollte etwas loswerden.
Das Konzert in Frankfurt hat mich damals auch mitgenommen, selbst wenn ich schon einige Erfahrung mit so was gemacht habe.
Ich bin mir sicher, dass es an euch nicht spurlos vorbeigegangen sein kann, und deswegen wollte ich euch fragen, wie - oder ob - ihr damit klar kommt.
Glaubt mir, ich kenne mich damit besser aus, als ich will.
Und ich weiß, dass immer Reste bleiben werden.
Ich hatte damals - und habe immer noch - Angst um euch.Sonst müssen wir wohl den Vorschlag einer Bekannten von mir umsetzen, die meinte, dass ich mit euch eine Gruppentherapie machen sollte. ;)
Liebe Grüße, Amari
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Nahaufnahme
Fanfiction{Pentatonix FanFiction} „Wir kennen sie alle. Und sein wir ehrlich, nicht von irgendeinem normalen Konzert." Nachdem Amari der A-Capella-Gruppe Pentatonix zum zweiten Mal in ihrem Leben richtig gegenüberstand, geht ihr Plan erst richtig los - Die An...