Crystalised

43

PoV Taddl

Ich sah ihn. Sah in seine Augen. Er vermied meinen Blick. Starrte auf diese Armaturen.
Das konnte er mir nicht an tun.
Was hatte ich ihm nur getan?
Hatte ich ihn nicht genug geliebt?
Weshalb tat er mir das an?
Enttäuscht und wütend über den unbekannten Fehler den ich begonnen hab, sah ich die Autolichter hinter der nächsten Ecke verschwinden.

Ich war mir sicher das war der Typ von damals. Der Typ der Ardy...vergewaltigt hatte.
Umso mehr überraschte ich mich das Ardy plötzlich meinte es wäre alles nicht so gewesen. Und dann auch noch mit in sein Auto steigt.
Langsam machte ich mich wieder auf den Heimweg.
Ob er er nun ganz weg ist? Ob ich ihn nochmal irgendwann wiedersehen würde?
Ich raufte meine Haare.
Natürlich werde ich ihn wiedersehen.
Für einen Moment setzte meine Herz aus.
Sonst könnte ich nicht überleben.
Nein nicht ohne ihn. Er war mein Brudi. Meine Liebe. Meine Luft die ich zum atmen brauche. Der Grund weshalb meine Beine mich weitertragen.
Mit Stolz kann ich behaupten dass ich noch nie jemanden Anders so geliebt habe wie ihn. Das ist wohl auch der Grund weshalb mein Kopf verzweifelt nach Ursachen für seine Worte sucht.
Pandora konnte es nicht sein. Er war verschwunden.
Oder? Scheiße...
Ich wurde bleich.
Seine blauen Flecken. Seine merkwürdige Stimme. Seine Aussagen. Alles deutete darauf hin... Pandora ist zurückgekehrt.
Zurück in meinen Ardian.
Und jetzt? Jetzt war er an einen für mich unbekannten Ort mit seiner ersten Liebe und... Moment. Vielleicht hat Pandora ihn auch gerade dazu gebracht das zu behaupten? Vielleicht war doch alles wahr was ich zuvor gedacht hatte?

Reflexartig schloss ich die Flurtür auf. Schlich langsam die Treppe hoch.
Ich hoffte niemand hört mich. Niemand sollte mich so sehen. So verdammt schwach. Ich ekelte mich schon vor mir Selbst.
Wie konnte ich nur so dumm sein und ihn einfach mitgehen lassen? Wieso bin ich nicht wenigstens ein wenig misstrauisch geworden?
Mit einem Schreck stellte ich fest das die Tür von Rewi offen stand.
Ich atmete einmal tief durch. Und versuchte auf Samtpfoten an der Wohnung vorbei zu kommen. Doch als ich nur ganz kurz einen Blick hinein warf blieb ich wie angewurzelt stehen.
''Nein... Du liebst mich nicht...''
Rewi klang unnormal. Fast schon fremd.
''Aber...-''
Und dann geschah etwas das mir meinen Magen umdrehte. Mein ganzes Bild von dem sonst so liebevollen Dunkelblonden zerstörte.
Er schlug Felix.
Dieser bekam Tränen in seine Augen. Hatte nun eine rote Wange.
Ich schluckte.
Viel zu schnell versuchte ich die Stufen weiter hochzustolpern.
Denn in meinen Kopf brannte sich die Vorstellung, dass Joey das auch mit Ardy machen konnte. Ich spürte wie die Wut in mir überzukochen drohte.
Mit einem Knallen zog ich die Tür hinter mir zu. Raste in sein Zimmer. Kam dort außer Atem zu stehen. Ich drohte den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Auf einmal kam alles wieder hoch, all der Schmerz, all seine Worte, die Momente in denen ich ihn fast verloren hätte.
Ich durchlebte alles nochmal. Bis zu diesem Punkt. Wo ich ihn wahrscheinlich in sein eigenes Unglück geschickt habe. Ich konnte einen Schrei nicht unterdrücken. Es machte mich rasend zu wissen dass ich nichts unternehmen konnte.

Vorsichtig angelte ich mein Handy aus meiner Tasche. Klickte auf seinen Kontakt.
Sollte ich versuchen ihn anzurufen?
Bevor ich den Gedanken auch noch zu Ende denken konnte hatte ich schon auf die Nummer geklickt.
Es begann zu tuten und ich hielt mir den Hörer aufgeregt an das Ohr.
''Hallo?''
Ich knurrte.
''Joey...''
''Ach Taddl...''
Ich atmete einmal tief durch.
Versuchte das Bedürfnis zu unterdrücken ihm tausende Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Stattdessen presste ich meine Lippen auf einander und zischte die nächste Frage.
''Ist Ardian bei dir?''
''Ja Ardy ist bei mir.''
Ich wusste nicht ob mich diese Tatsache jetzt beruhigen oder nur noch mehr aufregen sollte.
''Geht es ihm denn gut?''
Angespannt umklammerte ich mein Handy.
''Ihm geht es nicht nur gut er ist sogar zur Zeit...''
Eine kurze Pause entstand.
''Zur Zeit sehr befriedigt.''
Ich konnte ihn fast schon dreckig Lächeln sehen. Die anfängliche Freude das es ihm gut geht schlug wieder in puren Hass um.
''Ich schwöre wenn du ihm auch nur ein Haar krümmst dann gnade dir Gott!''
''Du versuchst mir gerade zu drohen?''
Langsam wurde ich ungeduldig.
''Natürlich! Du hältst ihn gegen seinen Willen gefangen...''
''Hör mir zu, ich habe ihn nicht entführt oder so-''
''Nein du hörst mir jetzt zu: Ich rufe die Polizei und dann wirst du endlich für deine Taten bestraft! Also lass Ardian endlich frei... Er hat dir nichts getan!''
''Und selbst wenn du die Bullen rufst, die können mir nicht viel tun. Gib einfach auf.''
Schmerzhaft war es die Tränen zurückzuhalten.
''... Aber ich liebe ihn doch so...''
Das klang etwas zu weinerlich.
''Es ist mir egal wie sehr du ihn liebst. Er liebt dich nicht, sonst wäre er nicht weggelaufen oder?''
Nun konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Als ich meinen Mund öffnete um etwas zu erwidern bekam ich nur ein Schluchzen hinaus.
''Jetzt weinst du auch noch. Kein Wunder dass er es nicht lange mit dir ausgehalten hat.''
''Fick. Dich. Joey...''
Ein monotoner Piepton ertönte in der Leitung.
Wütend warf ich mein Handy auf den Boden.

Im nächsten Moment pfefferte ich schon meine Faust gegen die Wand.
Ich war dumm...
Noch ein Schlag.
So verdammt dämlich.
Jetzt war die andere Hand dran.
Ich sah wie sich die Wand Schlag für Schlag immer roter färbte.

Irgendwann waren dann auch die Tränen getrocknet und mich verließ die Kraft. Ich lehnte meinen Kopf gegen die blutrote Farbe.
Starrte einfach nur leer in die Gegend. Alles nahm ich nur noch verschwommen war. Wie krass ich ihn mir jetzt in meine Arme wünschte. Mal wieder wurde mir klar wie sehr ich ihn brauchte.
Ich schloss meine Augen.
Spürte wie meine Lider leicht zuckten. Meine Knöchel brannten stumpf vor sich hin. Ein paar Tropfen warmes Blut flossen von ihnen über meinen Finger bis hin zu der Spitze und fielen von da hinunter auf den Teppich.
Aus der Wohnung unter mir drang Geschrei. Es war Rotpilz. Dann schrie Rewi noch irgendwas. Ich verstand es nicht. Es interessierte mich auch nicht wirklich.

Das Klingeln an meiner Haustür riss mich aus meiner Starre. Langsam rappelte ich mich auf. Überrascht betrachtete ich für einen Augenblick den Blutfleck vor mir auf dem Boden. Dann fiel mein Blick auf meine Knöchel.
Sie bluteten immer noch stark. Die Haut war abgewetzt. Fleisch zu sehen.
Wieder ein Klingeln.
Ich murmelte ein 'Ja ich komm ja schon'. Auch wenn es der Besucher nicht gehört haben könnte. Ich schlurfte zur Tür.
Mein Blick war immer noch auf den Boden gerichtete als ich aufschloss.
''Taddl!''
Bei der Stimme lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich sah auf.
''L-Lisa? Was machst du hier?''
Ohne auf meine Frage einzugehen starrte sie auf meine Knöchel.
''Oh Gott. Was ist passiert?''
Sie griff nach meiner rechten Hand.
''Das muss verbunden werden.''
Die hübsche Rothaarige schob sich an mir vorbei.
''Verbandzeug ist im Bad oder?''
''Ja...''
Ich stockte. Wollte sie aufhalten. Doch sie war schon verschwunden.

Als sie wieder kam hatte ich mich auf das Sofa gesetzt. Wieder war ich in Gedanke. Bei meinem Ardy.
''Hey! Erde an Taddl? Sei nicht so Brain-AFK!''
Ich schreckte auf.
''H-Hast du was gesagt?''
Sie lächelte mich liebevoll an.
''Ich hab gefragt wie das passiert ist.''
''Achso... Ich war wütend...''
''Weshalb? Liebe?''
Sie legte eine Hand auf mein Knie.
''Kann man so sagen...''
''Welches Mädchen hat dich denn so verletzt?''
Ich zögerte.
Sollte ich es sagen?
''Ardy....''
Sie legte den Kopf schief.
''Oh... Das heißt du bist schwul?''
''Nein.. Bi.''
Kaum merklich hellte sich ihre Miene auf.
''Und wo ist er jetzt?''
''Weg...''
''Also habt ihr euch getrennt...''
Endlich sprach es jemand aus.
Und es traf mich wie ein Meteor. Brutal wurde ich in den Boden der Tatsachen gepresst.
Ich schluchzte.
Sie hatte Recht... wir waren nicht mehr zusammen. Er hasst mich. Er ist bei einem anderen Typen. All seine Worte. All seine Taten.
Lisa nahm mich in den Arm. Strich mir beruhigend über den Rücken. Nie hätte ich auch gedacht mal in ihren Armen zu weinen.
''Shh... Ich bin doch da für dich.''
Meine Finger bohrten sich in ihre Jacke.
''Ich will doch nur aufhören können ihn zu lieben...''
Doch das wird nie passieren.