37. Kapitel

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Für alle, die gerade wegen Avi leiden, sich für ihn freuen, trotzdem Tränen vergießen, nicht wissen, was sie fühlen sollen, weil sie zu sehr gespalten sind

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Am nächsten Tag lerne ich nicht nur den Rest des Teams kennen, sondern auch den Tagesablauf von Pentatonix.
Nachdem wir um 11 Uhr gefrühstückt haben, hat Mitch uns hochmotiviert mit zur Halle geschleppt, wo wir erst mal ein paar Minuten hilflos herumstanden, bis Esther nachgekommen ist und uns den Weg gewiesen hat.
Reingelassen wurden wir nämlich auch nicht.
Weil das gesamte Team - und erstaunlicherweise auch Phips und Mitch - beim Aufbau geholfen haben, waren wir nach einer Stunde mit allem fertig.
„Alles, was singen kann, jetzt auf die Bühne. Generalprobe", kündigt Kirstie irgendwann grinsend an, als sie sieht, dass die Mikrofone, die bis eben noch gefehlt haben, aufgetaucht sind.
„Phips kann auch gut singen!", rufe ich Pentatonix hinterher, als sie sich zu fünft auf den Weg machen, doch Phips winkt nur grinsend ab.
„Ich dachte, die Probe ist erst später?", frage ich Esther, die anscheinend eine freie Minute gefunden hat, um den Sängern zuzuhören.
„Du meinst mit den VIPs? Nicht ganz, das ist zwar die offizielle Probe, aber ich sehe sie lieber vorher schon mal da oben, nicht, dass hier etwas gehörig schief läuft", erklärt Esther lachend.
So, wie sie das sagt, ist schon öfters etwas gehörig schiefgelaufen.
„Du willst nicht wissen, wie viele Dinge schief laufen können. Man sollte meinen, dass sich die Fünf irgendwann auskennen und wissen, was alles Dinge zerstört und was nicht, aber sie schaffen es immer wieder, das Soundsystem zum Absturz zu bringen. Oder jemand lässt sein Mikrofon fallen und es geht nicht mehr. Einmal hat Scott es sogar geschafft, zu vergessen, dass er sein Mikro noch anmachen muss, und dann stand er verwirrt auf der Bühne. Zum Glück war das nicht live", erklärt Phips, als sich Esther wieder Pentatonix zuwendet.
„Das ist ihm auch schon mal vor Publikum passiert", gluckst sie in dem Moment und Phips prustet gemeinsam mit mir los.
„Wieso kann ich mir das so gut vorstellen?", frage ich keuchend, nachdem wir uns wieder beruhigt haben.
„Was lacht ihr da hinten so?", fragt Kirstie misstrauisch und ihre Stimme schallt durch die ganze Halle.
Die Mikrofone funktionieren also.
Immerhin.
Phips winkt ab, doch ihr vertraut Pentatonix anscheinend noch nicht - oder nicht mehr.
Erst, als Esther ebenfalls den Kopf schüttelt, singen sie weiter.


„Hast du deine Kamera?", fragt Phips.
Wir saßen in der letzten Stunde wieder im Bus, weil Phips langweilig wurde.
Ich habe meine Chance gewittert und wollte sie über Kirvin ausfragen, aber sie klebte durchgehend an ihrem Handy.
Ich hingegen habe über alles nachgedacht, und jetzt bin ich in einer erstaunlich tiefgründigen Phase. Und weil ich in einer solchen noch nie fotografiert habe, will ich es ausprobieren.
Wortlos halte ich also meine Kamera hoch und folge der grinsenden Phips über den Parkplatz.
„Bist du überhaupt nicht aufgeregt?", fragt Phips, als sie mich zielstrebig durch den Backstagebereich führt.
„Damit würde ich nur Zeit verschwenden. Ich habe beschlossen, es einfach zu genießen, so lange es noch anhält", antworte ich lächelnd.
„Du bist komisch. Merkst du eigentlich, wie sehr wir dich schon ins Herz geschlossen haben? Die anderen haben nur nicht so viel Zeit, um das zu zeigen. Esther ist viel zu produktiv für große Pausen, Scömìche und Kirvin hängen immer aneinander... Hey, es gibt immer noch Avi! Oder Kirstie, wenn Avi ihren Freund in Beschlag nimmt. Wobei Kirstie und Avi es schaffen, immer irgendwas zu tun zu haben", meint Phips und zuckt mit den Schultern, „Aber wenn du jetzt auf einmal verschwinden würdest, würdest du sie alle so durcheinanderbringen! Du gehörst mittlerweile so sehr zu ihrem Leben, dass sie wahrscheinlich gar nicht mehr daran denken, dir zu zeigen, wie sehr sie dich lieb haben."
Schockiert starre ich Phips an.
Wenn Avi Kirsties Freund in Beschlag nimmt?
Und vorbei ist die Phase meiner Tiefgründigkeit.
„Du meinst, Kirstie und Kevin sind zusammen?"
Phips gluckst nur und hält mir die Tür auf.
„Das würde ich gerne selber wissen, glaub mir", antwortet sie und lässt mir schon wieder keine Zeit, um nachzuhaken, weil wir im selben Moment auf Pentatonix treffen.
„Und? Aufgeregt?", fragt Mitch grinsend.
Ich schüttele den Kopf und schaue zu meiner Kamera, die über meiner Schulter hängt, ich will Mitch gerade mitteilen, dass ich mich heute aufs Fotografieren konzentrieren werde, da fällt mein Blick auf etwas, was mich vollkommen aus der Fassung bringt.

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