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(Special) PoV Rotpilz

Ich rannte ins Bad.
Versiegelte die Tür hinter mir. Kraftlos brach ich zusammen.
Wie konnte er mir so was antun?
Mein Herz zerriss.
Ich gab dumpfe, lautlose Schreie von mir.
Heiße Tränen schossen in meine Augen.
Eigentlich durfte ich ihn nicht verurteilen. Er wusste nichts von... von meinen Gefühlen. Aber warum musste es gerade ein Junge sein?
Wieso konnte er nicht mit einem einzigen Messerstich mein Herz aufspießen. Wieso musste er es per Hand in Zwei reißen?
Ich wimmerte. Wälzte mich hin und her. Schlug mit meinen Fäusten und mit meinem Kopf auf den Fliesenboden. Immer und immer wieder.
Ich spürte ein eiskaltes knochiges Paar Finger auf meiner Schulter.
"Er liebt dich nicht Felix. Gib auf. "
Ich gab einen Schrei von mir der in einem gequälten Gurgeln unterging.
"Gib auf. Lass los. "
Ich stemmte mich hoch. Sah in mein verzerrtes Spiegelbild.
Hinter mir starrten mich die kugelrunden, blutunterlaufenen Augen an.
War ich ihm nicht schön genug?
Lachte ich zu viel?
Reden zu viele Leute über mich?
Ich fuhr mit meinen Fingern durch meine Haare.
Ist mein Herz kaputt?
Ich pfefferte meine Knöchel gegen die Wand.
Warum bemerkst du mich nicht?
Stumme Tränen liefen über mein, in meinen Augen hässliches, Gesicht.
Verfallene, gräuliche Finger legten sich von hinten auf meine Wangen. Strichen kratzend darüber.
''Du weißt ich finde dich hübsch...''
Die Stimme raunte mir das Süßholz ins Ohr.
''Du weißt wo sie ist.''
Auf dem hohlen Gesicht des Wesens bildete sich ein unmenschlich breites Lächeln.

Ich öffnete meine Tasche. Doch war enttäuscht als ich sie nicht fand.
Rewi... Dieser Penner hat sie weggeworfen.
Ich öffnete seine Tasche und fischte nach kurzem wühlen eine Rasierklinge heraus.
"Ritz... Gegen den Schmerz, einen Schritt weiter, einen Schnitt weiter, der beste Freund liegt einen Griff weiter... ''
Ich keuchte. Die bekannten Zeilen. Die verfaulten Finger strichen durch meine Haare.
Fast schon sanft, als wollte es mich ermutigen.
Zögerlich schob ich meinen Ärmel hoch.

Ich sah die Zeichnungen. Keinen Falls sinnlose Striche, nein, Sterne, Wälder, Berge, Seen und wilde Tiere zierten meinen Arm. Ab und zu war meine Traumlandschaft von schon seit Jahren tief roten, matt glänzenden Narben unterbrochen. Diese waren ungefähr einen Zentimeter breit.
Das letzte Mal war vor einem Jahr.
Es war schon Paradox.
So sehr das es mich kurz auflachen ließ.
Rewi hatte mich dazu gebracht damit aufzuhören.
Und jetzt? Jetzt war er der Grund dafür.
Ich seufzte. Setzte mich auf den Klodeckel. Legte die Klinge an meinen Arm. Alles was zu hören war, war mein leises Weinen.
Ich hab Angst.
''Nie wieder Einschlafhilfe von Jack...''
Ich dachte an die Abende an denen ich mich in den Schlaf getrunken hab.
''Nie mehr Augen aufschlagen...''
Vielleicht lebe ich bald in einer Traumwelt wo ich mit Rewi zusammen bin.
Ich schluchzte.
Aber ich wollte mit dem realen Sebastian zusammen sein.
''Das wird aber nie geschehen. Er liebt dich nicht...''

Dann schnitt ich.
Der Schmerz ein Freund, er überdeckte meine waren Wunden. Ich machte es nicht zum ersten Mal, ich war schon ein paar Mal unten.
Doch diesmal war es Ernst. Nicht nur ein Hilfeschrei.
Ich seh zum Fenster.
Kein Rewi. Kein Engel.
Nur eine blasse Spiegelung meiner Selbst. Und wieder die familiären starren Augen.
Und ich steche noch mal zu.
Diesmal war der Schnitt tief genug und ich sah Blut.
Ich bekam Panik. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr.
Nichts hält mich noch am Leben.
Der einzige Grund fickte gerade jemanden Anders.
Wieder schossen mir die Bilder in den Kopf.
Wieso tat es mir so weh?
Wieso wurde mir überhaupt dieses scheiß Leben geschenkt?
Ich werde schwach. Müde. Kraftlos.
Wollte ich überhaupt sterben?
Nein. Das Unaussprechliche hatte mich dazu geleitet.
Aber... ich konnte nicht.
Mir fiel die Energie die Blutung zu stoppen.
Mein Leben rinnt mir aus den Armen...
Ich wollte aufgeben. Einschlafen. Wieder klein und unbeschwert Leben.
Meine Hose saugte sich mit dem warmen, zähen Blut voll.
Das Wesen drückte mich auf den Boden.
Die Flüssigkeit floss in meine Haare.
Ich zitterte.
Der Innere Norden...
Bei jeden Herzschlag kam ein neuer Schwall Blut. Wie hypnotisiert sah ich auf meine Wunde. Es tat so weh daran zu denken, wie es für Rewi sein wird seinen toten besten Freund zu finden.
Selbstmord würde im Bericht stehen. Tot aufgefunden würde es in den Zeitungen stehen. Nur in Basti würde es immer stehen, in genau diesen Worten: Ich konnte ihn nicht retten.
So langsam bereute ich es. Er wird an den Schuldgefühlen zerbrechen. Elendig zerbersten wie ein vertrocknetes Blatt unter der Schuhsohle eine Kindes.
Und das aller schlimmste war ich kann ihm nicht mehr sagen wie viel er mir bedeutete.
Ich werde in seinen Augen immer der 'alte' beste Freund bleiben der ich immer war. Er wird einen neuen besseren Freund finden.
Und irgendwann auch seine große Liebe.
Wenn ich darüber so recht nachdenke war mein Tod eigentlich gut, so musste ich ihn wenigstens nicht glücklich mit jemandem anders sehen.
Ich habe einmal gehört, wenn man stirbt spürt man nichts mehr.
Ich frage mich ob das nun wirklich stimmt.
Ob ich fliegen werde?
Aus meinem Körper hinaus?
Oder zerfalle ich einfach nur in unendlich viele Atome?
Darf ich sein Schutzengel sein?

Plötzlich ein panisches Klopfen an der Tür.
"Felix! Shit öffne sofort! "
Ich reagierte nicht. Mir wurde schwindelig.
"Felix... . "
Er weinte. Meine Tränen waren schon getrocknet als ich beschloss es war zwecklos.
"Rewi... . "
Eine fremde Stimme. Ganz schwach tief aus meinem Innern. Ein letzter Funke.
Das reichte ihm und er warf sich immer und immer wieder gegen die Tür. Mein Blickfeld wurde kleiner.
Dann ein Krachen.
Er kniete sich neben mich.
Schwieg. Oder schien das nur so? Waren meine Ohren schon so taub? War ich überhaupt noch am Leben?
"Basti... ich will noch nicht sterben... ''
Jetzt flossen meine Tränen wieder. Ich schluchzte. Erschrocken darüber das ich kaum noch Luft bekam.
Rewi griff nach seinem Handy.
Seine Lippen...
Nie werde ich sie küssen können.
Niemals. Ich zuckte heftig, sein Blick fiel wieder auf mich.
"K-Küss mich... . "
Er erstarrte.
"Biiitte Rewi... Bevor ich sterbe möchte ich wenigstens noch meinen ersten Kuss haben... ''
Jetzt wusste er es.
Doch er lachte nicht.
"Felix du wirst nicht sterben!''
Zum Ende hin wurde er immer lauter.
"Bitte... ''
Meine Arme bebten.
Er seufzte. Mir tat es im Herzen weh ihn so zu sehen.
Langsam beugte er sich vor. Ging meinem Wunsch nach.
Legte sanft seine Lippen auf meine. Und ich erwiderte. Und wie. Ich steckte all meine Liebe und letzte Kraft in diesen Kuss.
Es war unglaublich.
Er löste sich viel zu schnell wieder von mir. Nun war er es der flennte.
"Wieso ist das der Weg auf dem du mich verlässt? "
Er gibt auf? Dann... Dann ist es doch vollkommen okay wenn ich es auch tue... oder?
Ich war leer. Nur seine Liebe war verblieben.
Ein letzter Augenblick.
Ich merkte wie mein Bewusstsein schwindet.
Ein letzter Atemzug. Dann ist es vorbei... Ich sah mein Leben an mir vorbei ziehen. Sah wie froh ich eigentlich war. Sah meine Freunde. Und Rewi. Wie er mich ansah. Und ich realisierte. Er hatte mich geliebt.
Ein letzter Schrei. Von ihm. Er trifft auf taube Ohren.
Ich war verloren...  

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