Kapitel 34: „Neuer Tag, alte Tatsachen"

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Heiße Sonnenstrahlen fielen durch die riesigen Fenster direkt auf das große Himmelbett, in dem Eugene und Rapunzel noch fest umschlungen lagen. Sie hatten gestern Abend vergessen die Vorhänge zu zuziehen und deshalb erwärmten die warmen Strahlen nun ihre Haut, was bei Eugene für Schweißausbrüche sorgte, darum blinzelte er in die Helligkeit hinein und schwang seine Beine aus dem Bett. Rapunzel lag jedoch immer noch ganz ruhig neben ihm und schlief friedlich. „Ich lasse sie lieber noch etwas schlafen...", murmelte er, jedoch leicht schmunzelnd, „Die Reise nach Corona wird lang genug, da sollte sie ausgeruht sein."
Eugene stand auf und sammelte seine Kleidung ein, die im ganzen Raum verteilt lag. Er zog seine Hose hoch, die Stiefel an und schlüpfte ins Hemd, was er jedoch noch offen ließ, da er immer noch sehr verschwitzt war. Seine Weste hatte er aber noch nicht gefunden. Er hatte sie gestern so achtlos abgeworfen und jetzt fand er sie nicht – Typisch!
Eugene schaute sich im Raum um, konnte sie aber nicht entdecken. „Hm... Wo ist sie denn nur hin?", flüsterte er, doch unterm Bett sah er nun einen Stoffzipfel von ihr hervor gucken.
Eugene krabbelte darunter, zog sie zu sich heran, hatte aber nicht auf das Bett über ihm geachtet und stieß sich natürlich hart den Kopf am Bettkasten. „Au-Ah!", schrie er laut, rieb sich den Kopf und merkte erst im Nachhinein, dass Rapunzel über ihm ja noch geschlafen hatte. Ganz langsam kam er unter dem Bett hervor und schaute zu ihr hoch, wobei sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht legte. „Na, auch schon wach!"
Rapunzel gähnte laut und rieb sich verschlafen die Augen. „Sehr witzig! War halt... eine lange Nacht gestern.", murmelte sie und räusperte sich dann, um rasch das Thema wechseln zu können. Allerdings fiel ihr nichts ein. Sie seufzte und griff nach Eugenes Taschenuhr die auf dem Nachtschränkchen lag. „11 Uhr...? Kann ich nicht noch etwas schlafen?", gähnte sie noch einmal laut, wickelte sich die Decke um ihren nackten Oberkörper und ging dann zu ihrem Koffer hinüber, „Welche Farbe darf's sein? Ich hab' so ziemlich jede Farbe dabei." Sie griff in ihren Koffer und fischte willkürlich irgendein Kleid heraus. Das Ergebnis; ein leichtes, grünes Sommerkleid, etwa knielang, mit weißen Rüschen an den kurzen Ärmeln.
Während sie sich das Kleid überstreifte, achtete sie sehr genau darauf, dass Eugene nicht allzu viel nackte Haut von ihr sah. Irgendwie war ihr das immer noch unangenehm.
„Ich muss ja keine Schuhe tragen, oder? Ich meine, das hab' ich zwar während wir unterwegs waren, aber es war einfach unheimlich unbequem. Wie kannst du die bloß jeden Tag tragen? Die tun weh, drücken und sind einfach nur unpraktisch!" Sie versuchte ihre Anspannung zu überspielen, aber jetzt wo ihr Mann vor ihr stand, musste sie unweigerlich wieder an ihren Traum vor nicht weniger als einem Tag denken.
„Tja, das ist eben Gewohnheitssache, wie alles im Leben!", meinte Eugene, kam auf sie zu und klopfte ihr sanft auf die Schulter. Dann ging auch er zu seinem Gepäck. Er hatte aber nicht viel ausgepackt, um genauer zu sein, gar nichts, da er ja nicht viel Zeit dafür gehabt hatte. Deshalb klappte er den Deckel herunter und schnallte den Koffer zu. Eugene ging damit zur Tür und stellte ihn daneben an die Wand. „Ich werde schon mal vorgehen, um uns etwas Proviant für die Reise zu besorgen. Du kannst dich gerne in aller Ruhe fertig machen und schon zum Frühstück gehen. Ich komm dann nach!" Er lächelte und verschwand anschließend durch die Tür.
„Ist gut!", murmelte Rapunzel und sah ihm noch eine Weile nach. Schweigend drehte sie sich zu dem kleinen Spiegel an der Wand und strich sich die zerzausten Haare glatt. „Schon besser..."
Sie packte noch rasch ihr Lieblingskleid ein und schloss dann ihren Koffer. Mit schweren Beinen ließ sie sich aufs Bett fallen und vergrub ihr Gesicht in ihren Handflächen. Ein leises Quieken ließ sie aufschrecken. „Pascal!" Das grüne Chamäleon hockte auf ihrem Schoß und sah sie mitleidig an. „Sag' bloß, du hast gestern Abend alles mitgekriegt?" Ein Nicken. „Tut mir so leid!"

* * * *

„Sieh an! Auch schon wach?" Auf dem Flur kreuzten sich Raymonds und Eugenes Wege. „Hätte ich gar nicht erwartet, nach der letzten Nacht." Ein hämisches Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, „Tut dir der Bauch vor lauter Schmerzen denn gar nicht mehr weh? Schade, wirklich schade. Beim nächsten Mal muss ich wohl einfach fester zuschlagen, was?" Eugene ließ sich nicht auf die Sticheleien Raymonds ein, ignorierte ihn und lief vorbei. Plötzlich fasste dieser ihn jedoch am Arm und hielt Eugene so zurück. „Verdammt, was willst du?", schrie er nun gereizt, packte Raymond am Kragen und drückte ihn gegen die Wand. „Alter, krieg' dich ein!" Raymond riss sich los und richtete seinen Hemdkragen wieder auf, „Du hast Probleme...!"
Er schüttelte bloß den Kopf und seufzte. „Ich hab' Anna und Kristoff bereits von allem erzählt, nur dass du's weißt. Wir können also theoretisch gleich nach dem Frühstück los." Er drehte sich um und lief den langen Flur entlang, bevor dieser jedoch in einen Nebengang abbog, blieb er stehen und drehte sich zu ihm um.
„Ich verzeih' dir nie, nur, dass das mal klar ist! Aber vielleicht – Nur, vielleicht! – bist du gar nicht mehr so scheiße wie damals." Und mit diesen Worten ließ er den Prinzen einfach so stehen.
Eugene starrte dem Berater noch verwirrt nach. Nicht über seine Worte irritiert – Nein, damit hatte er schon gerechnet! –, eher über seine Augen verwundert. Raymonds Augen waren dunkel, aber dennoch huschte ein kleiner Schimmer haselnussbraun hindurch, so wie bei ihm. „Komisch...", schüttelte sich Eugene und zuckte die Achseln, „Egal, was soll's, braun haben ja relativ viele Menschen als Augenfarbe."
Er lief weiter den Flur entlang. „Naja, wenigstens kann man Raymond für etwas gebrauchen, dann muss ich nur noch zur Palastküche, um das Proviant zu besorgen.", doch da irrte er sich, denn als er dort ankam und die Küchenmädchen danach fragte, meinten diese nur, dass der Berater von Corona bereits bei ihnen war und Bescheid gegeben habe, Proviant fertig zu machen und eine Magd hatte es gerade an einige, andere Diener weitergegeben, damit diese es zum Schiff transportieren konnten. „Oh...", machte Eugene, als er dies erfuhr und Röte stieg ihm ins Gesicht. Warum kommt mir dieser schleimige Schuft eigentlich immer zuvor?
„Tja, da hätte der feine Herr wohl früher aufstehen müssen! Aber die hohen Herrschaften müssen ja immer so lange schlafen.", schimpfte die Köchin und schaute sich nach einer Magd um, „Margareth, führe diesen werten Herrn..."
„Eugene, können Sie mich nennen!" Er wuschelte sich verlegen durchs Haar. „Na, schön! Geleite den werten Herrn Eugene bitte aus der Küche, damit ich das Frühstück für die königliche Familie und ihre Gäste vorbereiten kann." Die Stimme der Köchin klang angespannt, was Eugene jedoch nichts ausmachte, da er als Dieb schon weitaus schlimmer rangenommen wurde – und das mal von der Sache mit dem Galgen abgesehen –, darum meinte er nur: „Äh, das ist nicht nötig! Ich geh' ja schon." Eugene räusperte sich und lächelte höflich, „Trotzdem Danke!"
„Margareth, jetzt!" Die stämmige Frau kochte gleich über, weil die zierliche Dienerin nicht sofort reagiert hatte. Diese kam daraufhin herbeigeeilt, um die Köchin nicht weiter zu verärgern. Sie knickste, wobei ihre dunklen Haare unter dem Kopftuch, das sie trug, hoch und runter wippten: „Jawohl, Herrin!"
Margareth wandte sich an Eugene. „Wenn der Herr mir nun auf den Flur folgen möchte?" Die Magd öffnete die Tür und als Eugene ihr nicht folgte, schubste die Köchin ihn heraus. „Meine Güte, diese Adligen heutzutage!", damit schlug diese die Tür zu.
„Freundlichkeit ist wohl überbewertet...", murmelte Eugene leise und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Er wollte jetzt nur noch zurück zu Rapunzel.
„Ihr dürft es meiner Herrin nicht übel nehmen, Sie meint es nicht so. Sie ist nur... ein wenig stur und sehr leicht reizbar. Gerade, wenn viel zu tun ist." Margareth lächelte ihn an, „Aber im Herzen ist sie ein guter Mensch, glaubt mir!" Eugene drehte sich zu der jungen Dienerin um und blickte sie ebenso freundlich an. „Ich meine es ja nicht böse... Margareth, nicht?" Die Magd nickte. „Ja, so ist es!" Sie knickste noch einmal vor ihm, „Also dann, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Sir!" Dann verschwand auch sie hinter der nächsten Dienstbotentür, wobei ihr schmutziges Kleid um ihre Beine schlenkerte.
Eugene schaute ihr noch seltsam berührt nach und machte sich dann auch wieder auf den Weg zu Rapunzel, da ja Raymond alles so schön für ihn erledigt hatte – Warum auch immer? – konnte er noch etwas Zweisamkeit mit ihr genießen. Darauf freute er sich schon jetzt, obwohl er noch nicht bei ihr war.

Frozen & Tangled I: Beware the frozen HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt