Crystalised

39

PoV Rewi

Wie so oft in letzter Zeit saß ich hier am Küchentisch.
Starrte in den schwarzen Tee vor mir. Als könnte mir die Brühe Antworten geben die ich von meinem Felix nicht bekam.
Mal wieder hatte er unsere Verabredung vergessen.
Ich dachte zurück an die ersten Tage unserer Beziehung. Da war es noch nicht so.
War ich echt so langweilig?
Ich stand auf.
An so etwas wollte ich nicht denken. Schließlich liebt er mich und ich liebe ihn.
Auch wenn meine Liebe vielleicht etwas stärker war... Er wird schon seine Gründe haben.
Ich ächzte.
Da war sie schon wieder. Diese Eifersucht.
Ob er jemanden anderen traf?
Ob er sich sehr gut mit dieser Person verstand?
Ob er es wagte mich zu betrügen?
Ich knurrte. Laut und bedrohlich.
Griff nach der Kristallglas Tasse. Pfefferte sie gegen die Wand. Sie zersprang in tausende von Scherben.
Wird das auch bald mit unserer Beziehung passieren?
Ich fiel zurück auf den Stuhl. Vergrub mein verzerrtes Gesicht hinter meinen Händen. Rieb mir durch die Augen.
Doch auch das verbannte nicht die Bilder. Felix mit jemandem Anders. Ich realisierte dass ich das nicht ertragen könnte.
Unsere Beziehung würde zu Staub zerfallen. Weggetragen auf das Meer das sich Leben nennt. Aber mein Herz würde wie eben diese Tasse zerspringen. Und man könnte es wie das Glas nie mehr zusammenkleben.
Ich zog meine Beine an.
Legte mein Kinn auf meinen Knien ab. Ein Blick auf die Uhr verriet mir dass er nun schon zwei Stunden zu spät war.
Sein Lieblingsauflauf im Ofen war schon wieder eiskalt und auch die Kanne Schwarztee dampfte schon lange nicht mehr. Sie haben ihr Feuer verloren, wie ich und er.

Das erlösende Klicken an der Haustür ließ mich hochschrecken. Schnell wischte ich die Tränen von meinen Wangen und hetzte schon fast zum Flur. Meine Finger krallten sich in den Türrahmen.
Da stand er. Müde lächelnd.
Ging auf mich zu. Drückte mir einen Kuss auf den Mund.
''Entschuldige dass ich zu spät bin. Ich hab es einfach vergessen...''
Mein Herz bekam Risse bei seinen Worten. Vereinzelt brachen Stücke davon ab.
''Schon okay... Wollen wir uns jetzt noch das Essen warm machen?''
Ich sah ihn an. Doch er wich meinem Blick aus. Mein Schmunzeln verging so schnell wie es gekommen war.
''I-Ich hab schon gegessen. Und um ehrlich zu sein bin ich jetzt auch echt müde... Also ich will einfach nur noch schlafen...''
Ich versuchte meine Enttäuschung hinter einer verständnisvollen Maske zu verstecken.
''Okay.''
Er legte eine Hand auf meine Wange. Sie war so kalt.
''Iss du einfach noch was.''
''Klar.''
Und dann war er gegangen.
War ein Gute-Nacht-Kuss zu viel verlangt?

Aufgewühlt stapfte ich in die Küche. Warf einen Blick auf den Auflauf im Ofen. Doch mir war der Appetit vergangen.
Ich wollte nur noch ihn. So wie früher. An meiner Seite.
Ich dachte ich wäre ihm das Wichtigste. Stattdessen ignorierte und vergaß er mich.

Ich kauerte mich neben ihm aufs Bett. Hielt einen süßen Abstand ein.
Es tat so weh...
Ich drehte mich zu ihm. Der Mond beschien sein so wunderschönes Gesicht. Stumm liefen wieder Tränen. Er wird wahrscheinlich nie von ihnen etwas mitbekommen.
Doch ich wollte nicht so einfach aufgeben.
Ich wollte ihn. Egal ob er mich wollte oder nicht.
Er hatte einmal gesagt er würde mir gehören. Nur mir. Ich legte meinen Arm um ihn. Zog ihn an mich.
Er wird mir gehören...

Am nächsten Morgen war mein Freund jedoch schon wieder verschwunden.
War das nicht zu erwarten?
Ich konnte ja schlecht eine Person seiner Freiheit berauben. Vor allem nicht jemandem wie ihm. Trotzdem tat die Erkenntnis dass er weg war weh.
Hätte er nicht wenigstens mit mir frühstücken können?
Stattdessen kauerte ich hier wieder allein und bekam wie seit Tagen keinen Bissen mehr runter. Hätte er auf mich geachtete hätte er meinen Gewichtsverlust bestimmt bemerkt. Nur leider tat er es nicht.
Mein Handy klingelte.
Paluten.
''Hey Rewi!''
''Hi...''
Was wollte er?
Aufnehmen?
Dazu fühlte ich mich auch lange nicht mehr in der Lage. Und wenn dann musste ich diese Glücklichkeit aufsetzen.
Würde Felix wie früher meine Videos schauen hätte er es bestimmt bemerkt. Nur leider tat er es nicht.
''Hast du schon gefrühstückt?''
''Nö wieso?''
''Gut ich komm rüber. Bis gleich.''
Tut.Tut.Tut.
Verwirrt nahm ich das Telefon von meinem Ohr. Raffte mich dann doch dazu auf den Tisch zu decken.

Eine halbe Stunde später öffnete ich dem Schwarzhaarigem die Tür. Er grinste mich über beide Ohren an. Zog mich in eine brüderlich Umarmung.
Ich verkrampfte. Dachte daran wie lange mich Felix schon nicht mehr umarmt hatte.
''Na wie geht's Bruder?''
''Relativ...''
Er legte den Kopf schief. Ich zeigte auf die Küche. Gemeinsam setzten wir uns bevor er wieder zum reden ansetzte.
''Ist es wegen Felix?''
Verwirrt riss ich die Augen auf.
''Woher...-''
Er winkte ab.
''Iss erstmal was.''
Ich nickte und würgte angespannt ein paar Bissen runter. Dabei schwebten mir Fragen und Vermutungen durch den Kopf.
Hatte Felix mit ihm geredet? Über unsere Beziehung? Sich lieber Paluten als mir anvertraut?
Allein der Gedanken daran machte meine Augen wieder feucht.
''Also Sebastian...''
Er nannte mich bei meinem Vornamen.
Unnormal für meinen Kumpel.
''Ich habe Rotpilz gerade in der Stadt gesehen und...''
Ich krallte mich in die Tischplatte.
''Und was??''
Unruhig rutschte ich auf dem Stuhl hin und her. Ich wusste gleich werde ich von Felix Geheimnis erfahren.
''Er hat jemanden getroffen...''
''Wen?''
''Ich kannte ihn nicht...''
Ich wollte es nicht glauben. Ich konnte es nicht.
''Ja und?''
''Nun ja... Sie haben...haben sich geküsst...''
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Hörbar stieß ich scharf Luft aus. Wut und Trauer mixten einen explosiven Cocktail in mir.
''Du lügst...''
Anders kann es nicht sein... Er würde doch nie...
''Ich hab ein Foto davon.''
Nein!
Er sollte aufhören zu reden. Mich in Ruhe lassen.
Ich fuhr mit meinen Finger immer wieder durch meine Haare. Versuchte an irgendeinem Gedanken in meinem Kopf halt zu finden. Fassungslos starrte ich auf den halbleeren Teller vor mir.
''Willst du es sehen?''
Ich wollte es nicht. Doch der misstrauische Teil meines Verstandes nickte. Und dann hielt er mir sein Handy vors Gesicht.
Und tatsächlich. Da war 'mein' Rotpilz mit jemandem Anders. Eng umschlungen wäre noch untertrieben.
Wie sie sich gegenseitig ihre Zungen in den Hals schoben.
Der liebende Teil meines Verstandes zerbröckelte wie trockener Sandstein.
''Alles Okay?''
Ich sah auf. Der Schwarzhaarige sah mich fragend an. Ich nickte nur kühl.
''Kannst du mich bitte allein lassen?''
Palle nickte und stand auf. Verließ die Wohnung.

Ich saß hier immer noch. Wagte es nicht mich zu bewegen. In mir tobte es.
War ich ihm nicht genug? Was hatte ich falsch gemacht? Liebte er mich wohl möglich schon gar nicht mehr?
Ich stand auf. Fiel auf mein Bett. Zog das Kissen an meine Brust. Sein Kissen.
Ich schloss meine Augen. Dachte an die wundervollen Momente die wir zusammen hatten. In wenigen Stunden wird das vergangen sein.
Ich werde ihn zur Rede stellen. Ich frage mich was seine Ausrede sein wird.
Oder hatte er womöglich gar keine?
Ich wog ab was denn wohl angenehmer für mich wäre.
Die Wahrheit oder eine Ausrede.
Ich entschied mich für die Wahrheit.
Hatte das Gefühl dann musste ich mir nicht stundenlang über den wahren Grund den Kopf zerbrechen. Auch wenn dieser wohl auf der Hand lag.
Er liebte mich nicht mehr, ihm wurde langweilig, er betrügt mich.
Fertig. Mehr gab es dazu nicht zu sagen.
Mehr wollte ich dazu nicht sagen. Ich brauchte keine Details. Keine genaueren Ausführungen. Was ich brauchte war seine Liebe. Doch die hatte ich verspielt.

''Rewi?''
Wann war er reingekommen?
War ich eingeschlafen?
Draußen war es schon dunkel. Ich konnte mir denken wo er die letzten Stunden war.
''Ich wollte jetzt eigentlich schlafen aber du blockierst irgendwie das Bett.''
Er lachte auf.
''Ich wollte eh reden...''
''Reden?''
Der Braunhaarige setzte sich auf die Bettkante.
''Worüber?''
''Über uns...''
Er schluckte schwer.
''Okay?''
Einen Moment Stille.
Täuschte ich mich oder schimmerte Panik in seinen Augen?
''Also. Wo warst du?''
Ich klang ruhig. Was selbst mich überraschte.
''Bei einem Freund.''
''Und was hast du bei deinem 'Freund' gemacht?''
''W-Wir haben ein bisschen was gezockt.''
Meine Augen verengten sich zu Schlitzen.
''Palle hat mir da aber etwas anderes gesagt. Beziehungsweise gezeigt.''
Er sprang auf.
Wieso sprang er auf?
''Wie?''
''Ach Felix. Mein lieber Felix. Er hat mir ein Bild von dir und deinem neuen Freund gezeigt.''
Reue in seinen Augen.
''T-Tut mir leid... Es ist nicht das wonach es aussieht...''
Ich schnaubte. Stellte mich viel zu nah vor ihm.
Hätte ich nicht vor Wut gekocht und hätte er nicht unaufhörlich gezittert wäre das die perfekte Position für einen Kuss.
''Meinst du nicht diese Worte sind ein bisschen veraltet? Ich habe gesehen. Und das was ich gesehen hab hat mir gereicht. Und ich dachte du liebst mich. Aber für dich ist ja 'Liebe' anscheinend nur ein Wort.''
Achtlos spuckte ich diese Silben aus. Genoss wie er bei meinem Zischen zusammen zuckte.
''Es wird nie wieder vorkommen...''
''Und das soll ich dir glauben??''
Langsam brodelte es in mir. Ich formte meine Hand zur Faust.
''Bitte Rewi. Ich liebe dich doch...''
Er legte zögerlich seine Hand auf meine Brust. Doch ich stieß ihn von mir weg. Erschrocken über meine plötzliche Brutalität zitterte er noch mehr.
''Nein... Du liebst mich nicht...''
''Aber...-''
Seine Reue wich der Angst und ohne ihn auch nur ausreden zu lassen schnellte meine flache Hand hervor.
Sein Kopf wurde zur Seite gerissen. Perplex und mit Tränen in den Augen berührte er seine rote Wange mit den Fingerspitzen.