15. Kapitel

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Ich habe die Halle gefunden.
Keine fünf Meter von meinem Hotel entfernt.
Gefühlt.
Natürlich bin ich dann doch nicht da geblieben, weil mein Hunger mich keine Stunde nach meinem grandiosen Fund wieder ins Hotel getrieben hat.
Nachmittags bin ich wieder losgegangen, und nachdem ich eine Weile einfach nur gewartet habe, ist meine Inspiration doch aufgewacht.
Jetzt renne ich also um die Halle herum und fotografiere alles, was nicht wegrennt.
Es ist erstaunlich, wie schnell die Zeit dabei vergeht.
Aber ich will mich nicht beschweren, eher im Gegenteil.
Ich habe geübt, neue Fotos für eventuelle Wettbewerbe geschossen und mir die Zeit vertrieben, was will man mehr?
Vielleicht, dass es warm ist, aber das habe ich über die Fotografie sowieso vergessen.
Als sich jedoch die Sonne langsam senkt, merke ich, wie es allmählich kälter wird, und als ich die letzten Bilder vom Sonnenuntergang gemacht habe, mache ich mich wieder auf den Weg zum Eingang, wo schon die ersten Leute stehen.
Nach kurzem Überlegen gehe ich einfach zu einer kleinen Gruppe.
Ich hoffe mal, dass die Taktik der Pinguine, sich zusammenzukuscheln, auch bei Menschen funktioniert.
„Hey!", werde ich begrüßt und ich hebe zur Begrüßung kurz die Hand.
„Gehst du auch zu Pentatonix?", fragt jemand und ich nicke, während ich mein Kinn im Jackenkragen verstecke.
„Ich bin schon länger hier, deswegen ist mir ein klein wenig kalt", entschuldige ich mich grinsend.
„Was hast du hier bitte gemacht? Hier ist doch nichts."
Ich deute wortlos auf meine Kamera.
„Ich habe ziemlich viel gefunden, dafür, dass hier nichts ist", lache ich.
„Fotografierst du?", kommt eine Frage von der Seite.
Am liebsten würde ich ironisch widersprechen, aber ich weiß nicht, ob das so gut ankommen würde.
„Ja", antworte ich also knapp.
„Das will ich auch immer machen, aber Kameras sind so unfassbar teuer, und woher soll ich die Zeit bekommen?", sagt ein Mädchen, den Blick auf ihr Handy gerichtet.
Ich glaube, ich wüsste, wie sie sich mehr Zeit verschaffen könnte.
„Gute Kameras kann man sich zum Teil auch ausleihen, und wenn man dann ein Foto macht und es bei einem Wettbewerb einreicht, hat man wenigstens den Hauch einer Chance, eine gute Kamera zu gewinnen", meine ich und bekomme von dem Mädchen nur ein halbherziges Lächeln geschenkt.
Naja. Ist nicht mein Leben.
„Kommt ihr mit rein?", ruft jemand und stürmt schon voraus, bevor eine Antwort kommt.
Daraufhin löst sich die Gruppe auf und ich gehe kopfschüttelnd hinterher.
Mein Plan, in die erste Reihe zu kommen, hat sich soeben in Luft aufgelöst.
Die Leute aus der Gruppe werden wahrscheinlich auch alles geben, um dorthin zu kommen, und darauf habe ich gerade wenig Lust.
Ein wenig komisch waren sie ja schon.
„Bist du alleine hier?", spricht mich jemand an und ich zucke erschrocken aus meinen Gedanken.
„Ja", antworte ich dann lachend.
„Ich auch! Kommst du mit rein?", fragt die junge Frau und ich folge ihr grinsend.

„Hast du was dagegen, wenn ich irgendwann ein Foto mache?", frage ich, nachdem die Vorband verschwunden ist und die Lichter wieder angehen.
„Von mir?"
Die junge Frau neben mir schaut mich verblüfft an.
„Wenn es dir nichts ausmacht?"
Wir sind doch in der ersten Reihe gelandet, und als ich sie während der Vorband angeschaut habe, musste ich grinsen.
Einfach, weil sie so fröhlich und voller Energie ist.
„Ich habe kein Problem damit", lacht sie und wendet sich kurz der Bühne zu.
„Und wenn ich sie theoretisch veröffentliche oder für einen Wettbewerb benutze?", frage ich vorsichtig nach.
„Das ist nichts, womit ich jetzt prahlen will oder so, aber ich bin Model. Solange sie nicht unglaublich schrecklich sind, kannst du das machen. Du willst nicht wissen, was für Fotos schon von mir existieren, da wird so was auch nicht schlimm sein", erklärt sie lachend. Dann zieht sie eine kleine Karte hervor.
„Die war eigentlich für Pentatonix gedacht, aber ich denke nicht, dass sie die brauchen, wenn sie überhaupt mal in meine Nähe kommen. Du kannst mir die Fotos ja schicken", meint sie mit einem schiefen Grinsen, bevor die Lichter ausgehen.

Endlich.

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