Kapitel 24: „Traurige Realität"

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Rapunzel trat zum Fenster und blickte in die verschneite Ferne. „Da hast du so Recht!" Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen den Tisch, der unterhalb des Fensters stand, „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass mein Gefühl von Anfang an richtig lag. Ich habe diesem Kerl beim ersten Mal schon nicht vertraut, aber... Dass es so ausgehen würde, hätte doch niemand geglaubt? Das Schlimmste ist, dass Anna vermutlich nicht einmal eine Ahnung hat. Ich meine, dieser widerliche Kerl hat sie echt super um den Finger gewickelt. Ich... Ach, dieser Kerl regt mich einfach so auf!" Die letzten Worte schrie sie förmlich und trat wütend gegen den Tisch, an dem sie lehnte.
Dann fiel ihr Blick auf den Stapel Papier, das Tintenfass und die Schreibfeder, die auf dem Tisch standen. „Stimmt ja...", murmelte sie leise und wandte sich von ihrer Wut ab und einem vielleicht egoistischem Thema zu. Sie nahm sich ein Blatt von dem Stapel und tunkte die Schreibfeder in die Tinte.
Irgendwann nahm sie Flynn schon gar nicht mehr war und schrieb einfach. Erst ein Brief an ihre Eltern und danach für ihn. Nachdem sie fertig war, stand sie wieder auf und ging zu Flynn hinüber.
„Hier!" Sie drückte ihm die Briefe in die Hand und ließ sich dann neben ihn auf das Bett sinken, „Der größere ist für meine Eltern. Ich will nicht, dass sie dir die Schuld geben. Und... der kleinere ist für dich."
Jedoch hatte sie nicht alles in den Brief schreiben können und so wollte sie das Ganze jetzt mündlich klären.
Du bist so eine Egoistin, dachte sie und fühlte sich schuldig nun mehr an sich, als an Anna und Arendelle, zu denken. Aber das war doch irgendwie verständlich, oder nicht?
Nachdenklich betrachtete sie ihren Ehering.
„Weißt du, dass der Tag, an dem ich den bekommen habe, der schönste Tag in meinem Leben war?" Sie lächelte Flynn an und versank dann in ihren Gedanken. „Es war alles noch so unwirklich. Ich hatte jemanden, der mich liebt, Eltern, die mich immer unterstützen und für mich da sind, wenn ich Hilfe brauche. Und dann hast du mich gefragt, ob ich dich heiraten will und... d-das war der glücklichste und gleichzeitig traurigste Moment meines Lebens. Ich habe mich so gefreut, dass da jemand war, dem ich mich anvertrauen konnte, der mich nicht verurteilt, der mich so liebt wie ich bin und gleichzeitig... hatte ich Angst! Angst vor dem, was kommen würde. Ich meine, ich habe 18 Jahre meines Lebens in einem Turm verbracht, abgeschattet von der Welt, ohne irgendwelche Leute, mit denen ich reden konnte – Na gut, abgesehen von Pascal. Ich habe gedacht, wenn ich erst einmal im Schloss bin, vergesse ich das alles, aber... Dann habe ich erst richtig realisiert, was ich all' die Jahre verpasst habe. Plötzlich musste ich erwachsen sein, viel erwachsener! Plötzlich erwartete man von mir eine verantwortungsbewusste, erwachsene Frau zu sein, die weiß, wie sie mit ihrem Volk umgehen muss – Eine geborene Prinzessin. Aber das wusste ich nicht. Ich hatte Angst. Vielleicht zu große Angst? Und dann kam der Tag unserer Hochzeit. Ich war so froh, endlich deine Frau zu sein, aber innerlich habe ich geweint. Ich habe geweint, weil ich da erst begriff, wie ich all' die Jahre gelebt habe – Einsam und verlassen. Ich musste so vieles nachholen, aber dann war ich plötzlich erwachsen und verheiratet, ab da war ich vollkommen verwirrt. Ich wusste nicht mehr, was ich wollte und wie ich fühlte. Mittlerweile habe ich noch mehr Angst! Angst davor, dass... dass die Gefühle, die ich für dich habe, nur dazu da sind, um meinen Kummer zu überstehen, um meine Verwirrtheit abzulegen. Vielleicht bin ich der Grund dafür, dass der Akt der wahren Liebe nicht geklappt hat? Aber eins ist mir klar geworden: Du liebst mich wirklich!" Sie seufzte und holte tief Luft, „Vielleicht wollte ich einfach, dass du jemanden findest, der dich wirklich liebt... Also d-das will ich immer noch! Deswegen versprich' mir, dass, wenn ich dann tot bin, du dir jemanden suchst, der besser zu dir passt. Jemanden, der weiß, wie die Welt funktioniert; Jemanden, der weiß, wie man lebt! Versprich' es mir, ja?"
Nun konnte sie sich nicht mehr halten und gab sich vollkommen den Tränen hin, die schon während sie gesprochen hatte über ihre Wangen geflossen waren.
Sie schluchzte laut auf und drückte sich gegen Flynns Brust.
„Das musst du mir versprechen, bitte! Du sollst nicht wegen mir dein ganzes Leben wegwerfen müssen." Rapunzels Hände wanderten nun zu Flynns Schulterblättern, sodass sie sich noch fester an ihn drücken konnte.
So, nun ist es raus, dachte sie, du bist eine kaltherzige Egoistin, das und nicht weniger. Immer wieder rechtfertigst du dich für alles, was du tust. Dabei weißt du genau, dass du nur an eines denken kannst und das bist du! So eine selbstsüchtige Person ist auf dieser Welt eh nicht willkommen.
Doch während ihr inneres ‚Ich' versuchte, ihr all' dies einzureden, sagte eine andere Stimme in ihr, dass Flynn Recht hatte, mit dem, was er gesagt hatte.
Ich war gutherzig. Eine freundliche Person.
Dieser Kampf der Gefühle wirkte sich nicht nur auf die Sonnen- und Eiskräfte aus, die noch immer in ihrem Inneren kämpften, sondern auch auf ihre Haare, die von Weiß zu Gold und von Gold zu Weiß schwankten.
Sie sah Flynn nicht an, genoss einfach nur seine Nähe und hoffte, er würde weiterleben, ohne sie, mit jemandem, der besser zu ihm passte, denn genau das verdiente er, das hat er immer schon verdient.
Flynn verstummte und sein Blick wurde ernst. Nun wusste er, was Rapunzel all' die Jahre auf der Seele lastete und es schmerzte, dass er ihr nur wenig geholfen hatte, aber er wusste auch, dass es nicht seine Schuld war, dass sie sich so schlecht fühlte und deshalb richtete er sich auf.
„Ich werde es dir versprechen, dass ich weiterlebe und -liebe, wenn du von mir gegangen bist..." Flynns Stimme blieb ruhig und einfühlsam, „Aber noch ist es nicht so weit und die Hoffnung bleibt immer. Hoffnung ist stärker als Angst, weißt du das nicht mehr, das hast du mir gesagt!" Er lächelte Rapunzel an und legte ihr einen Arm um die schlanken Schultern.
Rapunzel schniefte einmal laut und versuchte sich ein paar Tränen wegzuwischen. „Ja, das... habe ich wohl! Tz, kaum zu glauben, dass so ein depressives Häufchen Elend sowas mal gesagt hat, hm?" Dann zog sie sich ihren Ehering vom Finger und drückte ihn Flynn in die Hand, „Hier! Ich finde... den solltest du behalten."
Sie lächelte noch einmal und stand dann auf. „Na dann, auf ins letzte Abenteuer!"
Flynn sah traurig auf den Ring hinab, der klein undzerbrechlich auf seiner Handfläche lag, doch dann lenkte ihn die Erheiterung von Rapunzel wieder ab.
„Gut, so soll das Abenteuer beginnen!" Er hielt ihr seinen Arm hin, damit sie sich unterhaken konnte, was sie dann auch tat. Somittraten die Beiden aus ihrem Gemach, in das sie geschickt worden waren, undmachten sich auf den Weg ins letzte Abenteuer.

Frozen & Tangled I: Beware the frozen HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt