17. Kapitel

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Es braucht nur ein winziges, kaum sichtbares Handzeichen von Avi, und schon kommt einer der Sicherheitsmänner auf mich zu, um mich über den Zaun zu heben.
Das habe ich wieder toll hinbekommen.
Die Aufmerksamkeit nicht erregen wollen, jemand anderem die Chance geben, und Avi dann mit einem Pfiff herausfordern.
Immerhin kann man aus seinen Fehlern lernen.
„Hallo", begrüßt mich der Basssänger lächelnd, wobei er unglaublich scheinheilig aussieht.
Ich schüttele leicht den Kopf und lasse mich in eine kurze Umarmung ziehen, bevor ich hinter ihm auf die Bühne gehe.
Kirstie schaut mich kurz verblüfft an, schließt mich dann aber grinsend in die Arme.
„Wen haben wir denn da?", fragt Mitch und zwinkert mir zu.
Er sitzt schon und sieht auch nicht so aus, als würde er für mich aufstehen, aber das halte ich auch nicht für überlebenswichtig.
In drei Tagen habe ich sowieso wieder ein VIP-Ticket.
Scott und Kevin umarmen mich kurz, und dann lasse ich mich grinsend neben Avi auf die kleinen Sitzsäcke sinken.

„Ich bin gleich wieder da", meint Scott, nachdem der letzte Applaus verklungen ist und wir aufstehen, um wieder von der Bühne zu gehen.
Verwirrt schaue ich ihm hinterher, als er in den Backstagebereich rennt.
Den anderen, die neben mir stehen, geht es nicht anders.
Es ist komisch, Scott zu sehen, der von der Bühne verschwindet.
„Tschüss, Scott", sagt Mitch trocken und fängt schon damit an, uns noch mal zum Abschied zu umarmen.
„Das habe ich gehört!", ruft Scott aus dem Off.
Seine Stimme schallt aus den Lautsprechern; anscheinend ist sein Mikrofon noch an.
Mitch zuckt nur unschuldig mit den Schultern, während Kirstie so aussieht, als würde sie gleich sterben vor lachen.
Der Menge und mir geht es allerdings nicht anders.
Ich liebe die Art, wie Scott und Mitch miteinander umgehen, und auch die Tatsache, dass sie hier so offen und locker sind.
Ich kann mich wirklich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie vielleicht doch nicht zusammen sind.
Mitch kommt auf mich zu und ich denke schnell wieder an das Konzert.
Nicht, dass ich mich jetzt noch als Scömìche-Shipper oute und anschließend nur noch komische Blicke von Scott und Mitch – nein, eigentlich von ganz Pentatonix – ernte.
„Verfolgst du uns?", fragt er mich während der Umarmung lachend.
„Hab ich euch doch gesagt", antworte ich grinsend, bevor ich mich Avi zuwende, um auch ihn noch mal zu umarmen.
Ich weiß nicht, ob es mir nur so vorkommt oder wirklich so ist, aber ich finde, dass die Umarmungen, seit sie mich wirklich kennen, viel gefühlvoller sind.
Nicht, dass mich das wundern würde, ganz im Gegenteil.
Es freut mich.
Sie vertrauen mir.
Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als ich mich von Avi löse und Kevin in die Arme schließe.
Dabei versuche ich die Tatsache zu ignorieren, dass selbst Kevin viel größer ist als ich, obwohl er kleiner ist als Scott – was zugegeben auch nicht schwer ist, bei der Größe des Baritons.
Der Jubel wird wieder lauter und als ich mich von Kevin löse, sehe ich den Grund.
Scott ist wieder auf der Bühne und verbeugt sich gerade übertrieben am vorderen Rand, während er Luftküsse verteilt.
Ich verdrehe die Augen und gehe, neben Mitch, der anscheinend gerade die gleiche Idee hatte, auf den Sänger zu, der uns nicht kommen sieht.
Gleichzeitig tippen Mitch und ich ihm auf die Schultern und Scott zuckt erst zusammen, dann dreht er sich einmal um seine eigene Achse, etwas desorientiert.
Nachdem er Mitch umarmt und gemerkt hat, dass irgendetwas daran nicht stimmt, wendet er sich verwirrt mir zu.
Dabei fällt ihm auf, dass er soeben die falsche Person in den Arm genommen hat.
Ich warte grinsend und versuche, die Scömìche-Rufe in meinem Kopf zu ignorieren.
„Dich kennen wir doch", sagt Scott grinsend zu mir, als ich meinen Kopf an ihn lehne, was erstaunlich gut geht, da er die perfekte Größe dafür hat.
„Könnte sein, du", antworte ich mit einem schiefen Grinsen, als er einen Schritt zurück tritt und dabei fast von der Bühne fällt.
Das ist aber eine ordentliche Portion Tollpatschigkeit heute.
Vorsichtig lässt Scott meinen Arm los, an dem er sich eben erschrocken festgeklammert hat.
Dann geht er einen Schritt auf mich zu und steckt mir eine kleine Karte zu, wobei er uns mit seinem breiten Rücken vor den neugierigen Blicken der Fans schützt.
Wortlos nehme ich den Zettel und stecke ihn ein.

Und das ganze restliche Konzert über halte ich ihn in meiner Hosentasche fest umklammert.

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