53. Kapitel

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Niemand weiß, was ich gemeint habe, als ich mich verbessert habe, und doch fühlt es sich danach so an, als würde etwas schwer über uns liegen.
„Ich gehe schlafen", meint Kirstie, nachdem sie zum zweiten Mal an der Reihe war.
Auch die anderen verabschieden sich, bis nur noch Avi und Esther mit mir hinten sitzen.
„Macht keine Dummheiten", zwinkert Esther uns zu, bevor auch sie verschwindet.
Einige Minuten schweigen wir, ich mit geschlossenen Augen, um die heutigen Geschehnisse zu verarbeiten.
„Nicht einschlafen", höre ich irgendwann Avi glucksen.
„Nein", seufze ich, „Ich muss nur irgendwie den heutigen Tag sortieren."
„Wenn du irgendwann mal eine Pause brauchst, sag mir Bescheid. Wir haben jetzt fast täglich Konzerte, aber wir finden schon einen ruhigen Platz für dich."
Seine Stimme ist es, die mich so beruhigt, und doch gleichzeitig wieder nahe an einen Nervenzusammenbruch treibt.
„Quatsch. Ihr überlebt das schließlich auch", seufze ich, wie um mich von den Tränen abzulenken.
Ich schließe meine Augen, um mich zu fangen, und als ich sie wieder öffne, sehe ich nur noch den Hauch eines Kopfschüttelns von Avi.
Niemand von uns sagt etwas, als ich aufstehe, um mich neben ihn zu setzen.
„Wie lange noch?", frage ich leise.
„Ich weiß es nicht", antwortet er, seine Stimme ein Murmeln, kaum lauter als das stetige Flüstern, welches aus dem vorderen Busteil zu uns dringt.
Eigentlich will ich ihn nur von der Seite umarmen, aber weil ich mich dafür unglaublich verrenken müsste, ende ich halb auf ihm, den Kopf auf seiner Schulter, einen Arm um ihn gelegt, die mir jetzt so unglaublich dürr vorkommen.
Wie konnte ich nie bemerken, wie sehr ihn das hier wirklich zerstört?
„Ich bin selbst daran schuld", sagt er, als würde er wissen, welche Gedanken gerade unruhig durch meinen Kopf wandern.
„Eigentlich ist niemand wirklich daran schuld", widerspreche ich ihm seufzend.
Ich kann sein Lächeln spüren, doch ich bewege mich nicht, die letzten Tage haben mich zu sehr mitgenommen, meine Energie langsam aufgebraucht.
„Ich würde mit dir abhauen", meine ich leise, ein leichtes Grinsen auf meinen Lippen.
„Sobald ich hier fertig bin, gerne. Aber ich werde meine Familie garantiert nicht im Stich lassen."
Vorne wird es leise, und für einen kurzen Moment befürchte ich, dass sie unser Gespräch gehört haben.
Bis Mitch ruft: „Macht nicht zu laut da hinten, ihr Turteltauben! Ich brauche meinen Schönheitsschlaf!"
Avi und ich verdrehen synchron die Augen.
„Ich würde dir ja jetzt gerne einen Spaziergang vorschlagen, aber dann würde Esther mich endgültig umbringen", sagt Avi leise glucksend.
„Ich glaube, ich gehe sowieso gleich schlafen", seufze ich.
„Das ist eine gute Idee", nickt der Basssänger und hilft mir beim Aufstehen.
„Ich bin voll dafür, dass du mich trägst", murmele ich gähnend.
Damit, dass er meinen ironischen Vorschlag in Realität umsetzt, habe ich allerdings nicht gerechnet.
Mein erschrockenes Quieken kommentiert Mitch mit einem übertrieben lauten Räuspern.
„Lass ihn denken, was er will. Wir können ihn sowieso nicht mehr von was anderem überzeugen", flüstert Avi mir zu, als er den Vorhang mit seinem Fuß zur Seite schiebt, um mich nach vorne zum Bad zu tragen.
„Ladys first", meint er grinsend.
„Mann voran", sage ich trocken und ernte einen verwirrten Blick.
„Das ist die deutsche Variante davon", grinse ich, bevor ich ins Bad gehe, um mich fertig zu machen.


Es ist viel zu früh am Morgen, als ich das nächste Mal wieder auf die Uhr schaue, und das ruhige Atmen der anderen mischt sich mit dem leisen Rauschen der Straßen und Natur.
Dass Scott ebenfalls schon wach ist, bemerke ich erst einige Minuten später, als er leise seufzt.
Neugierig beuge ich mich etwas aus meinem Bett, um ihn beobachten zu können.
Der Bariton liegt so, dass ich direkt auf sein Handy schauen kann, doch erkennen kann ich nichts so wirklich.
Nur mehrere Zeilen Text, schwarz auf weiß.
Als er merkt, dass ich ihn ansehe, wird Scott blass.
Er deutet nach vorne und schaut mich fragend an, und ich nicke nur, während ich damit beschäftigt bin, möglichst leise aus meinem Bett zu kommen.
Ich will in der Küche stehen bleiben, doch Scott schiebt mich weiter, bis wir draußen sind.
„Lass mich raten", seufze ich, etwas angsterfüllt, weil es so viel komplizierter ist, als ich dachte, „Es geht um Mitch?"

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Ich lasse euch jetzt eine Woche lang mit diesem nicht ganz so schlimmen Cliffhanger alleine... Bis dann! ;)

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