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PoV Dner

Ich stand vor der Brottheke. Gedankenverloren starrte ich von einem Preisschild aufs Andere.
So war es in letzter Zeit immer bei mir.
Die Monate, Wochen und Tage nach seinem Tod waren die Hölle gewesen.
Doch es war wie eine Wunde. Irgendwann bleibt nur noch eine unschöne Narbe. Und ich war wohl gerade in der Phase wo ich abgehärteter wurde.
Ich meine ich heulte nicht mehr jeden Tag. Oder wurde deprimiert nur weil jemand seinen Namen sagte.
Aber manchmal hatte ich auch solche Momente wo ich einfach nur auf meinem Bett lag und weinte. Irgendwann glitt ich dann in einen angenehmen Schlaf und träumte von ihm.
Das waren wohl die Augenblicke wo mir bewusst wurde dass er nicht wiederkommen wird.
Ich habe auch wieder damit begonnen Spaziergänge zu machen.
Doch egal welchen Weg ich ging, ich landete immer wieder bei 'unserer' Lichtung. Dort stand ich dann meist stundenlang und schrie mir die Seele aus dem Leib.

Wenn mich jemand fragen würde was schlimmer wäre: Trauer oder Liebeskummer. Ich könnte nicht wirklich antworten.
Aber ich denke ich fände es besser hätte Alex mich gehasst.
Er hätte wenigstens noch die Chance gehabt in seinem Leben glücklich zu sein. Wenn auch nicht mit mir.
Stattdessen war da dieses unförmige Loch wo einmal mein Herz war.
Trauer war wie ein Gift. Es tötet dich langsam und qualvoll. Solange bis du wegen den Schmerzen wohl möglich noch Selbstmord begehst.

Meine Hand krallte sich um den Griff des leeren Einkaufskorbes. Ich musste hier raus. Mit steifen Schritten, rannte ich fast schon aus dem Kaufhaus und erntete dafür verwirrte Blicke. Doch es war mir egal.
Die kühle Herbstluft schlug mir ins Gesicht.
Ich fröstelte. Wie ich die Kälte hasste. Doch es war nichts gegen den Frost in mir. Der Wind rauschte in meinen Ohren.
''Felix...''
Ich stockte. Verwirrt schüttelte ich den Kopf.
Das konnte nicht sein.
''Siehst du mich denn nicht?''
Mir lief eine Gänsehaut den Rücken hinunter. Diesmal konnte ich es mir nicht eingebildet haben. Kaum hörbar hauchte ich
''Alex?''
Ich sah auf.
Über mir brauten sich dunkelgraue Wolken zusammen.
Und da stand jemand.
Schwarze Jeans. Grauer Hoodie. Verboten schöne Augen.
Ich schloss für einen Moment meine Lider. Tief durchatmen. Mein Herzschlag sollte sich beruhigen. Doch es ging einfach nicht.
Ich wünschte er würde verschwinden.
Er riss alles wieder auf. All die Wände. All mein Schutz.
Ich öffnete sie wieder. Doch mit schmerzverzerrtem Gesicht musste ich feststellen dass er dort immer noch stand.
Tränen liefen stumm meine Wangen runter als ich sah wie er sich wie immer durch die kurzen Haare fuhr.
Ich war auch nur menschlich.
Mit strammen Schritten ging ich auf ihn zu.
Er beobachtete jeden meiner Schritte. Verharrte in seiner Position. Legte seinen Kopf schief.

Ich streckte meinen Arm nach ihm aus.
Stockte. Ich war wie eingefroren als er sich die Kapuze seines Hoodies überzog und sich umdrehte. Er ging. Er rannte.
Ich fiel auf meine Knie. Hämmerte auf den nassen Asphalt.
Mit verzerrtem Gesicht sprang ich dann auf und sprintete ihm hinter her.
Nur noch einmal berühren. Noch ein Wort. Es würde schon genügen.
Ich ignorierte die wütend hupenden Autos als ich über die Straßen hetzte.
Meine Haare klebten an meiner Stirn. Mein Atem rasselte. Und mein Zwergfell zog sich schmerzend zusammen.
Hatte er schon immer so viel Ausdauer?
''Alex!!''
Endlich hielt er abrupt an. Ein paar Schritte war ich noch von ihm entfernt.
Und ich knallte frontal in die Autobahnbande.
Schlagartig wurde mir klar wo mein Izzi gerade drauf stand.
''Scheiße! Lauf!''
Doch meine Warnung kam zu spät.
Er drehte sich noch einmal zu mir um. Lächelte mich liebevoll an.
Ein Zischen und der Luftzug eines LKW's vor mir riss mich zur Seite.
Die Erkenntnis erschlug mich.
Ich konnte ihn nicht retten. Mal wieder.
Ich wollte mir gar nicht die Überreste von meinem Freund ansehen doch ich konnte nicht anders. Bei einem Blick auf die Straße lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
Ich sah kein Blut. Keine Knochen. Nichts.
Einfach nichts.

Benommen fand ich dann irgendwie meinen Weg nach Hause. In mein Wohnzimmer. Ich brach auf dem Teppich zusammen.
Geschockt war noch untertrieben.
Ich fasste an meinen pochenden Kopf. Zuckte zurück. Er war brühend heiß. Sein Lächeln war alles was mir in Erinnerung geblieben ist. Es tat wieder weh.
Ich zitterte.
Versuchte ruhig zu bleiben. Zwecklos. Es war wie am ersten Tag.
Das Muster auf dem Teppich wurde nun von dunkleren Flecken durchzogen. Ich weinte. Leise schluchzte ich vor mich hin.
Wieso tat mein Kopf mir das an?

CrystalisedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt