Kapitel 22: „Die Wege trennen sich"

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Die Armee war in der Zwischenzeit im Dorf angekommen und ein paar Soldaten brachten gerade die Königin zu den Kerkern. Sie sollte dort in eine Zelle gesperrt werden. Dies war sicherer für Arendelle, bis sie entschieden hatten, wie sie mit der Königin vorgehen würden. Hans machte sich dann auf der Stelle auf den Weg in den Palast. Er wollte sehen, ob die Soldaten Anna zurück nach Arendelle gebracht hatten.
Ich muss die Scharade schließlich aufrechterhalten, dachte er hämisch grinsend.

* * * *

„Du, Eugene? Wolltest du nicht noch mit Kristoff sprechen?", erhob Rapunzel plötzlich die Stimme. Sie merkte, dass ihr immer kälter wurde, also musste das Ganze jetzt in die Hand genommen werden.
Flynn verschluckte sich fast. „Äh, ja, stimmt!", hustete er ab, „Also, wollen wir auf den Flur gehen, Kristoff? Ich möchte mal mit dir reden und du sicher auch." Flynn deutete mit seinen Augenbrauen an, dass er aufstehen sollte, doch Kristoff dachte nicht daran.
Aber Flynn stand nun schon auf und zog Kristoff mit auf die Beine, dann schob er ihn hinaus und meinte dabei nur: „So, wir sehen uns später, Ladys!" Flynn winkte den Beiden zu und schloss dann die Tür hinter sich, sodass Anna und Rapunzel alleine im Raum zurückblieben.

„Das war ja mal seltsam?", stieß Anna leicht verwirrt aus. „Findest du? Ich find's ganz normal!", lächelte Rapunzel und versuchte geschickt umzuschwenken, aber ihr fiel einfach nicht der richtige Anfang ein. „Also... ähm... Ich schätze, von Hans hast du noch nichts gehört, oder?", fragte sie dann und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt für diese dämliche Frage.
Kristoff, Kristoff, dachte sie verzweifelt, aber, wie sollte sie von dieser Frage zurück auf Kristoff springen?
„Weißt du, Kristoff hat sich ganz schöne Sorgen gemacht.", schob sie stattdessen rasch ein und hoffte Anna hätte die vorherige Frage vergessen.
Anna blickte sie verblüfft an. „Ach, ja? Denkst du wirklich?" Sie biss sich krampfhaft auf die Unterlippe.
Hatte ich es richtig im Gefühl gehabt? Mag...
oder liebt Kristoff mich wirklich so sehr? Aber Hans liebt mich doch auch! Welchen Weg soll ich denn nur einschlagen? Wen soll ich erwählen? Wer hat mein Herz gestohlen? Wen liebe ich? Hans oder Kristoff?
Anna war so in ihren Gedanken gefangen gewesen, dass sie erst jetzt bemerkte, wie Rapunzel mit der Hand vor ihrem Gesicht rumwedelte.
„Was?", säuselte sie.
„Hallo, Welt an Anna!" Als Rapunzel bemerkte, dass Annas Aufmerksamkeit langsam wieder ihr galt, sprach sie weiter, „Also gut, ich deute deine Abwesenheit gerade mal als ‚Was, wirklich? Er macht sich Sorgen'. Weißt du, ich hab' das Gefühl, er mag dich und du magst ihn auch, das sieht man! Also wieso spielst du dir die ganze Zeit über 'was vor? Geh' einfach zu ihm und sprich' mit ihm! Du bist doch eine starke Frau. Du bist freiwillig losgezogen, um deine Schwester zurückzuholen, obwohl du nicht wusstest, was dich erwarten würde. Dank deines Vertrauens in Kristoff sind wir zum Nordberg gekommen... Du bist ein herzensguter Mensch, eine wundervolle Person und eine Prinzessin, auf die man stolz sein kann. Elsa hat wirklich eine tolle Freundin verpasst! Ja, definitiv ist das Ganze hier schwer zu begreifen und klar, wirst du dafür noch Zeit brauchen, aber wenn du darüber mit Kristoff redest, wird er es verstehen. Das Wichtigste ist nur, dass du ihn dir jetzt schnappst! Wer weiß, ob du später noch die Gelegenheit dazu hast?"
Anna schluckte, als sie Rapunzel zuhörte.
Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch so von mir denken würde. Dieses Gefühl, dass jemand mich bewundert, für etwas, was ich selbst kaum fassen kann, ist wirklich eigenartig.
Sie lächelte Rapunzel dankbar an.
Sie hat Recht, was Kristoff betrifft und ich denke, ich weiß es auch schon eine ganze Weile. Ich wollte es nur nicht wahr haben, aber ich muss es nun wagen.
Anna biss sich verlegen auf die Lippe. „Soll ich es wirklich wagen?" Sie sah Rapunzel mit fragendem Blick an.
„Ja!", rief sie dann überzeugter, „Ich wage es!"

* * * *

Flynn lehnte sich an die Wand, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Kristoff mit einem Grinsen an. „Nun, wo fangen wir denn an?", murmelte er nachdenkend und reibte sich das bärtige Kinn, „Ah, ich hab's! Was gefällt dir an Prinzessin Anna so?"
Kristoff sah ihn irritiert an. „Was? Warum willst du...", doch Flynn ließ ihn nicht aussprechen und fragte nachdrücklicher: „Ich fragte, was gefällt dir an Prinzessin Anna?"
„Naja...", fing Kristoff leise säuselnd an und wurde dann etwas verständlicher, „Ich mag ihr Lächeln, ihre spritzige Art und ihr gutes Herz."
„Gut, weiter!"
„Wie sie einfach beharrlich versucht, ihren eigenen Kopf durchzusetzen und nicht aufgibt, das bewundere ich an ihr... Und ich habe sie wahrscheinlich wirklich ganz schön lieb gewonnen.", kam Kristoff zum Ende.
„Du liebst sie doch aber, oder?", bohrte Flynn weiter.
Kristoff konnte diese Fragerei langsam nicht mehr aushalten. „Na gut, ich... liebe sie! Bist du jetzt zufrieden? Ich habe ihr mein Herz geschenkt." Er hielt inne und fügte noch leise hinzu, „Ich weiß nur nicht, ob sie ebenso empfindet?"
„Dann frag' sie doch einfach!", meinte Flynn, der sich nun von der Wand gelöst hatte.
„Wie bitte? Nein!", wiederstrebte Kristoff.
„Ach, komm' schon, du wirst es nie wissen, wenn du es nicht versuchst, sie zu fragen!", gab Flynn es langsam auf. Doch da seufzte Kristoff und gestand es ihm ein.
„Du hast ja Recht! Ich sollte es wahrscheinlich wirklich versuchen, es ihr zu sagen. Was kann schon groß passieren? Außer, dass sie mich abweist."
„Genau! Wie sagt man so schön: Kein Risiko, kein Spaß!", klopfte Flynn ihm anerkennend auf die Schulter und war froh, dass Kristoff so entschieden hatte.
Er nahm nun all' seinen Mut zusammen und wollte gerade nach dem Türknauf greifen, um Anna seine Gefühle zu gestehen, da hörte er Schritte, nicht weit von ihm und Flynn entfernt und horchte auf.
Die Beiden blieben still stehen, rührten sich keinen Millimeter und schauten angespannt in die Richtung, aus der die Schritte kamen. Wenige Augenblicke später trat eine Gestalt aus dem Schatten des Ganges, in den sie geblickt hatten und diese war kein anderer als Prinz Hans.
Er schritt langsam aus dem Dunkel und kam näher an Flynn und Kristoff heran.
„Was macht Ihr hier?", fragte Hans, mit gespielt verwirrtem Blick. Die Beiden sahen sich an und Flynn meinte nur: „Das Gleiche wir Ihr, denke ich. Wir helfen Prinzessin Anna... und auch meiner Frau!"
Hans spielte gekonnt sein Spiel weiter. „Wo ist Anna? Ist sie hier in diesem Raum?" Er deutete auf die Tür, wo hinter sich tatsächlich Anna befand, „Ich muss zu ihr!" Seine gespielte Verzweiflung war gar nicht schlecht, bemerkte Flynn, doch Hans konnte ihn schon lange nicht mehr täuschen.
Aber Flynn wusste auch, dass es keinen Sinn machte, Hans anzulügen, da dieser die Wahrheit wahrscheinlich schon aus Kristoffs verzweifeltem Blick gezogen hatte. Flynn blieb nichts Anderes übrig und schließlich gab er seufzend nach: „Ja, sie ist dort drin..."
Kristoff tat ihm nur Leid, da er nun bestimmt keine Gelegenheit mehr haben würde, Anna von seinen Gefühlen zu erzählen, da Hans sie nun nicht mehr aus den Augen lassen würde.

* * * *

Rapunzel wollte gerade etwas erwidern, als die Tür sich öffnete und Prinz Hans das Zimmer betrat. Sie stöhnte hörbar auf, meinte jedoch nur: „Das trifft sich ja, ich denke, Anna wollte eh ein Geständnis ablegen und ich würde dann mal meinen Ehemann entführen." Ohne weiteres stand sie auf und zog Flynn mit sich.
„Was macht der denn hier?", fragte sie genervt, „Hättet ihr den nicht abhalten können?"
Flynn seufzte hörbar auf. „Ich wollte ja, aber leider konnte dieser dämliche Prinz den Blick von Kristoff nicht übersehen und somit hat er die Wahrheit so oder so erfahren.", flüsterte er und hoffte, dass außer Rapunzel ihn Niemand hören konnte. Die Beiden traten auf den Flur und ließen die Anderen im Raum zurück.

Anna starrte Hans überrascht an. „Was tust du hier, Hans?"
„Ist das nicht offensichtlich? Ich möchte dich wieder in meine Arme schließen. Wir waren zwar nur ein paar Tage getrennt, aber es kommt mir vor wie eine Ewigkeit." Hans sah Anna mit sanftem Blick an und umarmte sie.
„Du hast mir auch gefehlt...", erwiderte Anna die Umarmung, wenn auch mit einem komischen Gefühl.
Es ist seltsam, nach allem, was passiert war, Hans wieder in meine Arme zu schließen, da ich mich verändert habe und nicht mehr dieses naive, kleine Mädchen bin, das ich gewesen war. Ich habe das Gefühl, Elsa hatte Recht. Was wusste ich schon von wahrer Liebe?
Über die Schulter von Hans hinweg, blickte sie in die enttäuschten Augen von Kristoff. Nun wusste sie, was Kristoff für sie empfand. Sie hatte all' den Schmerz und die Trauer in diesem einen Moment in seinem Blick gesehen und dies hatte ihr verraten, dass Kristoff ihr sein Herz geschenkt hatte, aber so wie sie es nun wahrgenommen hatte, hat sie es in tausend Stücke zerbrochen.
Tränen schossen ihr in die Augen und sie blinzelte, um Kristoff besser sehen zu können, doch dieser war schon längst aus dem Raum verschwunden.
Nein, was habe ich nur getan? Ich habe jemandem das Herz gebrochen...
Und mir nun ebenfalls!

Wie ein Schatten, den Niemand beachtet, hatte sich Kristoff aus dem Raum geschlichen. Er heftete den Blick auf den Boden und rannte einfach los, ohne auf irgendjemanden zu achten. Er wollte nicht, dass jemand ihn anhielt oder bremste, dass jemand ihn umstimmte oder gar wieder falsche Hoffnungen machte.
Einfach weg, das war das Einzige, was ihm durch den Kopf schoss.
Als er endlich aus dem Schloss hinausgekommen war und zu Sven eilte, ließ er den Tränen freien Lauf. Er klammerte sich an seinen Freund und vergrub sein Gesicht tief im grau-braunen Fell des Rentieres.
Er schluchzte und sein Freund schaute ihn nur mitleidig an.
Kristoff erhebte den Kopf langsam aus dem Fell seines Freundes und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Komm, lass uns gehen! Wir müssen mal raus aus Arendelle...", schniefte er und legte den Arm um Svens Hals. Er hatte jetzt nichts mehr mit den Anderen zu tun, da das Abenteuer nun beendet war, das sie gemeinsam bestritten hatten. Also ging er wieder seine eigenen Wege, auch wenn es ihm schwer fiel.

Frozen & Tangled I: Beware the frozen HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt