Eugene löste sich nun sanft und etwas widerwillig von Rapunzel. Er öffnete die Tür ihres Ateliers, die zurück auf die Wendeltreppe des kleinen Turmes führte.
„So, ich denke, wir sollten uns dann langsam auf den Weg machen zur... Naja, du weißt schon, was ich meine!" Lächelnd hielt er ihr seine Hand hin, die sie gleich darauf ergriff. „Und was ich dir noch sagen wollte, ich freue mich schon darauf, wenn wir erneut miteinander schlafen können. Diesmal tun wir es aber richtig! Nicht so wie heute, sondern mit allem Drum und Dran, das verspreche ich dir, Rapunzel!" Eugene grinste, zog die Tür hinter ihnen zu und legte einen Arm um ihre schlanken Schultern, „Ich liebe dich so sehr, mein Traum!"
Gerade passierten sie Fulvias Zimmer, woran sie langsam vorbeischlenderten. „Hey, wartet!" Die Tür flog auf und Fulvia trat heraus. „Hier, dein Wild Yam!" Sie reichte Rapunzel ein kleines Beutelchen. „Oh... Ähm, danke!" Doch da öffnete sich eine andere Tür auf dem Flur und sie erblickte ein paar Dienerinnen. Natürlich verstand sie sofort. Sie gab ihrem Mann einen Kuss und verschwand dann in dem Raum.
„Eugene, warte kurz, ja?" Fulvia reichte ihm einen Zettel:Heute Abend im Schlossgarten.
Bring' Rapunzel mit!Dann setzte sie ein zuckersüßes Lächeln auf und schlug die Tür zu.
„Euer Hoheit...?" Neela trat neben Eugene und knickste höflich, „Ich weiß, es schickt sich nicht, Euch Befehle zu erteilen, aber Eure Kleidung wurde in einem anderen Raum zurechtgelegt. Manimus möchte mit Euch gerne ein paar Worte wechseln, bevor Ihr und Eure Frau in die Kirche geht. Könntet Ihr mir folgen?" „Natürlich, sicher doch!" Eugene verbeugte sich ebenso höflich vor der jungen Dienerin und umfasste Fulvias Zettel dabei fest mit seiner Hand. Dann nickte ihm Neela nur zu und lief voran, woraufhin er dieser nur unauffällig folgte.
Neela deutete auf eine Tür. „Dies ist der Raum! Ich komme nicht mit rein. Ich möchte Eure Privatsphäre nicht stören." Sie öffnete die Tür und schloss sie, sobald Eugene hineingetreten war.
Auf dem Bett lagen ein schlichtes, schwarzes Hemd und eine schwarze Hose. Vor dem Bett stand ein Paar schwarzer Stiefel.
Manimus stand vor dem großen Fenster. Er hatte die Arme hinterm Rücken verschränkt und sagte ohne sich umzudrehen: „Heute ist ein grauer Tag, für ganz Corona..."
Eugene antwortete nicht, da er selbst nicht im Entferntesten wusste, was er hätte sagen können, um die Stimmung zu heben. Also ging er zum Bett hinüber und begann sich umzuziehen. Erst zog er seine Sachen aus, die er am Körper trug und legte sie behutsam neben seiner Kleidung für die Beerdigung ab. Dann streifte er sich die schwarze Stoffhose über, die, nebenbei bemerkt, ziemlich eng anlag. Dann stieg er in die schwarz glänzenden Stiefel hinein und betrachtete eine ganze Weile seinen nackten Oberkörper. Wohl eher die große Narbe, die sich darüber erstreckte und die symbolisierte, dass er eigentlich Tod sein müsste, aber das war er nicht und das hatte er Rapunzel zu verdanken. Sie war wirklich sein Licht, da sie diejenige gewesen war, die ihn vom Tode zurückgeholt hatte und damit wurde ihm ein Neuanfang ermöglicht, der den meisten schlechten Menschen verwehrt blieb und er war so unendlich dankbar dafür, dass er sich das Gleiche für sie und ihr Volk wünschte. Denn sie würde eine gute Königin werden, daran bestand kein Zweifel.
„Heute ist tatsächlich ein trauriger Tag für Corona, doch es werden auch wieder schöne Tage folgen...!", murmelte Eugene und schlüpfte in das schwarzes Hemd hinein, knöpfte es jedoch noch nicht ganz vollständig zu.
„Das gefällt mir an dir Junge...", lachte Manimus leise auf und drehte sich dann zu ihm um. Seine Augen waren rot und glasig, fast so, als ob er geweint hätte. „Du denkst immer positiv, selbst dann, wenn es anderen Leuten schwer fällt." Manimus griff in eine Tasche seines Gewandes und holte eine kleine Figur heraus. Es war eine Sonne aus Holz, die genau so aussah, wie das Wappen von Corona. Er ergriff Eugenes Hand und legte die Sonne auf seine Handfläche. „Die hat mir damals eine wunderschöne Frau geschenkt. Mein Spitzname für sie war ‚Sonne', denn in meinen Augen hat sie geleuchtet. Sie war mir sehr wichtig, Eugene! Diese Frau hat mir alles bedeutet und ich frage mich heute noch, wie ich nach ihrem Tod weiterleben konnte, aber dann habe ich diese Chance bekommen. Ich traf Rapunzels Vater und durfte hier im Schloss arbeiten. Rapunzels Eltern wurden mein neues Licht, sie wurden meine besten Freunde, meine Wegweiser. Eugene, auch ich habe sehr viel Schlechtes getan. Natürlich lastet auf mir nicht solch' eine gewaltige Schuld wie auf dir, aber manche Sachen würde ich doch ganz gerne ungeschehen machen. Aber wir wissen ja beide, dass das nicht geht, nicht wahr?"
Er klopfte dem Prinzen auf die Schulter und betrachtete ihn eine ganze Weile, ehe er weitersprach. „Rapunzels Geburt war für uns alle sehr schön. Natürlich hat uns dieser Krieg viel angetan, aber was kann sie dafür? Nichts, würde ich mal sagen! Ich möchte, dass ich nicht der Einzige bin, der in ihr eine neue Sonne gefunden hat, deswegen geb' ich dir dies. Ich möchte, dass du es ansiehst und Rapunzel siehst. Ich glaube, dass sie das Geschenk ist, das wir alle nicht verdient haben, aber trotzdem erhielten. Sie ist die Sonne, die immer dann scheint, wenn wir sie brauchen – Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde."
Nun ergriff der Alte seinen Gehstock, den er gegen den Schreibtisch gelehnt hatte. Mit langsamen Schritten ging er zur Tür und legte die Hand auf die Klinke. Als er sich dann noch einmal zu Eugene umdrehte, lächelte er ihm zu. Es war kein aufmunterndes oder fröhliches Lächeln, sondern viel mehr ein Wehmütiges. „Ich habe nun alles verloren, aber du hast die Chance, alles zu behalten. Du wirst ein guter König!"
Dann öffnete er die Tür und ging hinaus auf den Flur.
Dafür betrat Neela nun den Raum. „Eure Frau ist nun auch soweit! Sie erwartet Euch, zusammen mit Sir Raymond und Lord David, in der Eingangshalle." Noch immer etwas benommen, durch die Worte von Rapunzels Lehrmeister, verließ Eugene nun auch das Zimmer. Als er an der jungen Dienerin vorbeikam, nickte er ihr höflich zu und verbeugte sich nochmals. „Vielen Dank, ich werde mich sofort auf den Weg zu ihnen machen!"
Damit lief er davon. Den langen Flur entlang, bis zur großen Treppe, die hinunter zum riesigen Eingangstor führte. Eine Stufe nach der anderen nehmend, ging er sie herunter, dabei hielt er die kleine Holzsonne fest in der Hand. Er konnte es immer noch nicht so recht glauben, was Manimus ihm da gerade erzählt hatte.
Dachte er denn wirklich so über mich?
Er ist so überzeugt von mir, obwohl ich es selbst nicht einmal bin.
Langsam schritt Eugene auf die kleine Gruppe zu. Rapunzel stand in der Mitte, ihre Haare waren wieder zu einem Zopf geflochten worden, sodass es praktischer für sie war. Raymond und David hatten sich an ihren Seiten postiert, wenn nötig, um sie so etwas stützen zu können. Als David ihn erblickte, nickte er ihm zu und verließ Rapunzels Seite, damit Eugene sich dort positionieren konnte. Raymond allerdings blieb, wo er war.
Nun sah Rapunzel auf. Ein breites Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie Eugene entdeckte, jedoch war es geprägt von Traurigkeit. „Hallo, Eugene...", hauchte sie leise. Ihre Stimme klang leise und zerbrechlich, wenngleich sich auch Ernsthaftigkeit darin verbarg. Sie hakte sich also bei ihm unter und legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab. „Ich halt' dich jetzt ganz doll fest, ja? Und du hältst mich genauso fest, in Ordnung?"
„Na komm, wir gehen!", flüsterte David und legte Raymond eine Hand auf die Schulter. Dann nickte er ihm zu und ging zur Tür hinüber. Doch er bemerkte natürlich, dass Raymond ihm nicht folgte. „Ich bleib' hinten!", antwortete er nur mürrisch. David betrachtete ihn eine Weile, zuckte dann jedoch hilflos mit den Achseln und verließ als erster das Schloss in Richtung Kirche. Die anderen Drei folgten ihm gleich darauf auch schon.
Eugene legte Rapunzel dabei einen Arm um die schlanken Schultern, wobei er noch die kleine Holzsonne von Manimus in seiner Hosentasche verstaute. „Du kannst auf mich zählen – Immer!", murmelte er und ließ sie sich bei ihm anlehnen, „Ich beschützte dich, Rapunzel, das weißt du doch." Eugene küsste seine Frau auf die Stirn und begann seiner üblichen Geste nachzukommen; Er streichelte ihr sachte über den goldblonden Schopf.
![](https://img.wattpad.com/cover/116950304-288-k894795.jpg)
DU LIEST GERADE
Frozen & Tangled I: Beware the frozen Heart
FanfictionRapunzel und Flynn sind zur Krönung von Elsa eingeladen und reisen nach Arendelle. Dort werden die beiden in die sich überschlagenen Ereignisse verwickelt, besonders dadurch, dass Rapunzel sich mit Anna gemeinsam auf die Suche nach Elsa begibt. Doch...