10

81 0 0
                                    

  PoV Ardy

"Ja. "
Ich war froh dass Michael das Reden für mich übernahm.
Denn ich selber hätte vor dem Schrank kein Wort herausbekommen.
"Ist er schon gecheckt worden? "
Gecheckt?
"Ne. Das mach ich jetzt. "
Michael packte meinen Ärmel und zog mich, bevor ich noch hören konnte was der Fremde antwortete die Treppe hoch. Oben im Flur roch es nicht viel besser als unten. Die Wände waren mit verblichenen Pastelltapeten bedeckt und auch der Teppich harmonierte mit den Mintgrünen Papierfetzen.

Er zog mich in ein Zimmer. An der Tür klebte eine goldene 13.
Die auffällige Muster der Tapete und der Stil der Möbel verriet dass das Hotel wohl in den 70ern erbaut wurde.
Ich drehte mich zu dem Schwarzhaarigen.
" 'Gecheckt' ? "
"Ja wir hätten dich wohl vor warnen müssen. Aber egal. Zieh erst mal deine Hose, dein Shirt und deine Socken aus. "
Verwirrt tat ich das was er sagte.
"Deine Boxer auch noch. "
'Hör nicht auf ihn!'
"Was ? Nei-. "
Ich spürte seinen Atem vor meinen Lippen und er hauchte schon fast.
Mir wurde schwindelig.
Unbekannte Projektile schwirrten in meinem Kopf herum.
"Keine Widerrede.''
Ich schluckte und er ging wieder, lächelnd über seinen Sieg, in seine vorherige Position zurück.
"Los. Und dann ins Bad. "
Ich wurde rot doch streifte sie dann auch noch ab.
'Super...'
Ich spürte wie angepisst meine andere Seite war.
Was soll ich anderes tun?
'Vielleicht mal nachdenken?'
Ach lass mich doch in Ruhe.
'Du weißt ich kann das nicht.'
Leider.
Ich folgte Michael durch die weiße Tür.
"Unter die Dusche. "
Wieder gehorchte ich und er stellte das, wer hätte das gedacht, eiskalte Wasser an.
Ich fiepte auf.
Wollte schon raus hüpfen doch er versperrte den Ausgang.
"Nah komm bist du etwa so eine Pussy? "
Ich schüttelte meinen Kopf und bekam kein Wort über meine zitternden Lippen.
"Also wir müssen deine Beine und den Rest rasieren. Die Kunden mögen es halt lieber haarlos. "
Dabei verzog er keine Miene, obwohl jeder Jugendliche bei solch einer Aussage einen Lachanfall bekommen hätte.
Ich erschauderte.
Die Art wie er 'den Rest' betont hatte gefiel mir gar nicht.
Aber was hatte ich für eine Wahl?
'Ich bin einfach mal ruhig.'

Eine halbe Stunde, und mit dem Wissen was 'der Rest' war, später tapste ich aus der Dusche, eingewickelt in ein flauschiges Handtuch.
Wenigstens hatte er mich die letzten zehn Minuten allein gelassen.
Diese habe ich dann auch genutzt. Meine Hüfte brannte und trotzdem war ich heilfroh dass er die Rasierklinge da liegen gelassen hat.

Pete und Michael lagen aneinander gekuschelt im Bett und ich wollte schon umdrehen als jedoch Pete auf mich aufmerksam wurde.
"Komm zu uns Ardy. "
Er murmelte das in den Nacken von Michael wo er gerade sein Gesicht vergraben hatte.
Mit etwas Abstand zu den Beiden setzte ich mich dann doch auf die Matratze.
Ich schwieg.
'Ach du findest das also süß?'
Nein?
'Ach Ardilein, denk dran ich fühle so wie du.'
Ich beobachtete nur aus dem Augenwinkel heraus wie Pete versuchte irgendwie gemütlich auf dem Brillenträger zu liegen. Irgendwann gab er es auf und die Stille wurde nur umso bedrückender. Doch dann brach Michael das Schweigen.
"Nein Ardy, Pete und ich sind kein Paar. "
"Das wollte ich doch garn- ''
Der Kleinere legte sein Kinn auf Michaels Brust und unterbrach mich.
"Du wirst bald verstehen wie es ist in diesem Geschäft tätig zu sein"
Ich schaute ihn schief an.
"Komm zu uns. Michael hat noch eine andere Seite. "
Er kicherte und ich lehnte mich dann irgendwie unbeholfen an seine Schulter.
Man konnte es schon fast in meinen Kopf rattern hören als ich hin und hergerissen vor dem Bettende stand.
Was meinte Pete mit seinem Kommentar?
Wie es ist in diesem Geschäft tätig zu sein...
Ich hatte tatsächlich keine Ahnung.
Jedoch...
Ein bisschen Wärme wäre schon schön...
'Meinst du nicht das kommt ein wenig schwul?'
Ernsthaft?
Dann schlüpfte ich unter die Decke und er zog mich noch ein Stück näher an sich.
Bevor ich einschlief sagte er noch
"Und morgen ist deine erste Arbeitsnacht... ''

Ein monotoner Piepton weckte mich aus meinem Schlummer und ich streckte mich ausgiebig.
"Boah. Klatsch mir nicht deinen Arm ins Gesicht. "
Ich zuckte zusammen.
Ach ja.
Ich murmelte zu Michael ein Sorry und stand mit wackeligen Beinen auf.
"Wie viel Uhr haben wir? "
Pete gähnte.
"Mhm so 13 Uhr? "
"Waaas? "
Ich ließ mich wieder rückwärts aufs Bett fallen während ich mit meiner Hose kämpfte.
"Kein Wunder dass ich so einen Hunger hab. "
Die anderen Beiden zogen sich auch schnell an und zusammen gingen wir durch München.
Irgendwann blieb Pete vor einem Restaurant stehen.
"Ohhh dürfen wir da essen? Biiitte. "
Bettelnd sah er Michael an.
Dieser lächelte amüsiert und nickte dann.
Ich und Michael folgten dem aufgeweckten Schwarzhaarigen und wir setzten uns an einen der Tische.
Das Café hieß 'Extrablatt' und war schon von Außen durch die Spiegelwände und auf alt gemachten Möbeln aufgefallen.
Als die Bedienung kam bestellte ich mir einen Kaffee und irgendein Sandwich.
Michael und Pete redeten angeregt miteinander und ich mein Nacken spannte sich kurz an als mich meine andere Seite auf etwas aufmerksam machte.
'Da starrt dich wer an.Und dem Blick nach zu urteilen...'
Er kam von einem der Nachbartische, ein Mann etwa mittleren Alters, drei Tage Bart und stilvollen Anzug. Außerdem schlürfte er einen Cappuccino.
Als er merkte wie ich ihn ansah wendete er sich wieder seiner Zeitung zu.
Ich runzelte meine Stirn.
Merkwürdig.
Er kritzelte etwas auf einen Zettel, faltete fein säuberlich seine Zeitung zusammen und warf einen Blick auf seine aufwändig verzierte Taschenuhr.
Mit einem Ruck stand er dann auf und drückte mir unauffällig beim Rausgehen den Zettel in die Hand, den er geschrieben hatte.
Obwohl es wohl niemandem sonst auf gefallen ist sah mich Michael überrascht an.
"Na da hast du wohl deinen ersten Kunden für heute Abend. Zeig mal. "
Er streckte seinen Arm aus und ich gab ihm, immer noch perplex, den Zettel.
"Uhrzeit, Ort und sogar noch einen Zwinkersmilie. "
What?
'What?!'
Ich entriss ihm das Blatt und überflog es.
19:oo, Restaurant Adrian.
Du hast so süß und verträumt geschaut da musste ich dich einfach nehmen ;)
Okay... Wurde ich gerade ernsthaft von einem Typen angemacht?
'Uhm. Scheint so.'
Also so Liebesbrief-mäßig?
"Pete hatte den auch mal meine ich. "
"Japp. Also Michael gib ihm heut Abend was mit. "
"Was 'mitgeben'? "
"Keine Sorge, keine Dro- okay... okay eigentlich doch Drogen. "
Natoll.
Die machen mich noch zum Junkie.
"Okay Süßer, jetzt shoppen wir erst mal stylische Klamotten. "
Ich ließ mich widerwillig von Pete mitziehen da er eh nicht auf eine Antwort von mir wartete und ließ damit mein wundervolles Frühstück zurück.
Mit einem beleidigtem Blick sah ich wie sich Michael gleich darüber her machte.

Ein paar Sekunden später stand ich umringt von Menschen auf dem Stadtplatz.
Wie sie sich ignorierten. Hin und her hetzten. All die Farben und Häuschen. Auf einmal alles grau um mich herum. Zum zweiten Mal heute begann ich zu schwanken. Langsam drehte sich alles und ich krallte mich in die Hand von dem Kleineren um nicht doch zusammen zu brechen.
Pete schreckte mich auf.
"Also auf zum Friseur. "
Ich folgte ihm.

Wir passten uns dem Strom an und nach dem wir ein paar der Hauptstraßen überquert hatten zog mich der Junge mit der roten Strähne, aus der Menschentraube hinein in eine vollen Laden.
Der ätzende Geruch von Haarspray stieg mir in die Nase und ich sah mich um.
Die Wände waren in stilvollen Tönen gehalten. Und aufwendig verzierte Spiegel zeigten wo man die Haare gemacht bekam. Ab und zu hingen dort Bilder von übertrieben geschminkten Models. Alle samt bearbeitet.
Jedoch stand es außer Frage das der Inneneinrichter Geschmack hatte.
"Okay. Ich hab schon einen Termin gemacht. Olaf wird sich um dich kümmern. "
"Key. "
Wie auf Kommando stellte sich eine großgewachsene Person vor mich. Etwa 30 Jahre alt. Dunkler Teint. Die Haare zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden.
Er musterte mich und ich merkte wie er mich versuchte einzuschätzen.
"Hi... ''
Meine Stimme kratze ab.
Dumme Luft.
Dann zogen sich seine Mundwinkel nach oben. Und er entblößte seine Zähne.
"Hey, ich bin Olaf und du? "
Ich konnte gerade noch ein 'Ardy' murmeln dann wurde ich schon auf einen der schwarzen Sitze verfrachtet.
Olaf wusch mir die Haare und redete über belanglose Dinge. Ungefähr ab der Stelle wo er von seinem Bruder erzählte schaltete ich ab.
Wieso?
Wieso musste ich jetzt an Taddl denken?
Ich schloss meinen Augen und schon wieder erschienen diese blonden Haare.
So zwang ich mich sie offen zu halten.
Leichter gesagt als getan, denn immer wenn Olaf mal aus versehen an meinen Haaren zog kniff ich sie aus Reflex zusammen. So fügte sich das Bild immer mehr zusammen.
Kann der nicht einmal meinen Kopf verlassen?
'Vielleicht ist er ja sowas wie eine Wahnvorstellung.'
DU bist eine Wahnvorstellung.
'Da hast du wohl recht.'
Verärgert schnaubte ich. Zum Glück hörte mein Stylist das nicht, sonst hätte ich mir wieder eine Ausrede ausdenken müssen.

Ich atmete deshalb auch erleichtert auf als er fertig war.
"So. Ich finde ein bisschen Farbe und schneiden und dann kann man dich schon wieder auf die Straße lassen. Was willst du denn? "
"Überrasch mich... "
"Oh du sprühst ja gerade so vor Motivation. Wer hat dich genötigt hier hin zu gehen? "
Ich sah sein Grinsen in der Spiegelung. Meine Lippen formten ein Lächeln.
"Ein Kumpel. "
"Ich verstehe. "
Glücklicherweise wendete er sich jetzt dem kleinen Tisch neben sich zu und ich zog meine Mundwinkel wieder in die ursprüngliche Position zurück.  

CrystalisedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt