Anna erblickte nun im Spiegel vor sich jemanden, der ihr ähnlich sah, der aber ganz sicher nicht sie sein konnte. Ihre Schwester hatte ihre Haare hochsteckt, in dem sie einen Strang davon geflochten und um den Knoten gewickelt hatte, um ihn so oben zu behalten. Zwei Strähnen ließ sie jedoch außen vor, sodass diese neben Annas Gesicht baumelten. Es war eine rote und eine weiße Strähne, die die Braut nun begutachtete.
„Wie hast du das nur gemacht, Elsa? Ich hab' meine Haare nur äußerst selten so bändigen können...", bewunderte die Rothaarige noch immer das Werk ihrer Schwester. Im geflochtenen Zopf, der um den Knoten herum lag, war ein Zweig hineingesteckt worden, der kleine, rosa Blüten aufzuweisen hatte. Und nun streckte Elsa die Hände über den Kopf ihrer kleinen Schwester und setzte ihr ein funkelndes Diadem – ebenfalls mit einer Schneeflocke in der Mitte –, auf den roten Haarschopf.
„Das war noch nicht alles!", verkündete die Blonde jedoch und holte etwas Kleines hinter ihrem Rücken hervor, „Ich habe hier noch etwas für dich." Sie legte Anna eine silberne Halskette an, an deren Ende wie der Zufall will nochmals eine Schneeflocke befestigt war, die in ihrer Mitte einen kleinen, blauen Saphir innehatte.
„Oh, Elsa!", meinte Anna zu Tränen gerührt und fasste sich an den Hals, wo ihre Finger rasch die Flocke fanden, „Die ist wunderschön! Woher hast du sie?"
„Ich habe sie bei unserem Schmied in Arendelle machen lassen. Dreh' die Schneeflocke doch mal um!"
Die Rothaarige befolgte den Rat ihrer Schwester und drehte den Kettenanhänger in ihrer Hand. Sie sah nun, dass dort eine Eingravierung stand. „Zum ersten Mal seit Ewigkeiten sind wir nicht allein!", las Anna leise vor und lächelte dann.
Voller Freude ließ sie den Schneeflockenanhänger los und drehte sich zu Elsa herum, nur, um sie zu umarmen, wobei sie die Blonde somit etwas zu sich hinunterzog. „Ich bin froh, dass dir dein Hochzeitsgeschenk so gut gefällt!", meinte Elsa kichernd und strich ihrer Schwester dabei sanft über den Rücken.* * * *
„Hat er sich deshalb so seltsam benommen?", fragte Kristoff nun und verschränkte die Arme vor der Brust, „Eugene, meine ich!" In seinem Gesicht zeigte sich erneute Verwunderung. „Ich versteh' es nicht! Was ist denn momentan mit ihm los? Rapunzel sagte mir sogar, dass er dabei ist seine Ehe mit ihr zu zerstören und dass er damit versucht, sie vor irgendetwas zu beschützen. Wobei ich auch nicht verstehen kann, wovor? Und... sie sagte mir noch, dass er wohl in letzter Zeit viel weint..."
Der blonde Eismann machte eine Pause und ließ den jungen Priester diese Neuigkeit erst mal verdauen. Er wusste selbst nicht, warum er Adam das erzählte, aber letztlich kannte er die beiden doch bestimmt besser, daher würde er ihm vielleicht sogar Antworten liefern können.
„Sicher, jeder weint irgendwann mal! Doch wenn er dabei auch noch seine Verzweiflung rausschreit und diejenige verletzt, die er liebt, warum dann das Ganze? Hat er...", Kristoff schluckte, „...etwa Probleme?"
Adam schluckte und begann mit den Ärmeln seines Gewandes zu spielen. „Kann man so sagen, denke ich..." – Ein Blick nach links und rechts, einfach nur, weil er sich beobachtet vorkam, und dann lehnte er sich zu dem Blonden vor. –, „Eine Bedingung, die der König gestellt hat, dass Eugene Rapunzel heiraten darf, war, dass er monatlich mindestens eine Beichte ablegt. Dabei durfte er sich aussuchen, bei welchem Priester er beichten möchte und er hat mich gewählt. Seitdem halten wir jetzt jeden Monat eine Beichte und er hält sich auch immer dran. Allerdings kommt er wirklich nur, wenn er muss und glaubt mir, es hat ewig gedauert, bis ich irgendetwas aus ihm rausquetschen konnte. Aber... nach seinen Flitterwochen, bei Euch in Arendelle, war er auf einmal ganz anders. Er ist aus sich rausgegangen und hat mir tatsächlich von Sachen erzählt, die ihn bedrücken. Ich nehme an, Ihr wisst von Eugenes Vergangenheit, nicht wahr? Nun, er scheint seine Taten wirklich aufrecht zu bereuen, das bewundere ich so an ihm."
Adam lehnte sich wieder zurück und holte tief Luft. „Was ihm wohl am schwersten auf der Seele liegt, ist die Tatsache, dass er denkt, seine Mutter getötet zu haben. Nicht zu vergessen, die Tode von so vielen Frauen, an denen er schuld ist. Oder zumindest glaubt, schuld zu sein? Bewiesen ist da gar nichts!"
Kristoff schwieg eine ganze Weile. Ihm war nicht bewusst gewesen, was Eugene da alles schon erlebt hatte – Wie auch, er kannte ihn ja doch kaum? Adam dachte zwar, Besagter hätte ihm seine Vergangenheit erzählt, aber das stimmte so nicht ganz. Gut, Rapunzel sprach bei ihrem gemeinsamen Abenteuer davon, dass ihr Mann mal ein Dieb gewesen war, doch sie meinte ja auch, er habe sich geändert.
Und das merkte Kristoff auch deutlich, als Eugene mit ihm dieses Gespräch unter vier Augen geführt hatte, um sich über seine Gefühle für Anna klarzuwerden.
Doch diese andere Seite von Eugenes Vergangenheit hörte er zum ersten Mal. „Das... das wusste ich nicht! Ich habe zwar gesehen, dass er Taten bereut, aber ich dachte, das beruht auf seiner Gaunerzeit. Ich hätte nie vermutet, dass so etwas dahintersteckt?!", meinte Kristoff ehrlich betroffen, „Aber zumindest bekomme ich jetzt Klarheit. Das würde wohlmöglich auch erklären, warum er sich vorhin im Speisesaal so aufgeführt hat. Der Arme tut mir jetzt echt Leid!" Der Blonde seufzte leicht stöhnend aus und schaute mit dem Kopf im Nacken an die kunstvolle Kirchendecke. „Warum hat er denn nur nichts gesagt? Ich hätte für ihn ein offenes Ohr gehabt. Wofür sollten Freunde denn sonst da sein, wenn man ihnen nicht mal seine Vergangenheit anvertrauen kann?" Kristoff merkte selbst, dass er teilweise wütend auf Besagten war und das mehr als grundlos. Nun konnte er Rapunzel wirklich verstehen – weshalb ihre Nerven das nicht mitgemacht hatten –, denn Eugene ist und bleibt Eugene, ein Rätsel, das jeder für sich selbst lösen musste.
„Ich glaube einfach, er redet wahnsinnig ungern über seine Vergangenheit. Ich weiß es wirklich nicht mit Sicherheit, aber ich nehme stark an, dass er nicht einmal Rapunzel von dem Großteil seiner Taten erzählt hat." Ratlos zuckte er mit den Schultern und blätterte in einem der Gesangsbücher herum, „Was Eugene zu so einem schweren Fall macht, ist die simple Tatsache, dass er im Hier und Jetzt lebt. Vielleicht ist das eine gute Eigenschaft, aber das heißt auch, dass er all' seine Sorgen – mögen sie die Vergangenheit oder gar die Zukunft betreffen –, in sich reinfrisst. In einer unseren ersten Beichten, kurz nach seiner und Rapunzels Hochzeit, habe ich ihn mal gefragt, wie es bei den Beiden mit Familienplanung aussähe. Eugene wich aus und meinte, Rapunzel wäre noch lange nicht bereit, Mutter zu sein. Kann nun sein, dass ich es mir eingebildet habe, aber eigentlich habe ich danach ziemlich deutlich gehört, wie er gemurmelt hat ‚Und ich erst'. Wisst Ihr, das sollte mich nicht interessieren, ich weiß, aber ich habe mal Nachforschungen betrieben, was den werten Prinzen angeht und wenn mich nicht alles täuscht, ist sein Vater ein geschätzter Soldat, der dem Königreich viele Dienste erwiesen hat. Nun, und die Hinrichtung seiner Mutter musste ich ja leider mit meinen eigenen Augen sehen."
Kurz huschten Bilder dieser schrecklichen Erinnerung vor seinem inneren Auge vorbei und der Priester schüttelte sich, um sie zu verscheuchen. Als er den Blick hob, war dieser leer und trüb. „Dieser Junge ist viel zu früh großgeworden, das ist das Trauma seiner Kindheit. Eugene ist definitiv nicht so erwachsen, wie er immer tut, ich bin mir sogar sehr sicher, dass hinter seiner coolen Fassade ein Junge steckt, der jede Nacht um seine Mutter – um seine verlorene Kindheit – weint. Ein Junge, der nicht mehr will als Liebe...", nun richtete er seinen Blick auf den Blonden und sah ihm fest in die Augen, „Deswegen müssen wir Rapunzel retten, versteht Ihr? Das ist der Grund, warum im Moment alles so verzwickt scheint, weil Eugene Rapunzel braucht und Rapunzel braucht Eugene; So einfach ist das!"
Kristoff nickte jetzt zustimmend. „Ich verstehe!", meinte er letztlich und das sagte mehr als tausend Worte. Der Blonde wusste, dass der junge Priester es ihm nicht übelnahm, dass er sich so wenig dazu äußerte, denn immerhin war Eugenes Vergangenheit wohlmöglich keine Sache, worüber man gerne diskutierte. Und sie war auch nichts, weshalb man diesen anprangern sollte, das erkannte er nun.
Höchstwahrscheinlich würde es ihm genauso gehen, wenn er solche Geschehnisse durchlitten hätte müssen. Kristoff empfand wahrhaftiges Mitleid, aber ebenso große Bewunderung für seinen Freund.
Eugene konnte sich trotz allem, was ihm wiederfahren war, ein gutes Leben aufbauen, mit einer Frau, die ihn liebt. Der Blonde bewunderte ihn aufrichtig dafür, sowie ihn auch Adam dafür bewunderte.
„Ich denke, wir sollten wohl lieber das Thema wechseln?", schluchzte Kristoff kaum hörbar und schluckte die angestauten Tränen hinunter, „Das ist wohl der beste Tag, um sentimental zu werden. Aber wohl nicht, um über solch' schlimme Zeiten zu reden, nicht?" Er erlaubte sich ein Schmunzeln und blickte Adam aufmunternd an. „Aber vielleicht ist es wirklich so, wie Sie sagten: Die Beiden brauchen einander!", schlussfolgerte der Blonde jedoch und lehnte sich erneut auf der Bank zurück, um an die wundervolle Kirchendecke zu betrachten.
„Wer braucht wen?", ertönte jetzt die Stimme der blonden Prinzessin und Adam fuhr vor Schreck herum. Da entdeckte er Rapunzel zu seiner rechten, neben ihr der königliche Berater, der unmerklich einen Arm um ihre Taille geschlungen hatte. Oder zumindest hatte Rapunzel es nicht bemerkt, Adam dafür zu gut.
„Gar niemand!", seufzte er nun und schüttelte den Kopf. Er versuchte nicht allzu wütend zu werden, denn er wusste, dass die Prinzessin nichts für das Verhalten des Beraters konnte. „Nun...", räusperte sich Adam und sah zwischen Kristoff und Rapunzel hin und her, „Wieso gehen du und Sir Kristoff nicht nachsehen, ob im Altarraum alles in Ordnung ist? Du hast bestimmt noch ein paar Tipps für ihn, oder?" Eifrig nickte die Blonde und klatschte begeistert in die Hände. „Oh ja! Komm, Kristoff!" Ohne auf seine Antwort zu warten, ergriff sie seine Hand und zog ihn mit sich. Der Berater wollte gerade folgen, da packte der Priester ihn am Arm und hielt ihn zurück.
„Lass sie in Ruhe!", knurrte Adam und sah den Berater eindringlich an, „Sie gehört nicht dir und das weißt du ganz genau!" Provozierend zog Raymond die Augenbrauen hoch und baute sich vor dem Braunhaarigen auf. „Ach, ja? Wem gehört sie denn?"
„Ihm!", machte dieser nur und wies mit dem Kopf in Richtung Eingangstür, durch die gerade Eugene, gefolgt von unzähligen Dienerinnen, sowie Fulvia und Rose, hineingeschlüpft kam.
Er hatte sich dazu gezwungen, einen weißen Anzug zu tragen, dessen Hemdkragen, auf Rapunzels Belangen hin, mit einer lachsfarbenen Krawatte festgehalten wurde. Diese saß jedoch etwas lockerer, da der Braunhaarige vermutlich in Eile gewesen war oder der Alkohol in seinem Blut vernebelte noch immer teilweise seinen Verstand, sodass seine Koordination darunter litt. Das Letztere stimmte wohl, denn leicht torkelte Eugene den Mittelgang entlang. Seine etwas unbeholfenen Schritte trugen ihn auf den Berater und den Priester zu.
Als er bei den beiden ankam, stellte er sich einfach dazu, wobei er sich an einem Ende der Kirchenbänke abstützte. Eugene sagte nichts, denn er wusste nicht im Entferntesten, wie er das Gespräch beginnen könnte. Sanft wuschelte er sich durch das braune Haar, das er versucht hatte, wieder in seine Bahnen zu lenken.
Dann lächelte der Braunhaarige entschuldigend. Er hatte einfach keine Ahnung, was er sagen hätte können, um sein Verhalten zu erklären.
Erstaunt schubste Adam nun den Schwarzhaarigen von sich weg, der darauf leicht nach hinten taumelte und sich noch kurz vor dem Fallen retten konnte. „Schön dich hier zu sehen!", meinte Adam und klopfte dem Prinzen auf die Schulter, „Hauch mich mal an, Kumpel, hauch mich mal an!" Eugene weigerte sich eine ganze Weile und schüttelte nur den Kopf, doch irgendwann zwang Adam ihn schlichtweg. „Wohl ein wenig viel getrunken, hm?", machte er dann und schüttelte den Kopf, dabei wirkte er allerdings mächtig amüsiert. „Wie wär's, wenn wir nochmal kurz reden, hm? Ich glaube, das würde dir ganz gut tun."
Ohne eine Antwort abzuwarten, ergriff der Priester seine Hand und zog Eugene, wortwörtlich, hinter sich her, bis ins obere Stockwerk der Kirche, wo er auf die Bank vor der Orgel deutete. „Setz dich!"
Eugene setzte sich, jedoch nur um wenig später eine Ohrfeige von Adam zu erhalten. „Sprich!", befahl dieser nun, seine Tonlage extremst monoton.
„Was willst du denn noch wissen?", fragte der Braunhaarige peinlich berührt und senkte beschämt die Stimme, wobei sie bei dem wenigen Gesprochenen auch nicht viel lauter gewirkt hatte. Sein Kopf fiel leicht nach vorne, sodass Adam ihm nicht mehr ins Gesicht blicken konnte. Zitternd umfasste Eugene seine Wange, die von der Ohrfeige des Priesters doch deutlich schmerzte, auch wenn es nicht das war, was ihn bedrückte.
Doch Adam ignorierte die Frage des Prinzen und ergriff seine Schultern. „Komm endlich zu dir! Du betrinkst dich bei heiligstem Tag! Junge, das war nicht das, was ich mit ‚einem Drink' gemeint habe. Du solltest Zeit haben über dein Verhalten nachzudenken, nicht um dich grundlos zu betrinken." Der Priester kniete sich vor Eugene nieder, um ihm in die Augen sehen zu können.
„Verstehst du mich?", schrie er nun, „Da unten ist ein Mädchen, dass dich Gott verdammt nochmal braucht! Und du tust ihr keinen Gefallen damit. Du verhältst dich wie sonst was. Wenn ich es nicht besser wüsste – wenn du nicht Klamotten aus dem Palast tragen würdest –, ja, dann würde ich dich wirklich für den dreckigen Abschaum von Dieb halten, der du einmal warst! Aber, meine Fresse, der bist du nicht mehr!"
Voller Zorn schlug der Priester ihm noch einmal ins Gesicht und ließ dann von ihm ab. „Reiß dich zusammen, Flynn!" Und er sah deutlich, wie dieser Name etwas in dem Prinzen auslöste. Etwas ganz Bestimmtes.
Dieser blickte nun zu dem Priester hoch, die Augen verquollen von Tränen. „Ich weiß doch auch nicht, was das hier sollte!", schrie Eugene und machte dabei eine Geste, die wohl für sein Verhalten am heutigen Tage stehen musste, „Ich bin mir absolut sicher, dass mich jetzt jeder hasst, der auch nur ein Fünkchen Vertrauen zu mir hatte! Und sie haben allen Grund dazu, nachdem, was ich heute alles getan und gesagt hab'. Ich bin ein mieser Dreckskerl, gib's doch zu! Du verabscheust mich doch auch." Der Braunhaarige erhob sich und kippte dabei fast vornüber, doch seine Entschlossenheit gab ihm die Kraft sich auf den Beinen zu halten.
Langsam ging er zum Geländer, von wovon er auf den Altarraum hinunterblickte. „Doch trotz allem lässt mich etwas weitermachen, vielmehr jemand!", murmelte er leise, sah den Priester dabei jedoch nicht an.
Eugene nannte keinen Namen, aber er war sich ziemlich sicher, dass Adam wusste, von wem er da sprach. „Ich will sie nicht verlieren!", schluchzte er nun hörbar auf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und Tränen tropften auf die steinerne Brüstung. „Ich will niemanden mehr verlieren, der mir etwas bedeutet! Ich... ich meine..." Seine Stimme versagte ihm den Dienst und er musste schlucken.
„Darum werde ich sie beschützen, auch wenn es das Letzte ist, was ich tue – Ich werde Rapunzel beschützen!" Eugenes ganzer Körper erbebte und er musste sich bemühen, die Beherrschung zu behalten. Dann gelang es ihm jedoch wieder einen klaren Blick zu bekommen und seine Entschlossenheit wuchs. „Sie glaubt, dass ich mich geändert habe und dafür liebe ich sie! Nur sie alleine gab mir wieder Hoffnung auf ein besseres Leben. Denn durch sie erkannte ich, wie falsch ich mich doch verhalten hatte – Und das betrifft nicht nur den heutigen Tag. Auch wenn ich mich selbst wahrscheinlich niemals wieder leiden werde, so reicht es mir doch, wenn sie es tut. Sie ist einfach alles für mich!", schrie Eugene erneut, während er sich zu Adam herumdrehte, „Und verdammt nochmal nenn' mich niemals bei diesem Namen! Ich weiß, ich hatte ihn mir damals selbst ausgesucht, aber... Flynn Rider ist..." Er sah auf seine Hände hinab, die begannen zu zittern, doch er schüttelte sich rasch und formte sie wieder zu Fäusten. „Sei's drum! Ich habe eine Bitte an dich, Adam. Würdest du...", fing er an und biss sich verlegen auf die Unterlippe.
Ich tue das Richtige, es ist das Beste für Rapunzel, redete er sich ein und fasste neuen Mut.
„Also würdest du Fulvia fragen, ob sie mich untersuchen könnte?", fragte Eugene schließlich und hoffte nur, der Priester würde es nicht missverstehen.
Adam wischte sich ein paar Haare aus der schweißnassen Stirn und ließ sich auf die Bank fallen. Seine Finger verankerten sich in seinen Haaren und er ließ einen merkwürdigen Laut hören, etwas zwischen einem Lachen und einem Schluchzen. Dann sah er auf und schüttelte nur mit dem Kopf. „Du hast so verdammt Glück, dass das hier eine Kirche ist, sonst hätt' ich dich jetzt über die Brüstung gestürzt."
Er holte ein paar Mal tief Luft und langsam verließ der Zorn seinen Blick. „Ich habe zwar keine Ahnung, was du von ihr willst, aber ja, wenn du schon fragst, ich kann sie wohl drum bitten!", seufzte Adam, „Obwohl ich nicht verstehen kann, warum du sie nicht einfach selbst darum bittest? Du bist doch kein Kleinkind mehr."
Nachdenklich tänzelten die Finger des Braunhaarigen über die Tasten der Orgel und entlockten den Pfeifen sogar ab und an ein paar Töne. Während seine rechte Hand diese Routine immer wiederholte, verschwand seine linke in einer Tasche seines Gewandes und holte ein Stofftaschentuch hervor, das er Eugene entgegen warf. „Hier! Wisch' dir die Tränen weg, ich will nicht, dass er dich so sieht!", murmelte Adam und deutete mit dem Kopf in Richtung Altarraum, den Raymond nun gerade betreten hatte.
„Ähm, ich...", begann Eugene, verstummte jedoch und befolgte erst Adams Rat, indem er sich mit dem Taschentuch über die Augen tupfte und dann ein paar Mal hineinschnäuzte. „Natürlich könnte ich Fulvia auch selbst fragen, aber ich denke, sie ist momentan nicht besonders gut auf mich zu sprechen, wie alle eigentlich. Und um sie nicht noch weiter wütend zu machen, wollte ich dich eben vorschicken!", gestattete er sich ein Grinsen, „Ich würde es, wie gesagt, aber auch selbst tun."
Sein Grinsen verschwand relativ schnell wieder, womit eine erste Miene auf seinem Gesicht zurückblieb. „Und apropos, was Raymond angeht...", denn der Blick des Priesters war ihm keinesfalls entgangen – gut, er hätte auch Kristoff meinen können, aber etwas sagte ihm, dass er auf den Berater gewiesen hatte –, „Ihm werde ich sowieso noch ein paar Fragen stellen müssen!"
„Dann tu' dir keinen Zwang an, sprich mit ihm!", meinte Adam und wedelte mit seiner Hand, „Was Fulvia angeht... Nun, ich werde sie gleich mal fragen."
Er erhob sich und kam noch einmal auf den Prinzen zu. Ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen, während er ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Weißt du, wenn Rapunzel gehört hätte, was du gerade gesagt hast, wäre sie zusammengebrochen. Mein Tipp ist, dass du ihr erst mal nichts weiter erzählst. Sprich mit mir, wenn du weinen oder schreien willst, in Ordnung? Brich' nicht Rapunzel, denn das würde ihr Licht erlischen lassen."
„Ähm, ja, natürlich...", gab Eugene leicht zögerlich zu. Ihm wurde jetzt doch ein wenig flau im Magen. „Also, wir sehen uns dann!", meinte er letztlich und wandte sich zum Gehen. Allerdings würde er Raymond nicht sofort zur Rede stellen, zumindest nicht heute.
Rapunzel hockte auf den Treppen, die zum Altarraum führten und war gerade dabei, ein paar Gänseblümchen zu einer Girlande zu flechten, als sie Eugene auf sich zukommen sah. Kurz tat sich in ihr das Bedürfnis breit, aufzuspringen und ihn zu umarmen, aber sie schüttelte es ab. Stattdessen schenkte sie ihm nur ein leichtes Lächeln und klopfte mit einer Hand neben sich auf die Treppenstufe. „Komm, setz dich!" Er nickte nur dankend und nahm ihr Angebot gerne an. Eugene ließ sich jedoch etwas zu sehr fallen, aber vielleicht war das auch noch der Rest Alkohol, der seine Glieder steif und unglaublich schwer machte.
Sachte strich er seinen Anzug glatt, der trotz allem wohl etwas zu groß sein musste. Da er äußerst selten Kleidung aus dem Palast trug – eher zu seinen eigenen Sachen griff –, wurden diese eben noch nicht auf seine normale Größe angepasst.
Sein Kopf neigte sich nun Rapunzel zu und ein kleines, sanftes Lächeln bildete sich auf Eugenes Lippen.
Schweigend griff Rapunzel nach seinem Kragen und ließ die Gänseblümchen auf ihren Schoß fallen. Mit sanften Fingern richtete sie den Kragen, zog die Krawatte nach und strich die Falten aus seinem Ärmel. Anschließend tanzten ihre Finger hoch zu seinem Haar und begannen es auf eine Seite zu kämmen. „Du bist ein einziges Durcheinander!", tadelte sie, hatte dabei aber noch immer einen freundlichen Unterton. Sie ließ ihre Hände wieder zu ihrem Schoß zurückwandern und begann erneut damit, die Girlande zu flechten. „Aber du siehst hübsch aus." „Äh, danke!", murmelte Eugene verlegen und wollte sich gerade durch die Haare fahren, da bemerkte er, dass Rapunzel diese ja gerade durchgekämmt hatte, daher unterließ er dies.
„Und gefällt der Tag dir bisher...?", fragte der Braunhaarige, um das Schweigen zwischen ihnen zu brechen, verstummte aber sofort wieder. Er hätte sich jetzt wirklich gerne selbst geohrfeigt, für diese blöde Frage.
Wieso hatte er das gesagt? Natürlich war es logisch, dass der heutige Tag nicht so verlaufen war wie erhofft. Und das war seine Schuld!
Das war echt dumm von mir, hämmerte er sich in den Schädel. „Nun, was ich eigentlich meinte, war, dass sich doch alle echt viel Mühe für die beiden Glücklichen gegeben haben, nicht?", meinte Eugene nun und gestattete sich ein Schmunzeln, „Anna und Kristoff haben wirklich Glück!"
„Mhm...", machte Rapunzel nur und zuckte unmerklich mit den Schultern. In ihrem Kopf hüpften viele Sachen umher, die sie nun gerne sagen würde.
Oh ja, der Tag war super, es geht nichts über einen betrunkenen Ehemann, wiederholte eine sarkastische Stimme nun schon mindestens zum hundertsten Mal ihren aktuellsten Gedanken.
„Ich will nicht reden!", brachte sie dann hervor und legte die Gänseblümchen auf die kalten Treppenstufen. Sie rutschte ein wenig näher an ihn heran und legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab, dabei verschlung sie die Finger ihrer linken Hand mit denen seiner rechten. „Bleib einfach sitzen! Nur für jetzt, nachher darfst du wieder wütend sein." Eugene antwortete nicht darauf, sie hatte ihn ja gebeten zu schweigen, aber er wusste auch so nicht, was er hätte erwidern können. Er verankerte daraufhin einfach eine Hand in ihrem blonden Schopf und ging seiner vertrauten Geste nach.
Die beiden beobachteten, wie die Kirche sich weiterhin füllte und einige auch schon ihre Plätze einnahmen. Die Hochzeitszeremonie würde wohlmöglich bald beginnen.
Kristoff hinter ihnen lief nervös auf und ab, wirkte aber schon etwas gelassener. Das ging Eugene ebenso bei seiner eigenen Hochzeit mit Rapunzel, je näher der eigentliche Schwur der Ehe rückte, desto ruhiger wurde auch er, weshalb er nur zu gut nachvollziehen konnte, was der blonde Bräutigam jetzt momentan empfand. Das Warten auf seine baldige Frau war das Schlimmste. Man wollte sie doch eigentlich einfach nur in seinen Armen halten und endlich küssen.
Eugene hob seine Hand und betrachte den kleinen Ehering daran.
Dann verschlang er seine Finger jedoch wieder mit denen von Rapunzel.* * * *
„Halt still, Anna, ja? Ich befestige jetzt den Schleier, in Ordnung?", mahnte Elsa die rothaarige Braut vor dem großen Standspiegel an. Sie machte behutsam den weißen, durchscheinenden Stoff an dem roten Haar ihrer Schwester fest. Dabei benutzte sie kleine, glitzernde Spangen, die jedoch nicht wirklich auffielen.
Nach einer Weile entfernte sich Elsa von der Braut, ging um sie herum, um sie zu betrachten und legte dann ihre Hände auf die Schultern ihrer Schwester. Der Schleier verhüllte Anna noch nicht. Er war ziemlich schlicht und nicht gerade lang, da er nicht mal über den Rock ihres Kleides fiel.
„Du bist wunderschön, Anna!", meinte Elsa nun und die Rothaarige konnte nur zustimmend nicken. „Ich weiß!", sagte sie erneut den Tränen nahe.
Als es an der Zimmertür klopfte, fuhren beide Schwestern herum und bemerkten, wie einer der Diener herankam, der sie nach Corona begleitet hatte, dicht gefolgt von einem jungen Mädchen, das etwa 14 sein musste. „Königin Elsa, Prinzessin Anna!" Der Mann verbeugte sich ehrfürchtig und zog das Mädchen neben ihn dann schnell mit zu sich hinunter, „Ich komme, weil die Zeremonie Ihrer Hochzeit demnächst beginnt." Der Mann hob seinen Blick wieder und Anna erkannte, dass es sich um Frank handelte. „Vielen Dank, wir werden uns gleich auf den Weg zur Kirche begeben!", erwiderte Elsa und nickte Frank höflich zu.
Doch dann brachte das Mädchen sich in das Gespräch ein, um dessen Kopf ein hellblaues Stofftuch gewickelt war, um ihr blondes Haar zu betonen: „Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Hochzeit, Prinzessin Anna, werden sie glücklich!"
„Ähm, Verzeihung, wer bist du?", fragte Anna verblüfft, aber dankend. „Oh, entschuldigen Sie, ich bin Nessa!", stellte sich die Blonde vor und knickste einmal kurz. Frank mischte sich jetzt jedoch ebenfalls ein: „Sie ist die Tochter von den Beratern an Eurem Hof und wollte unbedingt bei Eurer Hochzeit, Prinzessin, dabei sein." Er fasste Nessa bei den Schultern und schob sie zurück Richtung Tür.
„Verstehe, dann wünsche ich auch dir viel Vergnügen bei meiner Hochzeit. Und danke, für das Finden meines Brautkleides!", meinte die Rothaarige und winkte den beiden noch zu, ehe sie aus dem Zimmer verschwanden.
„Wir sollten uns nun auch langsam auf den Weg zur Kirche machen!", wandte Elsa sich wieder an sie und trat vor Anna, um sie mit der kürzeren Hälfte des Schleiers zu verhüllen. „Ist gut!", nickte diese und hakte sich bei ihrer Schwester unter. Während sie die Flure des Palastes von Corona entlanggingen, sprachen sie kein einziges Wort, was für Anna doch eine Überraschung war. Doch sie beide wurden nun von Schritt zu Schritt aufgeregter, Anna gegen Elsa natürlich um einiges mehr.
Als sie an der großen Treppe ankamen, die zum Eingangstor führte, musste die Rothaarige erst ihre Röcke raffen, ehe sie jede Stufe hinuntersteigen konnte. Ihre Schwester lief dabei direkt hinter ihr.
Nachdem dies dann geschafft war, hakte die Jüngere sich erneut bei der Älteren unter und sie setzten ihren gemeinsamen Weg zur Kirche fort.
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Frozen & Tangled I: Beware the frozen Heart
FanfictionRapunzel und Flynn sind zur Krönung von Elsa eingeladen und reisen nach Arendelle. Dort werden die beiden in die sich überschlagenen Ereignisse verwickelt, besonders dadurch, dass Rapunzel sich mit Anna gemeinsam auf die Suche nach Elsa begibt. Doch...