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PoV Ardy

Es gab viele Dinge die mir den letzten Nerv raubten, doch würde mir gesagt die Wichtigsten aufzuzählen wären es folgende fünf Punkte:

- Wenn man mich vom schlafen abhält
- Wenn man mich unsanft aufweckt
- Wenn man zu neugierig ist
- Wenn man manchmal einfach nicht seine Klappe halten konnte
- Und in letzter Zeit auch Taddl

Und leider erfüllte mein bester Freund jeden einzelnen dieser verdammten Gründe, die mich zu einem Nervenzusammenbruch bringen könnten.
Aber nicht nur wenn er zu aufdringlich war verursachte er merkwürdige Gefühle in mir. Nein. Er befand sich leider konstant in meinem Kopf.
Noch nicht mal Nachts ließ er mich und mein Gehirn in Ruhe.
Fuck.
Genervt wälzte ich mich in meinem Bett hin und her. Und bekam leider in voller Lautstärke mit wie sich der werte Herr Tjarks mit seiner Freundin vergnügte.
Wie ich sie hasste... Wie ich ihn hasste... Und wie mich vor allem beide zusammen in den Wahnsinn trieben.
Ich rieb meine pochenden Schläfen. Denn nicht nur unter meinen Augen machte sich der Schlafmangel bemerkbar. Schon seit Tagen hatte ich bestialische Kopfschmerzen.
Wieder erschallte ihr Stöhnen.
Seine Stimme...
Bitte nicht. Du fängst jetzt nicht an zu heulen.
Er war nur dein bester Freund. Und er verbrachte nicht mehr soviel Zeit mit dir... Deshalb macht dich hier alles so fertig.
Du liebst ihn nicht Ardy.
Ich schreckte vor mir selbst zurück als ich merkte wie wütend mich das alles hier machte. All meine Gedanken lösten ein bedrohliches Brodeln in mir aus.
Wieso tat mir mein Herz sowas an? Was habe ich getan?
Erzähl mir nicht du weißt nicht was ich mein...
Ich will Klarheit. Wie soll ich das überleben?
Was hab ich nur Falsch gemacht?
Ich tastete mein Handy aus meiner Schultasche und entwirrte die weißen Kabel. Was deutlich durch meinen tauben Fingerkuppen und meinen müden Blick erschwert wurde.
Endlich.
Seufzend steckte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren. Und drückte wahllos auf irgendeine Playlist. Insgeheim bettelte ich dafür es würde irgendetwas lautes sein, das Taddl übertönen würde. Aber natürlich nicht. Wie konnte es auch anders sein?
Es schaltete sich die von mir liebevoll benannte Ritzplaylist an. In echt hieß sie nur Random,
ich war ja nicht doof.
Doch als diese, in meinen Ohren schmerzvoll vertraute, Musik ertönte und dazu nun auch noch wortwörtlich die weißen Wände zu beben begannen wurde mir schlecht.
Ungeachtet wohin mein Handy samt immer noch säuselnden Kopfhörern flog, sprang ich auf.
Ich schwang die Tür auf und realisierte kaum, das unglaublich laute Knallen ,dass die Klinke gegen den dünnen Putz auslöste.
Im Nachbarzimmer wurde es augenblicklich still. Ich meinte ein Murmeln zu hören.
Gut so.
Ich raste in das Klo und schlug, ohne auf die Reaktion meiner Nachbarn zu warten, die Tür hinter mir zu.

Und dann begann ich zu weinen, nicht dieses Film-Weinen wo man nur ein paar Tränen verdrückte, sondern das 'Richtige' mit Rotz und Schluchzen. Wo jeder denkt man wäre kurz vorm ersticken.
Oh Ja. Ersticken käme mir jetzt gerade recht.
Dann schleppte ich mich auf Knien über den kühlen Fliesenboden und zog mich über die Toilette. Meine Finger krallten sich krampfhaft in den Spalt zwischen Klobrille und Porzellan.
Ich keuchte und würgte. Doch brach, nach mehreren zwecklosen Versuchen das flaue Gefühl aus meinem Magen loszuwerden, einfach nur neben dem Klo zusammen.
Ich kauerte mich jetzt nur noch leise schniefend zusammen und hörte Taddl gegen die Tür klopfen.
Wie lange stand er schon da?
Ob er mich gehört hatte?
Ob er sich nun Vorwürfe machte?
Ich hoffte es.
Doch dann hörte ich die genervte Stimme von Lisa, seiner Freundin.
"Komm doch wieder ins Bett. Der beruhigt sich schon wieder.''
Ich spürte wie die Schmerzen wieder überhand nahmen. Leise wimmerte ich vor mich hin. Der Schmerz zog von meinem Herz in den Kopf und schnürte mir die Kehle ab.
Ich krächzte. Und musste scharf ausatmen bei den Gefühlen die mich wie Sturmfluten erdrückten.
"Hast ja recht...''
Sie hat nicht recht Taddl... Ich brauche dich!
Jede einzelne Silbe von ihm löste schon wieder ein Stechen in meinen Fingerspitzen aus. Ich presste sie auf die Fliesen.
Komm zu mir...
Den Rest der Konversation verstand ich nicht mehr denn erneut rauschte es in meinen Ohren.

Leer. So fühlte ich mich jetzt.
Wie gerne würde ich jetzt die Tür aufreißen und auf ihn einschlagen.
An seine Brust hämmern und ihm sagen was für ein Idiot er doch war. Solange bis er die selben Schmerzen wie ich empfand.
Bis er merkte was er mir antat.
Bis ich Reue in seinen wundervollen Augen sah.
Wie gerne würde ich jetzt meinem besten Freund sagen was ich für ihn empfand.
Kurzschluss.
Gesagt, getan.
Ich drehte in einer Bewegung den Schlüssel um und riss die Tür auf.
Und stockte, da stand er mit der Rothaarigen die sich willig an ihn presste und er mit seinen so verdammt schönen eisblauen Augen.
Ich brachte nicht mehr als ein verkrüppeltes Keuchen aus meiner Kehle bevor ich die lackierte Tür wieder mit einem lautstarken Schluchzen schloss.
Wollte ich gerade ernsthaft meinem besten Freund meine Liebe gestehen?
Ich bekam eine Gänsehaut.
Diesmal schaffte ich es gerade noch rechtzeitig zum Klo bevor ich mich wirklich übergeben musste.
So hing ich hier wahrscheinlich zehn Minuten, bevor ich mich dazu aufraffte aufzustehen um den ekligen Geschmack von Tränen, Rotz und Erbrochenem aus meinem Mund zu bekommen.
Das eiskalte Wasser lief über meine bleichen Hände.

Es war schon lange ruhig in der Wohnung. Was er wohl tat? Ob er sie weiter vögelte? Zutrauen würde ich es ihm alle Mal.
Erst als ich mir hundertprozentig sicher war das meine Mundhöhle sauber war sah ich mit verschwommenem Blick in den Spiegel.
"Was ist nur aus dem alten Ardy geworden?''
Sagte ich mit kratziger Stimme zu mir Selbst.
Wie auf Kommando rief mein Kopf schmerzhafte Bilder aus meiner Vergangenheit auf.
Früher.
Als Taddl und ich noch wirkliche Freunde waren.
Ich schloss für einen Moment meine Augen. Genoss die Fantasien und Momente die mein strapazierter Kopf spinnte. Wissend das ich nicht lange in diesen Träumen verweilen konnte. Denn es war vergangen. Selbst die Träume waren zerbrechlich. Zersprangen in meinen Händen zu tausenden Scherben wenn ich zu oft auf sie zurück griff.
Doch ohne sie...
Meine Finger krallten sich in die polierte Oberfläche des Waschbeckens.
Ich werde es wieder tun. Meine Pupillen weiteten sich.
Alles lief in letzter Zeit darauf hinaus. Mit zitternden Händen fummelte ich die Rasierklinge aus der Schublade und dieses Zittern wurde auch nicht schwächer als ich sie ansetzte. Sollte ich das wirklich tun? Ich lachte auf.
Ich schau in den Spiegel und hasse diesen Menschen.
Fuck Taddl.
Ich schnitt.
Du Idiot.
Ich betrachtete den Schnitt der noch kaum zu sehen war. Legte dabei den Kopf schief.
Im Internet sah das immer so leicht aus.
Also schnitt ich noch einmal. Nur diesmal mit mehr Druck. Die Klinge glitt fiel zu leicht in meine Haut. Ich verzerrte mein Gesicht und schloss krampfhaft meine Augen.
Ich hasse dich.
Wieder ein Schnitt.
Ich hasse mich selbst.
Der Schnitt war besonders tief...
"Ich hasse einfach alles!''
Ich schrie doch stockte im selben Moment als ich merkte das ich wohl zu laut war. Ein Prickeln auf meiner Haut, dann ein Brennen. Ich spürte eine unbekannte Hitze die meinen Arm hoch krabbelte. Finster.
Sie kratzte an meiner Haut.
"Ardy?''
Ich zuckte zusammen als mir seine Stimme nur noch einen Stich versetzte. Doch dieser war nicht so penetrant wie die auf meiner Haut.
War er nicht mit seiner Freundin beschäftigt?
Doch mit Problem Taddl konnte ich mich nicht mehr beschäftigen denn nun nahm ein anderes seinen Platz ein.
Ein rotes, fast schon fließendes.
Verdammt!
Schnell presste ich wahllos irgendein Handtuch auf meinen stark blutenden Arm.
Doch das half nicht viel.
Ich werde mich später hassen für das was ich jetzt tue.
"Taddl?''
Meine Stimme klang unglaublich hoch.
Fast schon panisch. Das sollte ich jetzt wohl auch eher eigentlich sein doch im Innern war ich ungewohnt entspannt.
Meine Beine begonnen zu wackeln.
"Gott endlich! Alles okay Bruder?''
Ich lehnte mich gegen die Tür, langsam verschwand meine Kraft.
"Klar, ich bin nur gestürzt. Kannst du mir einen Druckverband holen?''
"Soll ich reinkommen?? Oder einen Krankenwagen rufen??''
Seine Stimme war merkwürdig verzerrt.
"Nein! Jetzt beruhig dich erstmal, hol mir einfach den fucking Verband!''
Die letzten Worte presste ich zwischen meinen Lippen hervor.
Und für einen Moment hörte man nichts. Dann das Trippeln von Füßen, welches sich schnell entfernte.
Ich stöhnte auf und sank an der Tür hinab. Mein Arm wurde taub.
"Wieder da.''
"Okay. Ich öffne jetzt die Tür und wehe du kommst rein. Ich bin nackt...''
Okay, das Letzte war eine Lüge, aber wie hält man seinen besten Freund sonst davon ab hier rein zu stürmen?
Vor meinen Augen sah ich schon Punkte als ich den Schlüssel umdrehte, doch diesmal funktionierte Plan Reiß-Taddl-das-Verbandszeug-aus-der-Hand-und-schlag-die-Tür-wieder-zu nicht, stattdessen stolperte er fast ins Bad und quickte, am Rande bemerkt ziemlich unmännlich, auf als er mich auf dem Boden sah.
"Fuck Ardy...''
Ich gab nur ein Wimmer vor mir als er vorsichtig das triefende Handtuch von meinen Arm nahm. Er würgte.
Doch schluckte dann nur noch schwer und verband wortlos meinen Arm.
Viel mehr bekam ich dann auch nicht mehr mit, nur noch dass sich der kreidebleicher Taddl an die Wand lehnte und ins Leere starrte.

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