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  PoV Ardy

Mein Herz schlug mir bis zum Hals als ich vor Dners Haustür wartete. Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den Anderen.
Weshalb?
Ich hatte Angst Taddl nochmal über den Weg zu laufen. Und mit jeder Sekunde die verstrich wurde es für mich immer wahrscheinlicher das er mich gleich umrennt.
Es war Feige von mir gewesen.
Ich hatte einfach aufgegeben. Ich hatte ihn aufgegeben.
Doch ich konnte nicht anders. Es war zu anstrengend gewesen.
Ich dachte zurück an den Tag wo Pandora ihn fast umgebracht hatte. Schon da konnte ich ihn nicht beschützen.
Etwas in meinem Herzen zog sich zusammen und meinem Verstand wurde bewusst dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Ich konnte ihn einfach keine Sekunde länger dem Risiko aussetzen dass ihn seine Liebe anfällt.

Ich klingelte erneut. Diesmal drückte ich den Knopf ein paar Augenblicke rein.
Ob er mich nicht hörte?
Ob er vielleicht gerade duschte?
Kopfschüttelnd wendete ich mich von der Tür ab.
Vielleicht wollte er mir auch einfach nicht aufmachen. Vielleicht hat Taddl ihn schon längst über mich informiert und der Blonde kauert zehn Stufen unter mir, bereit mir den Hals umzudrehen.

Beunruhigt schlich ich beinahe lautlos das Treppenhaus hinunter.
Atmete auf als ich an unsere Wohnung vorbei war.
Endlich konnte ich die Eingangstür aufstoßen.
Kaum merklich wurde ich je weiter ich mich vom Haus entfernte immer schneller und auch meine Panik schwand.
Die kühle Abendluft ließ den Schweiß auf meiner Haut fast schon einfrieren und als ich außer Atem an einer Parkbank ankam überfiel mich ein Schauer. Ich fiel auf die Bank. Schon wieder zitterte ich. Zog meine Beine an. Ich versteckte mein Gesicht hinter meinen Knien. Rieb meinen schmerzenden Kopf über den Jeansstoff.
Wär er doch jetzt nur hier...
'Er kommt nicht wieder...'
Ich hatte ihn ja auch erfolgreich vergrault. Langsam bereute ich, wie ich ihn abserviert hatte.
Wie er sich danach wohl gefühlt hatte...
Ob er er tief in sich nach Ausreden für meine blauen Flecken gegraben hatte?
Ich hoffte er würde mich bald vergessen... Auch wenn es schwer sein würde...
Es wäre besser so. Auch wenn ich dafür leiden musste. Solange ich ihn damit vor Schmerzen bewahren würde wäre es okay.
Es wäre okay geschlagen zu werden. Angezündet. Verbrannt. Tot. Solange er in Sicherheit ist würde ich alles riskieren. Und in diesem Fall steht mein gebrochenes Herz auf dem Spiel.
Gefühle werden überbewertet.
Schnaubend musste ich Pandora zustimmen.
Gefühle sind unnötig. Alles endet so oder so. Und dann ist es ein schmerzvolles Ende. Selbst Glück durchkreuzt der Tod.
Und mal wieder schmiegte sich das so schwarze Wort an mein Bewusstsein. Klang rauchig in meinen Ohren.
Tod...
Ein Ausweg.
Aber ein Gedanke hielt mich davon ab.
Es würde ihm das Herz aus dem Leib reißen.
Ich musste neben ihm stehen. Ohne ihn berühren zu dürfen. Er sollte mich sehen. Ohne mich lieben zu dürfen.
Ich schluchzte. Zuckte zusammen.
Wann hatte ich angefangen zu weinen?
Enttäuscht von der Schwäche meines Körpers wischte ich die Tränen von meiner Wange. Fuhr über die im Mondlicht unheimlich scheinende Sitzfläche.

''Ardy?''
Bei der tiefen Stimme rutschte mein Herz in meine Hose. Ich sah nicht auf. Konnte nicht. Angst. Ja das hatte ich jetzt.
Würde er mich schlagen? Anschreien?
''Hey...''
Er legte seinen Arm über meine Schulter.
Ich zitterte. Woran nicht nur die eiskalte Luft Schuld war sondern auch dieser vertraute brummende Unterton.
Vorsichtig sah ich auf.
''Du weinst ja...''
Ohne das ich etwas dagegen tun konnte strich er zaghaft mit seinen Daumen über meine Wangen.
''Was willst du hier?''
Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Sollte er mich nicht eigentlich hassen? Verabscheuen?
''Ich...Ich kann das nicht so einfach akzeptieren...''
Ich hatte ihn aufs Höchste beleidigt... Ihm gestanden das ich eine Hure bin... Ihm gesagt ich hasse ihn...
Was sollte ich noch tun damit er mich einfach losließ?
Wie sehr konnte eine Person einen lieben?
''Du musst aber...''
Er hob mich an meinem Kinn an. Ich sah wie sich seine so wunderschönen Augen mit Tränen füllten.
Der Vollmond spiegelte sich in seinen Pupillen. Tauchte alles in ein magisches Licht.
Ich wollte mich losreißen.
Diese Augen übten immer noch eine zu große Anziehung auf mich aus.
''Ardy... Du musst doch selber sehen dass deine Worte nicht der Wahrheit entsprechen. Ich weiß...''
Er knickte kurz ein. Nahm meine Hand.
''Ich weiß das du mich angelogen hast. Ich muss nur noch herausfinden wieso... Wieso tust du mir so was an? Was erhoffst du dir dadurch?''
''Dich zu schützen...''
Ich hauchte diese Worte nur doch in der stummen Nacht klangen sie wie ein Schrei.
Komischerweise lachte er auf. Verwirrt legte ich den Kopf schief.
''Denkst du nicht du solltest eher beschützt werden?''
''Ich bin überflü-''
''Nein!''
Er unterbrach mich. Sah mich mit aufgerissen Augen an.
''Das bist du ganz und gar nicht. Du bist mir das wertvollste auf der Welt.Und ich werde alles tun damit das so bleibt. Okay?''
''Aber-''
''Okay?''
Durfte ich auch noch ausreden?
''Nein...''
Diesmal hielt ich ihm den Mund zu. Stand auf.
''Ich verletzte dich nur...''
''Womit Ardian?''
''Mit meiner Existenz..''

Mit diesen Worten raste ich so schnell mich meine Füße trugen in irgendeine Richtung. Hauptsache weg von dieser Person.
Der Person die mein Herz besaß.

Glücklicherweise wurden nun auch die letzten Tränen vom Wind getrocknet. Zurück blieb nur dieses schrecklich Gefühl geweint zu haben.
Doch etwas anderes nistete sich noch tief in meinem Kopf ein.
Eine unglaubliche Lust. Lust auf... Ja auf was eigentlich? Nichts sexuelles... Nichts essbares... Mein Körper zerrte nach einem Genussmittel.
Die letzten Spuren der Tränen wurden von Schweißtropfen vernichtet. Langsam bahnten sie sich einen Weg über meinen Körper. Setzten sich in meinen Klamotten fest.
Schwer atmend kam ich zum stehen. Ein Blick hinter mich verriet mir das ich Taddl wohl abgeschüttelt hatte.
Vorausgesetzt er ist mir hinterher gelaufen.
Ich betrachtete meine, im Mondlicht weißlich schimmernden, Hände. Sie krampften unkontrollierbar.
Wie konnte ich nur so dumm sein und es ausblende. In der Psychiatrie waren die Beruhigungsmittel meine Droge.
Und nun?
Nun hatte ich nichts.
Noch nicht einmal Geld für einen Joint. Und mir wieder Geld auf diese Weise zu verdienen würde ich wirklich nicht übers Herz bringen... Oder?
War ich echt schon so tief gesunken?
Innerlich suchte ich fieberhaft nach einer Stimme die mich an den Schultern packte, mich schütteln würde und sagen würde Nein, Nein das tust du jetzt nicht. Denk an Taddl. Du bist stark genug!
Doch bis auf ein paar jammernde Laute gab mein Inneres nichts von sich.

Angespannt betrachtete ich das rege Treiben in der Stadt. Nur wenige Meter von mir entfernt standen Menschen.
Ich verstand sogar ihre Gespräche. Da ging es um Geld, Sex, Tierarztkosten.
Und trotzdem fühlte ich mich so allein wie lange nicht mehr.
War das eine der Nebenwirkungen?
Werde ich jetzt wie in den Filmen zusammenbrechen?
Wenn ich es mir recht überlegte wollte ich nur ungern Bekanntschaft mit dem Erdboden machen. Vorsichtig setzte ich mich in Bewegung.
Ja, Bewegung klang gut. Sollte mich ablenken.
Aus den vorher so unkontrollierten wankenden Schritten wurden Meter für Meter immer sicherere. Unwirklich nahm ich die verschwommenen Büsche und Bäume, Menschen, Lichter, Stände und Häuser, um mich herum war.
Ich rannte. Immer schneller.
Das Ziehen in meiner Brust hieß ich nur liebend gerne Willkommen. Es lenkte mich ab. Ab von dem Verlangen.

Plötzlich lief ich mit voller Wucht gegen eine Wand.
War ich echt so abwesend?
Bei genauerer Betrachtung stellte sich diese Wand auch als etwas anderes heraus. Und ich brach fast zusammen.
Kühles Silber musterte mich mindestens genauso überrascht.
Es konnte einfach nicht wahr sein.

Der Größere griff nach meinem Handgelenk. Zog mich in einer Bewegung wieder hoch.
Er konnte nicht wieder da sein.
''Na?''
Ich schwieg. Stumm starrte ich den Menschen an der wohl mein ganzes Leben zerstört hatte.
'So schlimm war es nicht...'
Säuselte Pandora.
Wegen ihm... Bin ich fast gestorben...
'Es war nicht wegen ihm Ardian. Wegen dir. Du hast es nur gewagt ihn als den Sündenbock auszunutzen... Denk dran: DU hast dich damals in der Bar auf ihn eingelassen...'
Aber er hat mir so weh getan...
'Sei nicht so eine Pussy! Denkst du bei Taddl wäre es anders gewesen?'
Kaum merklich nickte ich.
'Töricht wie eh und je. Aber bevor du wieder schreiend vor deiner Problembehandlung wegrennst. Ich bin mir sicher er würde dir ein Dach bieten.'
Das würde ich für eine Zeit auch bei meinen Freunden finden...
'Denkst du nicht Taddl hat schon alle informiert? Er will doch dass du zurückkommst...'
Ich spürte ein Ziehen in mir.
'Aber dann würde ich ihn töten... Außerdem denkst du zum Beispiel Rewi würde dich aufnehmen? Du bist ja schließlich dafür verantwortlich das Rotpilz im Krankenhaus lag. Und allgemein... Wie würden sie auf deine Sucht reagieren? Ja... Sie würden dich wieder in eine Anstalt stecken. Willst du das?'
''Braucht du Hilfe?''
Da war sie wieder. Diese so vertrauenerweckende Stimme.  

CrystalisedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt