Kapitel 51: Straße

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Konnte ein Mensch glücklicher sein? Ich glaube nicht.

Ich hatte Marlo wieder, auch wenn es alles ein wenig seltsam lief. Ich wollte ihn, redete mir ein, dass ich ihn nicht mehr wollte und wollte ihn dann trotzdem. Meine Gedanken waren ein wenig kompliziert. Genauso wie unsere Beziehung.

Ich gab mir die Schuld, wobei ich eigentlich gar nichts dafür konnte, was mir im Nachhinein immer klarer wurde. Es war ein tragisches Unglück, welches niemand ahnen konnte. Hätte ich... Ja, hätte, hätte - Fahrradkette.

Niemand wusste was die Zukunft brachte, was in den nächsten Minuten passieren konnte und auch ich nicht, auch wenn es manchmal praktisch wäre. Es hätte uns viel Leid und Kummer erspart, aber wir mussten das Leben so nehmen, wie es kam. Wir mussten die Probleme meistern – zusammen, auch wenn es nicht immer einfach war.

Und wir mussten sprechen. Viel, viel mehr miteinander sprechen. Wir mussten unsere Gefühle und Gedanken dem anderen mitteilen, damit er nicht im Dunkeln tappte, damit er sich nicht irgendwas einredete, was nicht stimmte. Das war ein großes Problem bei uns, was ich ändern wollte.

Niemand war perfekt. Auch wir nicht.

Marlo hatte seine Fehler, genauso wie ich. Aber ich liebte ihn. Liebte ihn von ganzem Herzen und ich wusste, auch wenn ich so verdammt unerfahren war, es gab niemanden, den ich mehr lieben konnte – außer das eigene Kind, falls ich jemals eins haben sollte.

Wir ergänzten uns ziemlich gut. Er unordentlich – ich ordentlich. Er hatte viel Erfahrung – ich wenige, eigentlich gar keine. Er hasste es zu kochen – ich mochte es zu kochen. Er liebte den Tag – ich liebte die Nacht. Er hatte bis dahin das perfekte Leben – ich hatte es nicht. Er hatte Geld – ich hatte keins. Er war beliebt – ich war es nicht. Er war hübsch – ich nicht.

Und es gab noch so viele andere Dinge, die den Unterschied zwischen uns zeigte, aber wir ergänzten uns gerade deswegen so sehr. Gegensätze zogen sich an? War bei uns auf jeden Fall der Fall. Ich konnte mich immer wieder nur bei Luan bedanken, dass er mich mit zum Geburtstag der Maus genommen hatte. Weil ohne diesen hätte ich Marlo wahrscheinlich nie kennengelernt.

Aber wer wusste das schon? Immerhin wohnten Luan und Marla genau gegenüber von mir und vielleicht hätte ich Marlo irgendwann mal auf dem Flur gesehen. Da war wieder das Wort hätte. Keiner wusste es. Vielleicht wäre alles ganz anders gelaufen? Vielleicht auch nicht.

Vielleicht wäre der Unfall nie passiert. Vielleicht hatte das alles auch etwas gutes? Vielleicht wurde gerade wegen den Umständen unsere Beziehung zueinander stärker. Die Tiefen waren nie schön, dafür genoss man die Höhen umso mehr.

Wir mussten abwarten. Beide. Auch wenn Marlo ziemlich ungeduldig war und einen manchmal echt den letzten Nerv raubte. Aber war ich anders?

Ich sah in allem immer das größte Problem und machte mir unnötige Gedanken, die meinen Kopf manchmal fast zum Platzen brachten. Marlo wusste genau, wie ich war und versuchte meine Gedanken zu lesen, was er manchmal sogar schaffte.

Wir mussten uns zusammenreißen! Er liebte mich. Ich liebte ihn. Das war das wichtigste. Alles andere konnte man regeln. Irgendwie würde es immer gehen. Irgendwie würden wir es immer schaffen und vielleicht hatten wir das Glück, dass es dieses Mal für immer war?! Abwarten und kämpfen waren die Zauberwörter. Nichts für selbstverständlich halten und alles dafür tun.

„Auf einmal so ruhig, Schnecke. Was ist los? Zu viel rumgeleckt?", kam es von Luan, der mich aus meinen Gedanken riss und ich ziemlich zusammen zuckte.

„Nö, eher zu wenig. Gleich geht's bei Marlo im Zimmer weiter!", haute ich zuckersüß raus und lächelte Luan an.

Marlo lachte sich ziemlich kaputt und weinte fast schon. Luan schaute mich nur mit großen Augen an. Sah immer wieder geil aus, wenn er ein wenig sprachlos war und erst einmal klar kommen musste mit dem gesagten. Außerdem konnte man das weiter zweideutig sehen. Was Luan dachte, wollte ich gar nicht wissen, wenn ich ehrlich war, aber da ich Luan doch schon ziemlich gut kannte, wusste ich, dass er eh nur ans perverse dachte. Sollte er mal denken.

Marlo und mich ging es schließlich nur etwas an, was wir bei Marlo im Zimmer machten. Ob wir schon miteinander geschlafen hatten oder nicht. Das alles hatte niemanden zu interessieren, fand ich zumindest, aber ich denke, dass auch Marlo der Typ war, der damit nicht rumprallen musste. Immerhin brauchte er sowas nicht und es war einfach nicht seine Art.

„Ekelhaft! Ernsthaft!", motzte Luan und schüttelte nur seinen Kopf. Ich ging rückwärts um die beiden Idioten im Auge zu behalten.

„Sagst du? Gerade du? Wer hat es denn vor noch nicht einmal 10 Minuten mit irgendeinem wildfremden Mädchen an irgendeinem alten Haus getrieben?", fragte ich herausfordernd und Marlo lachte immer mehr.

„Das ist was anderes?!", äußerte sich Luan und ich lachte auf.

„Stimmt. Marlo und ich kennen uns nun schon ein paar viele Monate. Sind zusammen und haben schon einiges zusammen erlebt. Er ist mein Freund. Im Gegensatz zu deinem Weib, welches du vielleicht ne Stunde kanntest und es gleich mit ihr getrieben hast. Also Luan, nun sag mir wer oder was hier ekelhaft ist."

Luan zog eine Augenbraue hoch und schaute mich ziemlich sprachlos an. Wieder einmal.

„Siehste. Also Klappe halten!", sagte ich grinsend und drückte Marlo kurz einen Kuss auf den Mund auf, da er immer noch mit Lachen beschäftigt war. Ich konnte auch sowas manchmal sagen, aber selten. Das waren eigentlich die Fachgebiete von den beiden Gestörten vor mir.

„Damn Schnecke!"

Ich nickte nur und ging lachend weiter rückwärts. Ich sah aus den Augenwinkeln die Straße, hatte aber noch genügend Abstand dazu. Marlo, bekam sich einfach nicht mehr ein.

Luan blieb auf einmal stehen und verkreuzte wie so ein kleines bockiges Kind seine Arme vor der Brust, aber das störte mich nicht, da ich mit Marlo ziemlich lachte. Sein Lachen war so ansteckend. Es war immer wieder erfrischend, wenn wir so einen Blödsinn sagten und machten. Auch, wenn ich Luan mal Paroli bieten konnte, auch wenn es mehr als selten der Fall war.

„Du bist scheiße, Schnecke!", rief Luan und ich nickte.

„Richtig, weil ich die Wahrheit gesagt habe.", äußerte ich mich und fing wieder an zu lachen, als Luans Schnute größer wurde. Zu toll.

Marlo liefen schon vor lauter Lachen die Tränen die Wange hinunter.

Ich trat weiter zurück, immer noch mit lachen beschäftigt.

Plötzlich ging alles viel zu schnell. Ich stolperte rückwärts auf die Straße, wo ein dunkles Auto auf einmal von der rechten Seite angefahren kam, laut hupte und ich das quietschen der Reifen hörte. Ich ruderte mit den Armen, versuchte noch irgendwo halt zu finden, welcher mir Marlo gab, der blitzschnell meine Hand nahm, durch den Schwung aber sein Gleichgewicht verlor, aus dem Rollstuhl in Richtung Straße fiel und mich zur Seite schleuderte.

Seine Augen waren vor Panik weit aufgerissen, der Schock war ihm deutlich anzusehen! Sein Gesicht würde ich nie wieder vergessen. Es war grauenvoll. Es waren nur ein paar Millisekunden vergangen, es geschah einfach alles nur noch wie in Zeitlupe.

Zuerst knallte mein Knie auf der Straße auf, danach folgte der Rest meines Körpers. Als letztes mein Kopf.

Ich hörte nur noch wie Luan nach meinem Namen schrie, wie das Auto irgendwas erfasste und es einen ohrenbetäubenden Knall gab.

Nicht schon wieder. MARLO! Wo war Marlo?! Waren meine letzten Gedanken, ehe ich meine Augen schloss und von der Dunkelheit umhüllt wurde.

Marlo! Sein Lächeln. Sein Schock. Dieser Blick, der die pure Angst zeigte!

Ende! (Teil 2) 😊

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