Kapitel 4: Wach

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Sonntag, 27.12.

Ich lag in der Nacht noch lange wach, schaute nur auf mein schlafendes Baby und dachte an die Zukunft. Viele Szenarien kamen in meine Gedanken, die auf unterschiedliche Weise endeten. Sowohl, dass Marlo nach ein paar Wochen wieder gehen konnte und sich der Nerv gelöst hat, aber auch solche, wo er sein Leben lang auf den Rollstuhl angewiesen war. Wie es letztendlich kommen sollte, wusste ich nicht, aber ich ging einfach vom besten aus.

Nachdem ich auch endlich mal Schmerztabletten bekommen hatte, gingen die Kopfschmerzen ein wenig zurück und ich schlief ein. Die Nacht war natürlich ziemlich kurz, da ich immer wieder aufwachte und zu Marlo schaute, aber es war unverändert – er schlief.

Mein Körper tat so extrem weh, dass konnte sich niemand vorstellen. Jede kleinste Bewegung war eine Qual, sogar das Atmen tat weh. Unerträglich. Ich zählte schon die Tage bis es mir wieder besser ging. Jeden überstandenen Tag war ein Segen.

Ich öffnete kurz meine Augen und schaute in Marlos Gesicht, dachte mir aber nichts dabei und schloss sie wieder, öffnete sie aber blitzschnell wieder. Ich wurde von strahlend blaugrauen Augen angesehen, Augen, die ich so sehr vermisst hatte.

„BABY!", schrie ich fast schon und legte meine gesunde Hand an Marlos Wange, die die für Marlo gewöhnliche Wärme hatte. Er war wach! WACH! Mein Puls beschleunigte sich sofort. In mir stieg die Aufgeregtheit, die Schmetterlinge in meinem Bauch erwachten zum Leben, einfach nur, weil er mich anschaute.

„Prinzessin!", flüsterte Marlo leise und lächelte. Er war wieder wach! Er war bei vollem Bewusstsein! Ich war so geflasht davon, dass ich alles um mich herum vergaß und nur noch auf Marlo achtete. Marlo! Mein Baby!

„BABY!", wiederholte ich noch einmal meine Aussage und beobachtete jede Regung, die er mir bot. Ich konnte es einfach nicht glauben. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wie glücklich ich war!

Sein Lächeln wurde immer breiter, was mich auch zum Lächeln brachte. Endlich! Ich schaute über ihm zum Überwachungsmonitor, dessen Piepen ein wenig schneller wurde. Das Teil war ziemlich praktisch! Mein Blick ging zurück zu Marlo, dem ich vorsichtig meine Lippen auf seine drückte und einfach nur diesen kurzen Moment genoss.

Das Piepen verschnellerte sich augenblicklich um mindestens das Doppelte. Ich löste meine Lippen wieder von seinen und öffnete die Augen.

„Wie geht es dir, Baby?", fragte ich wieder leiser und streichelte weiter über Marlos Wange.

„Ich weiß es nicht. Ich habe extreme Kopfschmerzen, mein Arm tut weh und meine Beine sind eingeschlafen.", sagte er leise und ich nickte und schluckte einfach nur. Ich konnte es ihm nicht sagen, ich wollte es ihm nicht sagen, das sollte ein Arzt machen. Ich konnte nur für ihn da sein und ihm den nötigen Halt geben, den er brauchte, wobei ich mir noch nicht einmal sicher war, ob er ihn wollte und wie ich es anstellen sollte, da ich es nicht ändern konnte. Ich konnte es einfach nicht!

Ich wusste, wenn ich den Arzt rufen würde und er Marlo aufklärte, würde Marlos Verhalten sich ändern. Ich musste einfach egoistisch sein und noch ein paar Momente, den allbekannten Marlo genießen und mir alles einprägen, damit ich nichts vergaß! Es musste sein!

Ich legte vorsichtig meine Lippen wieder auf seine und küsste ihn, so lange wie es mein Körper zuließ und die Schmerzen auszuhalten waren, aber das war leider viel zu kurz. Marlo, der seine Hand auf meine Hüfte gelegt hatte, wollte mich näher an sich ziehen, was mich zum Aufstöhnen brachte. Ich löste mich von Marlo, kniff die Augen fest zusammen und wartete darauf, dass der Schmerz ein wenig nachließ.

„Fuck! Alles ok? Scheiße, habe ich dir weh getan?", fragte Marlo und schien auf einmal hellwach zu sein.

„Gehirnerschütterung, Rippen gebrochen, Arm gebrochen, Seite hat alle Farben, aber es ist soweit ok.", brachte ich abgehakt heraus und atmete ruhig ein und aus.

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